Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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sah staunend in die Höhe. Mathilde kam aus dem Walde, und wie an jenem ersten Abende beim Kloster, ging er ihr im halben Traum entgegen. Aber er sank nicht vor ihr auf's Knie, er fühlte, daß sie sein war, und es fortan bleiben wollte, auch schmiegte sie sich weinend in seine ausgebreiteten Arme, und lehnte den schönen Kopf an seine Brust. Heisse Küsse drückte er ihr auf Stirn und Wangen, und Raimund sagte:

      Sie ist der höfisch tollen Vögel überdrüssig geworden, und sehnt sich nach dem süßen menschlichen Laut ihres Gefährten zurück.

      Nimmst Du mich denn nun noch an, Du liebes, frommes Kind? fragte Mathilde, mit holder Beschämung zu ihrem Freunde aufblickend. Die hochmüthige Thörin ergiebt sich Dir, und Deiner stillen, sinnigen Liebe. Komm nur mit mir, von dem kriegzerrissnen, blutigen Lande fort, wo Gemüther wie Deines, an keiner Parthei ihre Freude haben können. Auf der Insel Rügen, dem abgeschiednen, dem der Vorwelt heiligen Boden, erwartet uns zwei und Raimunden ein ruhiges Leben. Da sollst Du die alten Heldengestalten heraufbeschwören, und mühlos leben und ungestört, der heillosen Gegenwart fremd.

      Walter trat zu ihnen, und indem er die Hände seegnend auf beider Liebenden Häupter legte, sprach er Amen! Zieht mit Gott, Ihr Frommen. Eine schlimme Zukunft steigt unserm Vaterlande auf, aus der mich bald der ewige Friede abrufen wird, Euch die irdische Liebe und Ruhe, um Euch später mir nach zu geleiten. Vergeßt nicht über dem schönen Wege des schönern Zieles.

       Inhaltsverzeichnis

      Ein klarer Herbsttag war über die Wellen der Ostsee emporgestiegen, die Wasser breiteten sich wie ein behaglicher Teppich aus, Rügen schaute einladend mit seinen dichten Wäldern her.

      Alwin ging am diesseitigen Strande auf und ab, und freute sich über das immer näher wogende Fahrzeug, welches ihn und seine trauten Gefährten in das Eiland der Ruhe und des Friedens hinübertragen sollte.

      Da schritt vom nächsten Orte ein langer Mann eilfertig auf ihn zu, dessen Gestalt ihm sehr bekannt vorkam. Er hatte sich auch darin nicht geirrt, denn als der Fremde näher kam, war es Thorwald, der ihn ohne weitre Vorrede mit folgenden Worten ansprach:

      Seid Ihr es! Seid Ihr es denn wirklich! Mir bleibt nun weiter kein Zweifel mehr übrig. Der Wirth, bei dem ich übernachtete, hat recht gehört. Und dort kommt ja auch schon der Nachen angeschwommen, der Euch nach Euern elysisch trägen Gefilden fortschaffen soll. Nicht Euch allein, sondern auch die königliche Mathilde. Daß der Poet Raimund mitzieht, ist in der Ordnung, und ich habe nichts dawider zu sagen. Aber Ihr! O Alwin, es braust von gewaltiger, neuschaffender Gährung im Vaterland auf, jeglicher kühne Geist stemmt sich, hier oder dort den Weltbau zu halten, und Ihr flieht, ein klugsorgender Emigrant. War das die Flamme, die in Euch bei Heldengeschichten aufsprühte? Waren das die Erwartungen, die ich wie aus Frühlingsblumen verheissend aus Euern Träumen emporsprossen sah? Nun ist Euer Sommer gekommen, und ich betrogner Erndter wandle zwischen nutzlosem Gestripp umher. Glaubt nicht. daß mir Euer bisheriges Leben fremd geblieben sei. Den ruhmvollen Degen habt Ihr abgelegt, um Euch zwischen einem phantastischen Poetenvolk herumzutreiben, und dieses nur wieder verlassen, um zur theosophisch-mystischen Schule eines Schwärmers überzugehn. Billig folgt nun daraus die arkadische Ruhe. Wohl bekomm' sie Euch!

      Damit wandte er sich ab, blickte aber zögernd noch einmal nach Alwin zurück, der ihm freundlich in's Auge sah, und ihm die Hand entgegen streckte.

      Ich bin toll, auf Euch zu hören, sagte Thorwald. Aber was wollt Ihr? sprecht nur.

      Lieber Thorwald, erwiederte Alwin, ich bitte Euch, zu bedenken, daß wir zwei verschiedne Personen sind. Ich meine Euch nicht aus Euerm Secretariat zu verdrängen; laßt mich dafür hübsch in meiner Poesie, oder wie Ihr es sonsten benennen wollt. An Euern Kämpfen finde ich keine Freude, denn mir kommt die eine Parthei so verrückt, als die andre vor. Ueberhaupt habe ich mich nur von jeher in den Krieg gestürzt, wie Leander in's Meer, als er zur Hero hinüberschwamm: des schönen Zieles wegen, nicht aber um lebenslang unter Schaum und Wogen herumzuplätschern. Daß ich noch aus gleicher Ursach, mit gleichem Muthe dem Gewühl trotzen kann, steht bei Euch zu erproben, wenn Ihr etwa eine Landung auf Rügen versuchen wollt. Sonst aber behagt mir's nicht. Daß Ihr ganz recht habt, mit der Welt um die Welt zu ringen, gestehe ich Euch gern zu, und Jedwedem, der gleichen Sinnes ist. Dafür aber wünscht' ich auch, daß Ihr Euch nicht erhitztet, wenn ich offenherzig bekenne, daß ich lieber Verse mache. Mein wackrer Thorwald, Ihr seid mir sehr werth, und daß Ihr um meinetwillen ungestüm werden könnt. zeigt, daß Ihr auch gut von mir denkt. Aber eben deshalb verlangt doch nicht, daß ich ein Andrer sein soll, als ich bin. Erinnert Euch der Verlobungsrede, welche Ihr mir an jenem Abende in Braunschweig hieltet. Jetzt heisse ich sie wahrhaft und verständig, so sehr ich mich auch damals thörichter Weise dawieder sträubte. Wir können nicht Alle Alles sein, laßt nur Jeden recht wacker sein, wozu ihn der Himmel berufen hat. Ihr habt Euch wirklich, wie Ihr damals halb spottend sagtet, nur in der Ankündigung versehn. Es hat blos ein freundliches Spiel ausgeführt werden sollen, keinesweges aber eine Haupt- und Staats-Action, wozu Ihr wohlmeinender Zuschauer es durchaus umgestalten wolltet. Jetzt bin ich Alwin, und zeige mich Euch als solcher. Wollt und könnt Ihr den nun ertragen, so empfangt seinen freundlichen Abschiedsgruß, und laßt mich hinzusetzen: auf baldiges Wiedersehn.

      Thorwald schloß ihn bewegt in seine Arme, und als bald darauf die drei Glücklichen vom Anker stießen, winkte er ihnen ein trauliches Lebewohl zu. Das heilige Rügen aber nahm sie in seine begeisternde Waldungen auf.

      Das Schauerfeld

       Inhaltsverzeichnis

      Am Fuße des Riesengebirges, in einer blühenden schlesischen Landschaft, hatten sich, einige Zeit vor dem Westfälischen Frieden, unterschiedliche Verwandte in die Erbschaft eines reichen Bauern zu teilen, der ohne Kinder verstorben war und dessen mannigfache Grundstücke hier und dort durch die fruchtbare Gegend hin zerstreut lagen. Man kam zu diesem Endzwecke in einer Schenke des Hauptdorfes zusammen und wäre bald über die Anordnung des Teilungswesens einig geworden, hätte es nicht unter der Nachlassenschaft einen wunderlichen Acker gegeben, welcher das Schauerfeld geheißen war.

      Dort blühete es von vielen Blumen und war mannigfach wucherndes Gesträuch aufgeschossen, allzumal des Bodens kräftige Fruchtbarkeit bezeugend, aber ebensosehr dessen Vernachlässigung und Verödung beurkundend. Denn seit vielen Jahren war keine Pflugschar drüberhingezogen, seit vielen Jahren keine Saat darauf gefallen. Oder hatte man desgleichen ja hin und wieder versucht, so waren die Stiere unter dem Joch in eine unbegreifliche Wut geraten, und selbst die Ackerknechte und Säeleute hatten den Platz mit wildem Entsetzen geräumt, beteuernd, es ziehen dort gräßliche Gestalten umher, die sich in furchtbarer Vertraulichkeit zu den Arbeitern gesellten, so daß kein menschlicher Sinn davor ausdauern könne und einem schon immer der Wahnwitz drohend über die Schulter blicke.

      Wer nun die verrufne Stelle in seine Erbschaft mit aufnehmen sollte, das war die große Streitfrage. Jedem kam es vor, als werde, was ihm selbst unerträglich und untunlich schien, der andere leicht ertragen und ausrichten können, wie es denn wohl in der Welt zu gehen pflegt, und so stand man rechtend einander gegenüber bis in den späten Abend. Da fiel einer von den Erben auf eine Auskunft, aber freilich auf eine gar nichtsnutzige. – »Wir sollen ja«, sagte er, »nach dem Testamente irgendeine fromme Huld erweisen an der armen Muhme, die hier im Dorfe wohnt. Nun ist uns das Mädchen doch nur sehr weitläufig verwandt; zudem auch fände sie wohl ohne alle Aussteuer einen wohlhabenden Mann, denn sie ist gut und wirtlich, und man heißt sie ja nur die schöne Sabine. Da denke ich, wir treten ihr das ganze Schauerfeld ab; so sind wir unsrer Verpflichtung mit einem Male los, und es ist doch fürwahr ein gar reichliches Geschenk, falls sie sich nur einen Ehemann schafft, der damit umzugehen versteht.« – Die andern stimmten allesamt ein, und man fertigte einen der Vettern ab, der Beschenkten die erwiesene Huld anzuzeigen.

      Derweil hatte in der einbrechenden Dämmerung jemand an Sabinens Hintertür geklopft, und auf ihre Frage, wer draußen stehe, kam eine