Название | Nur ein kleiner Verdacht |
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Автор произведения | Sabine Howe |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783949298011 |
„Sie kann nicht richtig schlucken. Sie schreit und spuckt dauernd. Weißt du nicht mehr, was die Ärzte gesagt haben? Sie haben gesagt, dass es sein kann, dass das Gehirn bei dem Blutaustausch nicht mit genügend Sauerstoff versorgt worden ist.“
Karl starrte Maggie an, und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, sah sie Angst in seinen Augen. Er sagte nichts.
„Es könnte doch sein …“
„Willst du mich erpressen?“
„Wir können diese Möglichkeit nicht ausschließen!“
„Sie ist nicht behindert“, antwortete er.
„Woher willst du das wissen?“ Maggie schrie jetzt.
„Wir können es ja gar nicht wissen.“
Karl sprang auf und hielt ihr den Mund zu. Maggie versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien.
„Du tust mir weh.“
„Dann halt den Mund.“
„Dann bleib zuhause und kümmere dich um deine Familie. Sie ist schließlich auch dein Kind!“
Abrupt ließ er sie los, drehte sich um und knallte die Tür.
In dieser Nacht schlief er wieder zuhause und in den folgenden auch.
Aber Andrea blieb ein Fremdkörper.
Der nächste Tag war ein Donnerstag. Alles lief wie immer.
Abends kam Karl frisch rasiert und gut gelaunt ins Wohnzimmer. Maggie bügelte.
„Also. Ich bin dann mal weg.“
„Wo esst ihr eigentlich immer?“
„In dem Clubraum vom Schwimmverein. Kennst du sowieso nicht. Mach’s gut, Kleines. Schlaf schön. Wird sicher spät.“
Die Tür klappte.
Sie bügelte weiter. Nach einer halben Stunde war sie fertig und ging nach oben, um die Wäsche in den Schränken zu verteilen. Im Schlafzimmer bezog sie die Betten frisch. Dabei fiel ihr Blick auf die Krawatten, die Karl vor dem Spiegel probiert und auf der Sessellehne liegen gelassen hatte. Normalerweise hängte sie sie zurück in den Schrank.
Das Telefon klingelte.
Es war ihre Freundin Karin.
Sie plauderte über ihre Pläne am Wochenende und ihren Kunstlehrer an der Volkshochschule, der ‚so sensibel war und immer ihre Hand führte’. Während Maggie nur mit halbem Ohr zuhörte, glitt ihre rechte Hand wie von selbst in die Schublade der Kommode, auf der das Telefon stand.
„… das Gefühl, er hat ein Auge auf mich geworfen …“
Sie zog das Telefonbuch heraus und blätterte unter D. Nichts.
Unter P. Wieder nichts.
„… so herrlich verspielt …“
Sie suchte unter R – Restaurants. Aber das, was sie suchte, war nicht dabei. Sie wollte es gerade zuklappen.
„… und dann müssen wir die Linien immer verlaufen lassen …“
Vielleicht G, wie Gaststätten. Mit dem Finger fuhr sie die Buchstabenreihe hinunter, nichts unter D, aber unter P wurde sie fündig: Pasquale, Da.
„… hat er gesagt, ich könne es vielleicht bei ihm ausstellen. Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“
„Ja, natürlich“, erwiderte Maggie. „Das ist doch toll. Ich habe nur leider so viel zu bügeln heute Abend, und das Eisen steht im Wohnzimmer und ist heiß.“
Sie notierte die Nummer auf einem kleinen Zettel.
„Oh entschuldige“, sagte Karin. „Ich wollte dich nicht aufhalten. Kann das denn nicht deine Putzfrau übernehmen?“
„Das will Karl nicht. Er sagt, sie bügelt nicht sorgfältig genug. Lass uns morgen wieder sprechen. Ich melde mich.“ Maggie legte auf und starrte auf die Tasten des Telefons. Dann wählte sie.
„Pronto!“, rief eine Stimme.
„Guten Abend. Ich habe eine Frage“, flüsterte sie.
„Sie müssen lauter sprechen, Senora“, brüllte die Stimme.
„Hier ist es sehr laut.“
„Ich habe eine Frage“, hallte es durchs Schlafzimmer.
„Ja, bitte?“
„Hat ein Herr Nienstetten heute bei Ihnen reserviert?“
„Wer?“
„Herr Nienstetten.“
„Nienstetten …“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung dröhnte jetzt noch lauter.
„Ich sehe nach.“
Maggie versank beinahe in ihrem Ehebett. Warum musste der Mann so brüllen?
„Hallo? Tut mir leid, aber wir haben keine Reservierung unter diesem Namen.“
„Danke.“ Maggie legte schnell auf.
Wenigstens hatte er den Namen nicht noch einmal gebrüllt.
War nicht alles wie immer? Karl war beim Schwimmen, unten lief der Krimi, die Betten waren frisch bezogen. Gut, die Krawatten lagen noch über der Sessellehne, aber das konnte man ja ändern. Ihr Blick fiel auf die Uhr. Punkt neun.
Maggies Herz raste, als sie das Garagentor öffnete, obwohl sie vor fünf Minuten zwei Baldrianpillen geschluckt hatte. Die Wirkung ließ auf sich warten. Im Auto stellte sie die Heizung auf die höchste Stufe, ihr war eiskalt. Erst einmal losfahren, weg hier, wo man sie beobachten konnte. Nach ein paar hundert Metern parkte sie in einer kleinen Seitenstraße rechts am Rand und kramte den Stadtplan aus ihrem Handschuhfach hervor. Ringstraße. Sie schlug im Register nach und suchte C4. Die Straße war sehr klein und nicht leicht zu finden. Sie lag am anderen Ende der Stadt. Maggie zündete den Motor. Der Wagen machte einen Satz nach vorn und würgte ab, falscher Gang.
Die Strecke schien endlos zu sein, erst eine halbe Stunde später erreichte sie den richtigen Stadtteil. Jetzt ging es rechts ab in eine kleine Nebenstraße. Maggie duckte sich ein wenig hinter dem Lenkrad. Langsam fuhr sie die Straße entlang. Ihr Mund war trocken, sie hatte Angst, husten zu müssen. Die Beleuchtung war schwach , ein Restaurantschild nirgends zu sehen. Sie wollte am Ende der Straße drehen, doch ihre schweißnassen Finger hatten Schwierigkeiten, das Lenkrad zu greifen. Umständlich nahm sie die Kurve und steuerte noch langsamer zurück. Ein entgegenkommender Wagen blitzte sie per Lichthupe an. Was hatte sie falsch gemacht?
„Einbahnstraße!“, rief ein Radfahrer.
Auch das noch! Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Weiter hinten hatte sie auf der rechten Seite, etwas zurückgesetzt, einen Parkplatz entdeckt. Dahinter schimmerte Licht. Sie fuhr äußerst rechts mit Tempo zwanzig und bog in die Einfahrt. Ein Wagen kam ihr entgegen. Ein grüner BMW. Sie hielt an.
Für den Bruchteil einer Sekunde standen sie in der Einfahrt, Auge in Auge.
Dann gab Karl Gas. Die Frau neben ihm redete fröhlich weiter.
Sie war blond.
Maggie fuhr durch die Nacht. Sie hatte die Orientierung verloren und befand sich auf einer großen Straße stadtauswärts. Rechts und links säumten Hochhäuser den Weg. Sie bog auf einen leeren Parkplatz vor einem Supermarkt ein, stoppte den Motor und starrte auf die Plakate an dem Schaufenster. Das Waschmittel war heruntergesetzt, zwei Mark und vierzehn Pfennig günstiger als in ihrem Supermarkt. Auch die Fleischwurst war hier billiger, neunzehn Pfennig pro hundert Gramm.
Irgendwann stieg sie aus und ging zur Straßenecke. „Kornstiegstraße“ stand auf dem Schild. Sie setzte sich wieder ins Auto, ließ die Seitenscheibe runter, machte das Licht an und studierte den Plan. Nachdem sie sich den Rückweg eingeprägt hatte, lehnte sie den Kopf an die