Название | Nano: Lüneburg |
---|---|
Автор произведения | Oliver Borchers |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946381969 |
Ich lehnte mich an die Wand und verbarg mein Gesicht in den Händen.
Mein Leben, wie ich es kannte, war vorbei. Ich hatte nicht nur meinen Auftrag nicht erfüllt, ich war auch Zeugin von Caras Verrat geworden. Sie war bei den Portugiesen, den ärgsten Feinden Insomnias! Und der würde mir, Caras bester Freundin, niemals glauben, dass ich nichts damit zu tun hatte. Ich wäre ein Sicherheitsrisiko. Insomnia würde mich Large zum Fraß vorwerfen.
Ich schüttelte den Kopf und verdrängte die Gedanken an Larges gierigen Blick. Ich konnte nicht mehr zurück. Das Schlimmste aber war, dass ich kein AS-X mehr besaß und ich merkte, wie mein Körper danach lechzte. Wie konnte ich schnell Geld für AS-X auftreiben?
Ich wischte mir Tränen aus den Augen. Rotes Neonlicht reflektierte in der Pfütze vor der Tür. Verbittert las ich die Erotikreklame: Geile Schlampen mit garantiert echten Bodies.
Als würde es mich verspotten, entließ mein Knie ein lautes Zischen. Ich lachte hart. »Hast ja recht. Nicht mal als Nutte nehmen sie einen Schrotthaufen wie mich.«
Die roten Reflexionen zerstreuten sich, als jemand in die Pfütze trat. Die Überreste der Tür knarrten, dann stand ein Schatten vor mir.
Ich schrie auf, presste mich enger an die Wand. Das Wesen hatte mich gefunden!
Da brach der Schemen zusammen und sackte auf den Boden. Irgendetwas tropfte auf meine Schuhe.
Jemand räusperte sich und flüsterte: »Wenn du fertig bist, mit dir selbst zu sprechen, würde es dir was ausmachen, mir zu helfen?«
Ich atmete scharf ein. »Kern? Bist du das?«
Der Schatten ächzte und bewegte sich ein wenig. Ich trat näher heran und erkannte ein Tarnfeld, das ähnlich dem des Wesens war, das uns angegriffen hatte. Die Konturen von Kern waren nur verschwommen erkennbar, sobald er sich bewegte. Vorsichtig streckte ich meine Hand vor und berührte ihn.
»Ein Tarnfeld! Wie … Woher hast du das?«
Kern lachte. Er hustete heiser. »Das fragst du mich? Ausgerechnet du?«
»Was meinst du damit?« Meine Hand lag auf seinem Arm, ich spürte, wie sie feucht wurde. Vorsichtig zog ich sie zurück und beobachtete, wie Blutspuren erschienen. Die Tarnung schien nur direkt an seinem Körper zu funktionieren.
»Als der goldene Bastard uns angegriffen hat, warst du diejenige, die zuerst getarnt war. Du bist von einem Moment zum nächsten unsichtbar geworden, obwohl ich deinen Körper genau spürte. Das war, bevor du mich umgestoßen hast.«
Getarnt? Ich?
Ich erstarrte und erinnerte ich mich an mein Versteck im Lager. Hatte das Wesen mich deshalb nicht getötet, weil es mich zu dem Zeitpunkt einfach nicht sehen konnte? Aber wie war das möglich?
Kern sprach mit heiserer Stimme weiter. »Leider hat meine Kugel ihn verfehlt, und er konnte seine Klinge einsetzen, bevor du mich zu Boden stoßen und mich auch unsichtbar hast werden lassen.«
»Wo hat er dich erwischt?«
»An meinem Oberarm und am Rücken. Aber wenn du mir wirklich helfen willst, heb die Tarnung auf. Ich sehe die Wunde am Arm ja selbst nicht. Verdammt, ich sehe gar nichts von meinem eigenen Körper!«
»Kern, das ist unmöglich.« Mir wurde schwindlig. Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin nur eine Maskenbauerin mit einem Haufen Schrott im Körper. Die Tarnung muss irgendwie von dem Wesen auf dich übergegangen sein!«
»Nein. Das Ding wollte uns töten, nur die Tarnung hat das verhindert. Ich weiß nicht, was du gemacht hast, nur, dass du uns dadurch gerettet hast. Das Problem ist, dass du es rückgängig machen musst. Und zwar bald, meine Wunden müssen schleunigst genäht werden.«
Blut tropfte auf den Boden, vermischte sich mit dem Regen, der über die Türschwelle nieselte.
Plötzlich fuhr ein Windstoß durch den Raum. Scheinwerfer erhellten den Boden. Ein Gleiter setzte direkt neben der Tür zur Landung an.
»Verdammt. Sie haben trotz des Regens meine Blutspur gefunden! Versteck dich!«
Kern war kaum aufgestanden, da sprang ein Mann in Polizistenkampfrüstung aus dem Fluggerät und warf sich gegen die Überreste der Tür.
Als die zersplitterten, wurde mir klar, dass ich nicht mehr fortlaufen konnte.
Die Tarnung funktioniert nur direkt am Körper.
Ich klammerte mich an Kern, ignorierte das Zucken, als ich seine Wunde am Rücken berührte. Ich spürte, wie er zitterte, wie er darum kämpfte, nicht zusammenzubrechen. Ich gab ihm Halt und fiel selbst fast hin.
Vorsichtig schielte ich nach unten. Ich sah den Boden nur mehr unscharf wie durch ein Wasserglas. Unsere umschlungenen Körper waren unsichtbar.
Der Polizist kam näher, die Lampe oberhalb seines Gewehres blendete mich, und eine krächzende Stimme tönte unter dem Helm hervor.
»Blutspuren des Verdächtigen gesichtet in Sektor Fünf-G-Sechs, im VR-Cullinary. Frisch. Der ist vor Kurzem hier gewesen.«
Der Mann kam näher, ich spürte, wie Kern immer stärker zitterte. Ich wusste, dass Bewegungen uns verrieten, daher presste ich meine Hand gegen seine Brust.
Ich ignorierte die wohligen Gefühle, die die festen Muskeln in mir auslösten, und versuchte ihm Stärke und Ruhe zu vermitteln.
»Ich sehe etwas, das aussieht wie ein Gasleck oder Verwirbelungen in der Luft oberhalb der …«
In diesem Moment ergriff Kern meine Unterarme und schubste mich beiseite.
Ich wurde sofort sichtbar.
»Was zum …«
Die Lampe des Polizisten zuckte in meine Richtung, und ich riss die Arme nach oben.
Da hörte ich das Durchladegeräusch seiner Waffe und rief: »Nicht schießen!«
Kurz bevor sich der Schuss löste, schrie der Mann auf. Aus seinem Hals, an der Verbindungsstelle von Helm und Anzug, ragte das spitze Bruchstück einer Elektroplatine. Die Kugel fuhr oberhalb meines Kopfes in die Wand, Steinputz rieselte auf mich herab. Der Polizist brach zusammen, machte gurgelnde Geräusche, verstummte. Das Tarnfeld von Kern waberte neben ihm.
»Kern!« Ich stürzte zu ihm.
Er atmete schwer. »Hat einen Vorteil, unsichtbar zu sein. Es gibt keine Beweisfotos, wenn man jemanden ausschaltet. Dieser nervöse Idiot!«
Seine Stimme wurde leiser, ich merkte, wie Kerns Kräfte endgültig nachließen. Er musste unbedingt behandelt werden.
In dieser Sekunde knackte der Funk im Helm des Polizisten. Die Einsatzleitung forderte Informationen an, wie ich hören konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Verstärkung eintraf.
Wütend ballte ich erst die Fäuste und riss dann am Helm. Ein blasses Gesicht und blonde Haare kamen zum Vorschein.
Da jeder Polizeihelm einen Identifikationschip besaß, wusste ich plötzlich, was ich tun musste.
»Los Kern, einmal hoch noch!« Als er sich nicht bewegte, tastete ich nach ihm und seiner Armwunde und drückte darauf.
Er brüllte, kam schwankend hoch. Zusammen stolperten wir zum Gleiter.
Ich hielt den Helm hoch und betätigte den Griff der Tür, die vom Chip entriegelt wurde. Sie schwang auf.
»Schlaues Mädchen«, flüsterte Kern, als er in den Gleiter kletterte. Zuvor murmelte er ein paar Wörter und ließ etwas Metallisches fallen.
Ich folgte ihm ins Innere und sank in den Pilotensitz. Vor mir befanden sich Steuerknüppel, ein Schirm und mehrere Fluginstrumente.
Rote Flecken erschienen auf der Tastatur des Bordcomputers in der Mittelkonsole, als Kern Koordinaten eintippte.
Die Triebwerke starteten, der Gleiter setzte