Der Tod des gelben Wolfes. Sophie Wörrishöffer

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Название Der Tod des gelben Wolfes
Автор произведения Sophie Wörrishöffer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711487617



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hob der Gelbe Wolf den Kopf.

      „Hugh!“

      Auch der Trapper hatte gehorcht. „Es sind Hirsche!“ flüsterte er.

      „Ich das nicht glauben. Ich hören Pferd.“

      „Und doch sind es Hirsche! — Siehst du, Sagamore, siehst du!“

      Ein Rudel jener schönen, schlanken Tiere, gegen Sonnenaufgang das Lager im Dickicht verlassend, brach hervor auf die Prärie. Halb geduckt, Kopf und Hals weit vorgestreckt, schienen sie zu horchen, zu spüren, sich unsicher zu fühlen, ihr Schritt war mehr schleichend als lebhaft. —

      „Sie auch hören Pferd!“ beharrte der Gelbe Wolf.

      Der Blitz erhob sich von seiner Büffeldecke. „Schiessen!“ flüsterte er vergnügt. „Weisser Mann Hirschfleisch unter Sattel legen.“

      Everett nickte. „Und roter Mann diesen Braten ganz allein verzehren,“ setzte er hinzu.

      Die Hirsche bemerkten von der Nähe unserer Freunde nichts, da ihnen glücklicherweise der Wind gerade entgegen wehte. Sie zerstreuten sich in der Umgebung des Lagers und weideten ruhig.

      Auch Jonathan hatte Pfeil und Bogen ergriffen. Die Büchse lehnte an einem Baum, er durfte nicht wagen, sie zu gebrauchen, wollte aber dennoch die Jagd nicht aufgeben. „Begleitest du mich, Sagamore?“

      „Das gewiss. Ich gar nicht ruhig! — Denken, dass Krähen hier.“

      „Du täuschest dich, Sagamore, — denn sollte auch der Ton, den du zu hören glaubtest, von einem Pferde und nicht von einem Hirsch hervorgebracht sein, nun, so war es eins unserer Tiere.“

      Der Häuptling blieb bei seiner Ansicht. „Kommen Ton von da herüber,“ sagte er, auf den Felszug deutend, „und Pferde hier.“

      Jonathan schlich bis an die Grenze der offenen Prärie. Ein geschickter Schuss und der nächststehende Bock stürzte kopfüber ins Gras, — der Jagdeifer hatte sich jetzt schon aller Reisenden bemächtigt, rechts und links flogen Pfeile, in plötzlicher unaufhaltsamer Eile schoss die Herde über den offenen Grasweg dahin.

      „Siehst du,“ flüsterte der Trapper, „es ist niemand hier!“

      Er warf sich auf sein Pferd und sprengte den Hirschen nach. „Ich muss den Sechzehnender notwendig haben, Wolf, in seinem Rücken steckt ein Pfeil von den Punkahs, — das ist für die Krähen, wenn sie ihn finden, so viel wie eine breite Spur.“

      Die Tiere flüchteten im rasenden Lauf über das Grasfeld, der angeschossene Bock blieb allmählich hinter seinen Gefährten etwas zurück, und Jonathan nickte zufrieden vor sich hin. „Er hat genug, der stattliche Bursche! Die Läufe tragen ihn nicht mehr! — Jetzt pass auf, Sagamore, er fühlt, dass sich die Entfernung zwischen ihm und uns zu seinem Schaden verringert, deshalb wird er den geraden Weg verlassen und entweder nach rechts oder nach links abbiegen, um durch einen Sprung seine Verfolger irre zu leiten. Du musst eine Seite nehmen, ich behalte die andere.“

      Der Blick des Indianers durchmusterte spähend das Dämmergrau der Prärie und des waldigen Gebirgszuges. „Ich Wi-ju-jon nicht gern allein lassen,“ gestand er.

      Der Trapper behielt immer den angeschossenen Hirsch im Auge. Die Herde war längst entkommen, nur das verwundete Tier mit dem Pfeil im Rücken jagte mit schwindenden Kräften vorwärts.

      „Da! da!“ rief Jonathan, „ich wusste es.“

      Und sein Pferd spornend, trieb er es in das Halbdunkel hinein, während er dem Häuptling zurief, den verwundeten Hirsch unter keiner Bedingung nach links hin durchbrechen zu lassen. „Kommt er, so gib es ihm, Sagamore!“ —

      Er sprang vom Pferde und folgte der Spur des stark blutenden Tieres bis in das nächste Unterholz. Ein Jagdpfeil der Punkahs steckte in dessen Fleisch, — das war zu gefährlich.

      Der Gelbe Wolf sah zurück. Die eifrige Verfolgung hatte ihn und seinen Gefährten etwa zwölfhundert Schritt vom Lager entfernt, — es war alles um ihn her beklemmend still.

      Von seinem Standpunkt aus konnte er die offene Prärie nach beiden Seiten beherrschen. Wenn der Hirsch durchzubrechen versuchte, so ereilte ihn das Geschoss aus sicherer kunstgeübter Hand. Mit dem Pfeil auf der Sehne wartete er.

      Aber blieb nicht der alte Trapper über Gebühr lange? Er musste das schwerverwundete Tier längst erreicht und getötet haben.

      Der Gelbe Wolf ritt etwas näher an die vorderste Baumreihe heran; das Pferd des alten Jägers schnob plötzlich und rannte, nachdem es im jähen Seitensprung den Häuptling fast aus dem Gleichgewicht gebracht hätte, zügellos und unaufhaltsam in die Prärie hinein, so dass der Indianer nur mit grösster Mühe sein eigenes Tier verhindern konnte, dem Kameraden zu folgen. „Wi-ju-jon!“ rief er mit unterdrückter Stimme, „Wi-ju-jon!“

      Die Antwort war eine völlig unerwartete. Ein Kriegspfeil, aus dem Gebüsch hervorkommend, flog haarscharf an seinem Kopfe vorüber, ein gellender Ruf zeigte ihm die Nähe menschlicher Feinde.

      Links von ihm durchbrach ein Pferd das Gebüsch, sein Reiter, ein dunkelhäutiger Indianer, hob den Arm mit dem Tomahawk —

      Wie ein Panther zu Boden und auf den Dakota springen, war für den Schwarzfusshäuptling das Werk einer Sekunde.

      „Wo Friedensmann?“ knirschte er. „Mir sagen oder sterben.“

      Die Augen des Überrumpelten leuchteten vor Hass und Grimm. „In Hand von Dakotas,“ stammelte er schadenfroh.

      „Das verhüte der Grosse Geist!“ —

      Und von Sorge getrieben, stiess er in die Brust des wehrlos Daliegenden das Messer bis zum Heft. Eine Minute später hing der Skalp an seinem Gürtel, er erhob sich und spähte durch das Halbdunkel umher.

      Von der Prärie herüber erklangen Hufschläge. Eine böse Ahnung durchzuckte das Herz des Indianers, er sah hinaus und tiefer Schreck bemächtigte sich seiner bei dem Anblick dessen, was dort geschah. Etwa sechzehn bis zwanzig Reiter flüchteten mit verhängten Zügeln durch die Ebene, — ohne jeden Zweifel den Trapper als Gefangenen mit sich führend.

      Es waren Dakotas, der am Boden Liegende bezeugte es, sie mussten aus dem Versteck hervor den alten Jäger ergriffen und überrumpelt haben, ehe er einen Laut hervorzubringen vermochte.

      „Ihnen nach!“ — der Häuptling rief es laut, er fing sein Pferd und schwang sich auf den Rücken desselben, ein Schenkeldruck brachte das Tier in die offene Bahn hinaus. Hier legte der Gelbe Wolf, um den Schall zu verstärken, beide Hände an den Mund, und das Kriegsgeschrei der Schwarzfüsse klang windgetragen hinüber in das Lager seiner Untergebenen.

      Einige Male wiederholte er den Ruf, dann drehte er das Tier und flog davon, pfeilschnell, so dass Sekunden genügten, um ihn in der herrschenden Dämmerung verschwinden zu lassen.

      Vorn unter den ersten Büschen lag der erschlagene Dakota, weiterhin sterbend der Hirsch, — ausser diesen beiden Geschöpfen war an der Stelle des kurzen Kampfes kein Mensch und kein Tier zurückgeblieben, nur der Wind fuhr über die Ebene.

      In das Lager der Schwarzfüsse traf die Botschaft des Häuptlings wie ein plötzlicher Schuss. Das Kriegsgeschrei! — der Befehl, augenblicklich aufzubrechen! — —

      „Feinde!“ rief der Blitz, „Dakotas!“

      „Der Häuptling ist vielleicht gefangen!“

      „Nein. Er frei, er Zeichen geben.“

      „Ob Ihr Euch aber auch nicht täuscht? Er braucht möglicherweise Beistand, um den gefallenen Hirsch fortzubringen!“

      „Und dafür geben Kriegsgeschrei? Weisser Mann keine Squaw sein, nicht so Unsinn sprechen. Sagamore sehen Krähen!“

      Mr. Duncan sass bereits im Sattel. „Ich glaube es auch,“ seufzte er. „Da muss einer Hals über Kopf reiten, um den verdammten Kerlen in die Hände zu laufen!“

      Die Schwarzfüsse sprengten schon davon, der