Название | Nano: Lüneburg |
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Автор произведения | Oliver Borchers |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946381969 |
Cara schluchzte und verbarg ihr Gesicht mit beiden Händen.
Ich zog mich stöhnend hoch und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Meine Muskeln und Sehnen in den Beinen und Armen schmerzten so sehr, dass ich noch immer Sterne vor den Augen sah. Ich atmete tief durch und konzentrierte mich auf das Bild des Hauses, welches ich als kleines Mädchen entdeckt hatte, versteckt in einem Waldstück. Nach dem Sturz von einem Baum hatte ich es minutenlang angestarrt, während ich nach Luft schnappte.
Mit jedem Atemzug schwanden nun meine Schmerzen, bis sie den Punkt erreicht hatten, den ich ohne Medikamente nicht überwinden konnte. Ich brauchte mein AS-X.
Mühsam hievte ich mich hoch und streckte vorsichtig mein Bein mit dem Bionikmotor. Er protestierte und zischte, schien aber weiterhin zu funktionieren.
»Was zum Teufel machst du da?«, rief Cara, als ich mich dem Ausgang näherte.
Ich ignorierte sie und streckte meine Hand aus, um den Türgriff zu betätigen.
Schneller als ich es ihr zugetraut hatte, sprang Cara auf und schob sich zwischen mich und die Tür.
»Tu das nicht, Liebes. Du hast ihn doch gehört. Er wird dir sonst wehtun. Bevor Kern einschreiten kann.«
»Nenn mich nicht Liebes, du falsches Biest«, zischte ich und versuchte sie zur Seite zu drücken. »Ich gehe jetzt da raus und hole mein AS-X. Wage es ja nicht, mich aufzuhalten!«
Plötzlich presste sie sich an mich und drückte ihren Mund an mein Ohr. »Hör mir zu, bitte. Ich weiß, was Large finden wird. Ich weiß, wen er identifizieren wird«, flüsterte sie.
Caras Nähe löste ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit in mir aus. Ich zögerte. »Natürlich tust du das«, schnappte ich dann. »Du bist ja auch die Besitzerin!«
Cara weinte wieder, Tränen benetzten meine Wange. Ihre Stimme klang rau. »Ich musste versuchen, den Verdacht auf dich zu lenken. Du hast doch deinen Beschützer Kern. Dir wäre nichts passiert.« Sie drückte mich fester, ihr Körper zitterte. »Bitte, Liebes, hilf mir, er wird mir sonst wehtun.«
Mein Zorn legte sich langsam, trotzdem war meine Stimme eisig, als ich fragte: »Wieso sollte ich? Du hast mich schließlich …«
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen. Der Gestank von Synthohol raubte mir den Atem. Larges riesige Hände drückten mich zur Seite und schlossen sich um Caras Kehle.
»Ich wusste doch, dass ich die Kosten für die Analyse sparen kann. Dafür plapperst du einfach zu viel, nicht wahr, Liebes? Und ich glaube sogar, dass du mir gleich noch mehr erzählen wirst.« Er riss sie herum und zerrte sie aus dem Raum, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Die Tür ließ er offen stehen.
Schmerzen hämmerten in meinem Kopf, ich brauchte das AS-X.
Ich stolperte durch den Flur zu meinem durchwühlten Spind und fand die Dose mit der Droge. Als ich sie an mein Kanülen-Interface am Unterarm setzte, hörte ich Caras Schreie und heftige Schläge gegen die dünnen Wellblechwände. Ich wischte mir die Tränen fort, die meine Wangen herabflossen, und atmete tief durch.
Die Nanobots seiner Augen zogen sich zusammen, als die Strahlen der Sonne durch die Wolkenlücken drangen. Sie bildeten eine enge, schlitzartige Pupille – ähnlich einer Katze oder einer Kontaktlinse, die wie ein Katzenauge geformt war. Slang wusste, dass das bei den Menschen der allerletzte Schrei war, zumindest in dieser Gegend. Er seufzte, als er die Wärme der Sonne auf seiner Haut spürte, die eine Ansammlung von Milliarden Nanobots war, deren Kollektoren ausfuhren. Hastig speicherten sie die Energie, die die Sonne lieferte, bevor die nächsten Wolken diese wieder verdeckten. Slang genoss den Energiefluss und schloss die Augen. Seine Gedanken schweiften ab und träumten von einer sonnigen Welt, die er bald genießen würde. Es war eine Welt voller Freude und Lebenslust, eine Welt ohne Sorgen. Eine Welt, in der er niemanden töten musste.
Eine Bewegung, die sich von dem alltäglichen Treiben des Straßenverkehrs unterschied, alarmierte einen seiner Sensoren. Er schlug die Augen auf und sah die verborgene Klappe in der kaputten Leuchtreklame, die sich so langsam öffnete, dass es keinem Menschen aufgefallen wäre.
Allerdings war er kein Mensch.
Rasch wich er zurück in die Schatten der hohen Gebäude, in denen die Menschen lebten. Hier konnte ihn das Tageslicht nicht erreichen, hier war er unsichtbar für die Person, die die verborgene Kamera benutzte. Seine Augen beobachteten die feinen Kamerabewegungen genau, die jedem vorüberrauschenden Flix-Flugtaxi und jedem Fußgänger folgten. Slang konnte die Gedanken der Person fast schon spüren, als die Kamerabewegung bei einem offensichtlich drogenkranken Mann verharrte, der an einem Verteilerkasten lehnte. Da in dieser Gegend Drogensüchtige häufig anzutreffen waren, konnte der Mann durchaus ein Undercoveragent sein. Dann aber wankte er davon, eine Speichelspur hinter sich herziehend, und die Kamera fokussierte andere Ziele.
Als sie sich endlich abschaltete, spannte Slang seine nanoverstärkten Muskeln an und fuhr seine interne Reserveenergie hoch. Die Person würde sich nun sicher genug fühlen, um aus ihrem Versteck zu kommen.
Er war bereit.
Die Leuchtreklame, die noch aus der Zeit vor dem Nano-Schock stammte, bewegte sich langsam zur Seite und gab eine schmale Öffnung preis. Irgendetwas bewegte sich in ihr.
Slangs interne Sensoren gaben plötzlich Alarm. Aktive Nanotechnologie!
Er hatte ihn gefunden. Sein hoffentlich letztes Ziel, bevor er nach Hause zurückkehren durfte.
Während der Mensch aus der Öffnung stieg, vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe war. Dann schnellte er hervor und aktivierte Hunderttausende kleine Bots, die aus seinen Poren drangen und wie graue Nebelschleier auf sein Opfer herabsanken.
Diese taten ihre Arbeit sofort und vernichteten die Stromzufuhr aller feindlichen Nanobots. In einem Strudel aus blauen Blitzen erkannte Slang einen Mann, der einen Arm schützend vor sein Gesicht erhoben hatte. Seiner Nanohelfer beraubt war er wie betäubt, körperlich und geistig.
Wie immer in solchen Situationen gestattete Slang sich ein wenig Mitleid. Menschen waren zwar primitiv, dennoch konnte er sich vorstellen, wie dieser sich fühlte. Eben noch Herr über funktionierende Bots, die seinen Körper optimierten und lenkten, waren nun die meisten seiner Gliedmaßen tot.
Der Mann starrte ihn an, Panik verzerrte sein Gesicht.
»Es tut mir leid!«, flüsterte Slang. Dann übernahm er die Kontrolle über die stillgelegten Bots des Mannes und reaktivierte sie. Er legte eine Hand auf dessen Kopf, eine Geste, die befehlend und beruhigend zugleich war. »Ausführen!«, murmelte er.
Die Augen des Mannes wurden größer, sein Mund öffnete sich, als Schmerzen aus allen Bereichen seines Körpers auf ihn einströmten. Noch bevor er einen Laut von sich geben konnte, brachen seine Augen. Er war tot, hingerichtet von seinen eigenen Bots, deren Programme Slang modifiziert hatte.
Plötzlich zuckten die Mundwinkel des Toten, die Lippen formten Wörter und wiederholten sie immer wieder. Kein Laut war zu hören, aber Slang verstand sie.
Kein Input, keine externe Energie.
Er bückte sich und tastete an den Seiten