Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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blieb davor stehn, und sah sie mit innigem Behagen an. Da seht einmal, lieber Freund, sagte er endlich, wie das Alles so mild und lustig neben einander steht, und Keines des Andern Platz beneidet, oder dessen Art und Weise schilt. Wie müßten sonst die gelben Blumen mit den rothen zanken, daß sie nicht einerlei Farbe tragen, und die Blumen zusammt mit den Grashalmen, ob es besser sei, ordentlich zu blühen oder nicht. So aber wohnen sie friedlich neben einander, und freuen sich an ihrer unterschiedlichen Herrlichkeit, damit wir doch auch ein Bild davon hätten, wie es im Himmelreiche zugeht unter den lieben Engeln, und wie Gottes Wille ist, daß wir mir einander leben sollen.

      Er faßte ihn recht traulich bei der Hand, und sie gingen wie zwei alte Bekannte nach der Försterwohnung zu.

      Die Kinder sprangen ihnen vergnügt entgegen. Walter! riefen sie, lieber Walter! Laßt Ihr Euch endlich auch einmal sehn. Die Eltern kamen auf das Geschrei aus der Thüre, und bewillkommten ihren Gast mit lebhafter Freude. Dieser setzte sich an den altväterlichen runden Tisch, und das Gespräch begann auf die gewohnte Weise, nur daß Alles einen Anflug von höhrer Liebe und Freundlichkeit gewann. Der Fremde erzählte selbst eine wunderliche Geschichte aus seiner Jugendzeit, wie er Gold in einem Berge angetroffen habe, und darüber erschrocken sei. Es kam Allen vor, als sei die Erzählung noch nicht ganz zu Ende, und Niemand konnte dennoch nach dem Schlusse fragen.

      Da brach Walter auf, spät in der Nacht. Der Förster wollte ihn zurückhalten, oder ihn wenigstens bis zum großen Fahrwege geleiten, aber er antwortete: mein Lichtlein trag' ich immer bei mir, und läßt mich nicht vor Nacht und Gespenstern zagen. Lebt wohl.

      Als er fortgegangen war, sprach der Förster noch viel davon, wie er ihn einst in des Waldes unwirthbarster Gegend getroffen. Dort habe ihm der wunderliche Fremde heilende Kräuter gezeigt, für seinen vom Eber verletzten Fuß, und sie seien mit einander nach dem Forsthause gegangen. An den Kindern fuhr er fort, fand unser Gast alsbald die besten Freunde, und sie hatten ihr lustiges Spiel mit ihm, während wir Alten noch immer etwas in der Ferne standen, und ihm wie einer Erscheinung zusahen, die unvermuthet gekommen ist, und auch eben so unvermuthet wieder verschwinden kann. Endlich wurden wir doch auch vertrauter mit ihm. Er kam uns aber beständig wie eine Gestalt aus andern Zeiten vor, aus einer unermeßlichen Ferne herüber, wie man so den Hirsch am frühen Morgen durch die Nebel stehn sieht, und manchmal denkt, es sei wohl nur ein Busch, oder ein bemooster Stein. Wir wußten nicht, wie er hieß, und bekümmerten uns auch nicht darum. Mein jüngster Knabe pflegte ihn Walter zu nennen; Gott weiß, ob nicht aus einer Eingebung, wie sie Kindern bisweilen kommen mag. Wir fanden wenigstens den Namen, wie auf unsern Gast erfunden, und als ich mich näher drüber besann, kam er mir auch recht wie Walter vor, wie Einer, der über uns Allen waltete, und wohl über Jedermann, den seine fromme Worte abreichen. Nachher haben wir erfahren, daß er in einem ziemlich entfernten Städtchen wohnt, und ein schlichter Bürgersmann ist, aber bekannt in Deutschland, und auch in andern Ländern wegen seines heiligen Lichts, das in ihm aus treuer Meinung entbrannt ist, und sich ohne sein Zuthun, durch die Verfolgung hochmüthiger Menschen angeschürt, so weit verbreitet hat.

      Alwin fiel hierbei auf den Gedanken, ob er nicht unversehns den Germanischen Weisen angetroffen habe, zu welchem Raimund gezogen war, und dem selbst der hochfahrende Florismarte so freiwillig die Oberstelle einräumte.

      Ich bin der, welchen Ihr meint, sagte Walter, als ihn bei seinem nächsten Besuche Alwin deshalb befragte. Ich that, wie Jeder unter uns thun sollte, dem seine Seeligkeit am Herzen liegt, ich ging mit frommem Muthe in mich selbst hinein, verwog mich des irdischen Lebens und Ruhmes für immer, nur daß ich Gottes klare Liebe finden wollte, und mich vor Anfechtungen darin bergen, wie ein Kind sich in der Mutter Schooße birgt. Die Flamme stieg aus Schmach und Noth herrlicher auf, weiter strahlend, als ich es jemals hätte denken können. Es sind Viele der gelehrten Männer zu mir gekommen, und haben mir Fragen vorgelegt über Leben und Tod, über Grab und Auferstehung. Darunter gehörte auch Euer Meister Raimund. O, des edeln, kunstreichen Gemüthes. Er brachte mir seine hübschen Reime, wie ein frommes Kind dem andern seine bestgepflückten Blumen bringt, und wir lebten mit einander in Lieb' und Freundlichkeit. Wir wollen auch so bei einander bleiben, wenn es Euch gefällig ist, lieber Herr und Freund, denn ich spüre in Euch das rechte Gold, und möchte gern dazu thun, daß es aus dem groben Stein an's Tageslicht gefördert würde.

       Inhaltsverzeichnis

      Walter kam seit dieser Zeit öfter in's Forsthaus, und hielt immer lange und begeisterte Gespräche mit Alwin. Dieser aber fühlte sich, so mild auch Walter's Reden waren, dadurch auf eine schauerliche Weise bewegt. Des Lebens nothwendiger, unabänderlicher Schluß ward allemal mit so entschiednen Worten hingestellt, daß keine von den Floskeln, die wohl Alwin für ähnliche Fälle gehört und ausgesprochen hatte, dagegen ausreichen wollte. Was dieser von Nachruhm, von Liebestrauer sprach, pflegte Walter mit einer dürren Hinweisung auf das Gerippe zu beantworten, worin jeder sinnliche Reiz sich auflösen müsse.

      Wenn in dieser Zeit Alwin zu Nacht vom Schlaf auffuhr, glaubte er schon im Arme des kalten, gräßlichen Grabes zu liegen. Und ermunterte er sich auch, was half es, vom Unentfliehbaren noch auf so, oder so viel Minuten entfernt zu sein! Aus dem weingefüllten Pokal, aus dem heitern Gespräch, aus allem sonst Ergötzlichen, rief ihm der grausende Tod entgegen: Du bist mein, wie sie schon Alle mein gewesen sind, und es sein werden, die auf dem Erdboden in Menschengestalt umherwanken. Er glaubte oft, seinen furchtbaren Feind ganz vernehmlich lachen zu hören, daß alle Dinge um ihn her im Gefühl solcher Botmäßigkeit erzitterten. Was Emilie bei Hartwald's Tode gesagt hatte, kam jetzt mit erneuten Schrecken in sein Gemüth; er suchte vergebens nach einem Port, welcher ihn vor dem unabsehbaren Wogengrabe schirmen könne.

      Walter bemerkte wohl, was in seinem Freunde vorging, ohne jedoch davon sonderlich erstaunt, oder bewegt zu sein. Ueber ein edles Reis, pflegte er zu sagen, muß manch eine Wetterwolke hinziehn, eh es zum fruchttragenden Baum festwurzelt, und in aller Herrlichkeit aufschießen kann. Blüh' fort, Du süße Gestaltung, weiter und weiter aus Deinem Kern hervor, auf daß Gott und Menschen an Deinen Früchten Lust haben mögen.

      Dergleichen Worte tönen begeisternd, antwortete Alwin dann wohl zuweilen, aber sie gelten mir nur wie ein flüchtiger Labetrunk. Ich muß fortwandeln auf dem furchtbaren Pfad, und die Wolken ziehn sich nachher nur drohender zusammen.

      So ist's auch recht, sagte Walter. Aus Dir selbst, aus Dir allein, allein mit eigner Kraft mußt Du das heilige Geheimniß hervorgraben, und solltest Du auch vermeinen, Leib und Seele gingen Dir verloren in dem Gefecht. Was Du verlierst, gewinnst Du zehnfach wieder.

      Alwin fiel in seinen Beängstigungen oftmals darauf, ob er nicht in den Schooß der Katholischen Kirche flüchten solle, wie er schon früher Neigung dazu empfunden hatte, und theilte auch endlich diesen Gedanken seinem Freunde mit.

      Ach Gott, sagte Walter, wie Ihr doch immer noch so ganz auf dem irrigen Wege seid! Von außen her, meint Ihr, soll's Euch kommen! Etwa, wenn Ihr vor einem schönen Heiligenbilde knietet, die feierliche Musik um Euch her rauschte, und Wolken von Weihrauch an Euch vorbeizögen. Wenn es Euch nun auch betäubte, daß Ihr alle Schrecken vergäßt, die Euch gegenwärtig nachhingen, was hättet Ihr dann wieder gewonnen, als einen neuen Rausch und Taumel, ein wenig anders gestaltet, wie der letztempfundne? Mein Freund, das wäre eine wahre Abtrünnigkeit bei Euch, und noch oben drein schmähliche Heuchelei gegen die Katholische Kirche.

      Heuchelei, wiederhohlte Alwin. So könnte man nennen, was mich etwa ein Jahr früher dahin getrieben hätte: Lust an den schönen Cärimonien und so weiter, ohne eigentlichen Herzensdrang. Aber diese grausenvolle Gestaltungen meines eignen Geistes, diese drückenden Lasten auf meiner Brust, wie könnte für andres als Wahrheit gelten, was ich unternähme, mich vor ihnen zu retten.

      Lockung und Drohung sind wohl ziemlich dasselbe, sagte Walter. Keines von ihnen darf ein Gemüth, daß zu Gott will, auf irgend eine Weise bestimmen. Ob Euch die schönen Bilder anziehn, ob Euch des Todes Larve treibt, – gleichviel! Ihr bliebt ein Heuchler. Hat Euch nicht schon ein innrer Schauder aufgeregt aus langer Ruhe? Müßt Ihr nicht, willig oder nicht, zum Licht hinan, wenn Ihr treu