Der Tod des gelben Wolfes. Sophie Wörrishöffer

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Название Der Tod des gelben Wolfes
Автор произведения Sophie Wörrishöffer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711487617



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bedurften sie nicht.

      Vom anderen Ufer tönte der Schrei des Eichhörnchens, — der Gelbe Wolf mit den Seinen war zu den Punkahs gestossen.

      „Jetzt fehlen nur noch Donnerwolke und der Blitz,“ rief Hugo, „wären sie doch erst hier in unserer Mitte!“

      „Das kann noch nicht geschehen, noch während mehrerer Stunden nicht!“ versetzte der Trapper. „Sie müssen das Lager der Feinde umschleichen, da sie es nicht zu sprengen vermögen.“

      „Also im Halbkreis um ihre äusserste Vorpostenkette?“

      „Ja, es gibt kein anderes Mittel.“

      Alle schwiegen. Blitz und Donnerwolke standen auf dem gefährlichsten Punkt des Unternehmens.

      Die Indianer bei den Rudern wurden von Zeit zu Zeit abgelöst, endlich dämmerte im Osten der erste Tagesschein, und still und friedlich lag rings das weite Land. An den Ufern zur Linken erhoben sich vielzackige Klippen, auf deren höchsten Ausläufern ganze Herden von Bergschafen mit kurzen dicken Hörnern im Morgensonnenschein wie Steinbilder lagen und standen. Es war doppelt unmöglich, eins dieser Tiere zu erjagen, und zwar weil der Knall des Feuergewehres auf mehrere Stunden Entfernung die vollkommene Stille der entlegenen menschenleeren Gegend unterbrochen und dadurch den Aufenthalt der Flüchtlinge verraten haben würde, dann aber auch, weil das Bergschaf zwischen den Klippen, den unzugänglichen Schluchten, Felskegeln und Vorsprüngen der Ufergebirge aller Verfolgung entrinnt, ohne sich jemals fangen zu lassen.

      Die jungen Böckchen spielten und schlugen Purzelbäume, als schwelgten sie im Gefühle vollkommener Sicherheit, die alten standen auf den äussersten Vorsprüngen und beobachteten die Umgebung, während ruhende Mütter sorglos ihre kleinsten Sprösslinge tränkten oder an den seltenen grünbewachsenen Stellen das junge Gras abnagten; überall lag das Leben der Natur im tiefsten Frieden, auch an den seichten Uferstellen, wo Schilf und weisse nickende Wasserrosen zwischen dem Strome und dem festen Lande ein grünes wallendes, von Wogenspitzen durchflimmertes Bette zu bilden schienen. Schöne Wasservögel sassen auf ihren Nestern, zahllose Gänse und Enten bevölkerten das Schilf, und Raubgeier und Adler mit klugen Augen segelten geneigten Kopfes, spähend und horchend durch die Luft, um sich den Morgenimbiss zu sichern.

      Jonathan musterte mit den Blicken des erfahrenen Jägers die Umgebung. „Hier liegt kein Feind im Versteck,“ sagte er, „was denkst du, Indianer?“

      Der Mann am Ruder schüttelte den Kopf. „Niemand da.“

      „Aber jetzt könnten Blitz und Donnerwolke hier sein,“ meinte nachdenklich Mr. Everett.

      Der Trapper beobachtete den Stand der Sonne. „Wenn sie überhaupt kommen, so muss es bald sein!“ gestand er. „Gott gebe nur, dass ihnen der kecke Handstreich gelingt.“

      „Und dass sie nicht — bis zu uns — verfolgt werden!“

      Jonathan nickte. „Wir müssten dann die Schwimmer Mann für Mann im Wasser töten, — der Fluss würde sich rot färben von dem Herzblute tapferer Krieger.“

      Noch war während des eifrigen Ruderns seit dem vorigen Abend keine Pause gemacht; die Entfernung von dem gegenwärtigen und dem Punkte der Abfahrt konnte fünfzehn Stunden betragen, aber jetzt begannen die Kräfte der indianischen Ruderer zu weichen, und der Trapper gab den Reitern am jenseitigen Ufer das Zeichen zum Halt. Es musste gegessen und auch mit den Bootsführern getauscht werden; die bisher auf den Rücken der Pferde in untätiger Ruhe die Reise fortgesetzt hatten, mussten nun die Riemen ergreifen und dafür ihre Plätze in den Sätteln den ermüdeten Schiffern abtreten.

      In sicherer Mitte auf dem Strome lagen enggedrängt die schlanken Lederboote, während am Ufer die Pferde weideten und ihre Gebieter den Umtausch bewerkstelligten. Es war jetzt mindestens acht Uhr morgens, und noch liessen sich Blitz und Donnerwolke nicht sehen. Wenn ihnen ein Unglück zugestossen wäre!

      Da gerieten plötzlich die Schafe auf den Bergspitzen in Unruhe, die wilden Vögel flogen vom Nest und die Geier hoben sich kreischend höher empor in das weite, sonnenhelle Blau. Ein Eichhörnchen grüsste hell herüber, und ehe noch der Trapper ein „Gott sei Dank, sie sind da!“ aus tiefstem Herzen stammeln konnte, zeigten sich der Blitz und der tolle Punkah am Ufer.

      Als echte Söhne der Wildnis gaben sie nur Zeichen, ohne irgendeinen Laut auszustossen, ihr ganzes Benehmen aber verriet auf den ersten Blick, dass sie sich vollkommen sicher wussten. Ein Boot stiess ab, um die beiden Helden aufzunehmen, und fünf Minuten später befanden sie sich inmitten der Ihrigen.

      „Das lustige Fahrt!“ rief der Blitz. „Freilich kein Skalp. Mir etwas Tabak geben, Wi-ju-jon?“

      Er erhielt das Verlangte, und auch Donnerwolke sog in langen Zügen aus der Pfeife des Gelben Wolfes. Jonathan fragte nach den Ereignissen des letzten Abends.

      Der Blitz lachte. „Ich erzählen dürfen?“ fragte er.

      Der Punkah nickte. „War sehr einfach, das Ganze,“ bemerkte er. „Taten nur, was jeder Krieger getan haben würde.“

      „Ich erzählen!“ rief der Blitz. „Viel Spass das!“

      Seine Augen leuchteten, er gestikulierte lebhaft. „Wir grosses Feuer anzünden,“ begann er, „stellen Pferde so, dass Krähen sie nicht sehen können, liegen eine Stunde, zwei Stunden in Versteck, denken immer, Wi-ju-jon und andere Krieger kommen weiter auf Fluss, Krähen können warten. Machen viel Vergnügen das für Häuptling und Blitz! Sie immer beobachten Dakotas und Krähen, wie ganz nahe heranschleichen, sie endlich sehen Fliessendes Feuer und Steinernes Herz, kommen zusammen auf Kundschaft, haben lose Pferde hinter sich, ganz nahe. Da Häuptling ein Zeichen geben, er lachen leise für Blitz und deuten auf Felsklippe über Köpfen von Dakota und Krähe. Blitz ihn verstehen, er gleich wissen, was Donnerwolke will, und ihm nachklettern auf Felsen. Leise, so leise wie Fuss von Katze, niemand ihn hören.

      Fliessendes Feuer und Steinernes Herz stillstehen. Sie beraten. ‚Schwarzfüsse und Punkahs doch dumm wie Fische,‘ sie sagen, ‚nicht denken, dass Inschin hier warten. Stellen Vorposten ganzen Tag, wo nicht nötig, und schlafen wie Murmeltiere am Abend, wenn Feind wacht. Ihre Anführer Rock von Squaw tragen sie dumm.‘

      ‚Sehr dumm. Was mein Bruder denken, wir angreifen?‘

      ‚Nein, — warten, bis in Schlucht kommen. Müssen hindurch auf jeden Fall. Wir hundert — zweihundert Skalpe nehmen, wir kleinen Punkahstamm ganz vertilgen vom Erdboden.‘

      ‚Das Donnerwolke hören, seine Augen leuchten, er leise sagen zu Blitz: ‚Mir nach!‘ und springen wie Pantherkatze von Felsen über Häuptlinge weg auf Pferd von Fliessendem Feuer. Blitz folgen, so schnell er können, er nehmen Pferd von Steinernem Herz, und beide geben Kriegsgeschrei, dass die Luft zittern. Davon reiten wie Wind, wie Sturm, lachen viel, — lachen immer noch!“

      „Und es verfolgte euch niemand?“

      „Ich hätte die Wut, die Raserei sehen mögen!“

      „Ja,“ rief der Blitz, „ja, das viel schade, nicht sehen können lange Gesichter, wie sie finden leere Pferde.“

      „Hörtet ihr denn kein Geschrei?“

      „Soviel Geschrei, dass Erdboden dröhnte. Wolfsgeheul, Brüllen, Kreischen wie böse Squaw! Ungeheuer viel Vergnügen!“

      Der Punkah lächelte still, aber in seinen Augen blitzte es. „Wollten ja kleinen Stamm ganz vertilgen vom Erdboden,“ sagte er in tiefen Tönen, „wollten zweihundert Skalpe nehmen, — nun beinahe zu Tode geärgert und das viel gut.“

      „Ich kann mir’s denken,“ nickte Jonathan. „Wahrhaftig, ich kann mir’s denken. Die Enttäuschung ist furchtbar gewesen.“

      „Hat euch niemand verfolgt?“ wiederholte Mr. Everett.

      „Ja. Doch verfolgt, aber zu spät, in drei, vier verschiedener Richtung, nur nicht auf Spur von Häuptling und Blitz. Wir absteigen, legen Ohr auf Erdboden, hören es wohl, aber keine Gefahr entdecken können, zu dunkel, um auf Prärie finden Spur.“

      „Dann