Название | Der Tod des gelben Wolfes |
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Автор произведения | Sophie Wörrishöffer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711487617 |
Hugo unterdrückte den Ausruf des Bedauerns, welcher ihm bereits auf den Lippen schwebte. Es musste so sein, der Blitz hatte recht.
Jonathan sass immer und sah rauchend vor sich hin. Die Lederboote glitten längst wieder windgetrieben stromab, Meile nach Meile verschwand hinter den Flüchtigen, — nach wenigen Stunden mussten sie notwendig den Fluss verlassen und in etwas veränderter Richtung durch den Wald weiterziehen, um das Dorf der Tschippewäer zu erreichen, jedenfalls aber, um die entgegenkommenden Schwarzfusskrieger so schnell als nur möglich zu treffen. Dakotas und Krähen besassen zusammen nicht so viele Streiter, wie sie der Gelbe Wolf allein befehligte.
„Nun sag einmal, Häuptling,“ begann der Trapper, „was denkst du über die Sachlage? Haben unsere Gegner eine Spur?“
„Das ganz unmöglich. Wir eine Meile in Bach gehen.“
„Hm, sie werden aber natürlich zuerst an den Knifefluss denken, und sie werden auch bei hellem Tageslicht die Spuren unserer Pferde bis zum Ufer hinab entdeckt haben. Über Boote verfügen sie nicht, es bleibt ihnen also nur die Aussicht, uns zu Lande einzuholen, — sie untersuchen natürlich den Strand auf beiden Seiten, um zu sehen, wo wir die Pferde wieder bestiegen haben.“
Der Punkah nickte. „Bleiben fürs erste auf Wasser!“ riet er.
„Aber dann verfehlen wir die Schwarzfüsse.“
„Das nicht nötig. Kundschafter sie treffen, ihnen alles sagen.“
Jonathan schüttelte den Kopf. „Das geht nicht, Punkah, das geht nicht. Sie sehen und schleichen wie die Katzen hinterher. Wir haben bis zum vollen Tageslicht acht Stunden Vorsprung gehabt, — sobald sich am Ufer die offene Prärie zeigt, müssen wir zu Pferde steigen. Dann bleibt uns genau die Zeit, welche das Fliessende Feuer braucht, um am Lande unsere Spur zu finden und aufzunehmen. Während derselben können die Schwarzfüsse zu uns stossen, und reiten wir auf Tod und Leben, so ist es auch möglich, das Dorf der Tschippewäer zu erreichen.“
„Aber wenn Streifpartien ausgeschickt, wenn Feind im Hinterhalt?“
Der Trapper sah zu dem Sohne seines Bruders hinüber. „Was meinst du, Sagamore? Bleiben wir auf dem Wasser?“
Der Gelbe Wolf schüttelte den Kopf. „Es nicht können. Knifefluss schmal werden, viel schmal, Pfeile gut hinüber treffen.“
Jonathan nickte. „Auch das noch. Nein, nein, wir müssen so bald als möglich landen.“
Der Punkah schwieg, aber er missbilligte den Plan.
„Mir ahnt gar nichts Gutes,“ flüsterte Mr. Everett. „Ich kann mir so recht denken, dass ich selbst an der Stelle des Fliessenden Feuers Kopf und Kragen daran setzen würde.“
„Das werden sie auch ohne allen Zweifel tun,“ nickte Bob. „Ich kenne die Indianer, sie verzeihen nie.“
„Namentlich da der Punkah die Häuptlinge beschimpft hat!“
„Ein Prachtkerl!“ lächelte Hugo. „Ich mag sein Auge.“
„Ich auch. Springt der Mensch wie ein Luchs über zwei Häuptlinge hinweg.“
Sie lachten vergnügt, während Jonathan mit den Indianern die Beratung fortsetzte. Von Meile zu Meile wurde der Fluss schmaler, — sie mussten ihn schon sehr bald verlassen, um nicht wehrlos von beiden Seiten angegriffen werden zu können.
„Ich doch bleiben!“ warnte noch einmal der Punkah. „Schwarzfüssen Kundschafter entgegenschicken. Alles gut gehen.“
„Und wenn sich die rachsüchtigen Teufel am Ufer sammeln und über uns herfallen, wo keine Deckung gibt?“
„Viel Deckung geben. Fünfundzwanzig, dreissig Meilen weit hinaus Fluss sich spalten in drei Arme, haben Inseln, Gebüsch, Schilf, können verbergen tausend Krieger.“
„Aber wie sollten wir dreissig Meilen weit kommen, ohne von den Krähen bemerkt zu werden? Sie reiten am Lande schneller als wir rudern.“
„Das gewiss. Sie nur kommen und sehen Versteck zwischen den Inseln. Nichts tun können, sie auslachen. Geben Kriegsgeschrei, schiessen, — sie ganz ohnmächtig. Nach zwei Tagen Schwarzfüsse kommen und ihnen in den Rücken fallen. Vielleicht nehmen zweihundert Skalpe von Krähen.“
Aber Jonathan schüttelte beharrlich den Kopf. „Spätestens um zwei Uhr mittags sind sie hier, Punkah, und dann stehen wir auf dem Präsentierteller. — Ich stimme für schleunigste Landung.“
Donnerwolke wandte sich ab. Sein Stolz verbot ihm, fernere Einwendungen zu erheben. Mochte denn kommen, was sollte.
„Ich nicht sehr lieben das Leben,“ dachte er.
Ein paar Stunden angestrengten Ruderns vergingen noch, dann brachten Reiter ihre Tiere über das Wasser und sämtliche Krieger verliessen die Boote, mit denen der Bär nach herzlichem Abschied zu seinem Dorfe zurückkehrte.
„Eins beunruhigt mich,“ sagte besorgt der Trapper. „Wir haben keine Lebensmittel, — höchstens noch Pemmikan für eine einzige Mahlzeit. Was als Aushilfe dienen sollte, das hat jetzt gegen dreihundert Männer ganz allein ernähren müssen.“
Der Blitz schüttelte seinen Bogen. „Dann schiessen,“ rief er „Hirsche und Hasen genug für eine grosse Kriegerschar.“
„Aber das kostet Zeit, — und hinter uns jagen die Feinde. Heute kann an nichts dergleichen gedacht werden.“
Sie assen den letzten Pemmikan in den Sätteln und ritten, bis der Zustand der Pferde eine Ruhepause gebot. Als ein vorläufiges Lager im Gras eingenommen wurde, umringten Kundschafter die Schlafenden, und sämtliche Häuptlinge beobachteten die Sterne, um festzustellen, wo man sich befand. Genau auf dem Wege, den die Schwarzfüsse kommen mussten, vom Dorfe der Tschippewäer etwa noch zwei Tagereisen entfernt.
„Doch Hirsche schiessen müssen,“ meinte der Gelbe Wolf. „Nicht aushalten Hunger achtundvierzig Stunden, sonst nicht stark bleiben für Verteidigung.“
„Aber Feuer können wir unter keiner Bedingung anzünden. Das Fleisch muss unter die Satteldecken gelegt werden.“
„Brr!“ rief voll Entsetzen Mr. Everett.
Mr. Duncan lachte. „Sir, da hat man schon ganz andere Dinge erlebt. Ich verspeiste einmal einen Geier.“ —
„Und ich habe einmal drei Tage lang Wolfskoteletts gegessen.“
„Wer mürbegerittenes Hirschfleisch nicht liebt, der muss es roh verzehren,“ meinte Jonathan. „Ich selbst würde jede Speise entbehren, wenn wir vorwärts kämen.“
Die Nacht verging ungestört; unsere jungen Freunde fanden Pflaumen und wilde Birnen genug, um vorläufig auf Fleisch ganz verzichten zu können, aber sie bemerkten doch, dass die Nächte anfingen unangenehm kalt zu werden. Der September trat in seine Rechte, ganze Schauer von welken Blättern rauschten herab.
„Jetzt hätte unsere Reise beendet sein sollen,“ dachte Hugo. „Meine Mutter erwartet mich von Tag zu Tage! Ob wir jemals wieder nach Hause kommen werden?“
„Hugo!“ flüsterte Mr. Everett, „lass uns näher zusammenrücken. Wie eisig die Luft heute abend plötzlich geworden ist.“
„Fühlen Sie Schmerzen, Sir?“
„Oh — ganz grimmig! Es ist mir, als müsse meine Brust zerreissen.“
Hugo gab ihm seine eigene Büffeldecke. „Liegen Sie nur ganz still, Sir, — hier sind noch Pflaumen.“
Neben ihnen stützte der Trapper den Kopf in die Hand. „Ich dachte es,“ murmelte er, „wir bekommen Mondschein.“
Am Himmel erglänzte das erste Viertel und beleuchtete mit schwachem Schimmer die Prärie und den Wald. Rechts liefen Felsklippen dahin, ein kleiner Bach plätscherte zwischen