Zimmer mit Mord. Группа авторов

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Название Zimmer mit Mord
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783870623432



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ging es bei dem Streit?«

      »Natürlich habe ich nicht alles mitgehört, denn wie gesagt, Diskretion ist in meinem Metier außerordentlich bedeutsam. Aber …« Monsieur Mathis schaute sich um, beugte sich vor und senkte die Stimme. »Es scheint, als ob eine der beiden jungen Damen eine unangemessene Bekanntschaft gepflegt hat.« Der Oberkellner errötete. »Mit allen Folgen, die so etwas nach sich ziehen kann.« Nun lief er puterrot an.

      »Wissen Sie, welche der beiden?«

      »Nein. Bedaure. Ich weiß nur, dass Frau Idelsberger sich sehr aufgeregt hat. Sie hat die köstlichen Vorspeisen kaum angerührt.« Er erwähnte diesen Umstand in einem Ton, als erscheine ihm das als der weitaus größere Skandal.

      »Was ist dann passiert?«

      »Nun. Frau Idelsberger hat den Tisch verlassen, ihre Tochter sich kurz darauf ebenfalls entschuldigt. Herr Idelsberger und das junge Fräulein haben den Hauptgang noch eingenommen. Wir reichten Bœuf bourguignon mit Gratin dauphinois an frischem Gemüse. Dazu einen Burgunder aus dem Jahr 1905, der harmonisch den Charakter der Sauce goutiert, und als Nachtisch hatte ich –«

      »Was haben die beiden, nachdem Frau Idelsberger und ihre Tochter das Essen verlassen haben, noch gesprochen?«, unterbrach Mrs. Christie die Ausführungen des Oberkellners.

      »Nichts.« Er schaute pikiert.

      »Nichts?«

      »Nichts. Sie schwiegen die ganze Zeit, bis sie sich mit einigen wenigen höflichen Worten verabschiedeten. Die junge Frau hat das Hotel danach verlassen. Ich hatte den Eindruck, die ganze Situation war ihr unangenehm. Was man ja auch verstehen konnte.«

      »Bien sûr. Eine Sache wundert mich allerdings.« Monsieur Gisbert ging zu einer Anrichte, fuhr mit der Fingerspitze über das Holz und prüfte beiläufig, ob Staub daran haftete. Als das augenscheinlich nicht der Fall war, wandte er sich wieder Mrs. Christie und dem Oberkellner zu. »Wo war Fräulein Idelsberger heute Nacht? Deswegen habe ich unser Zimmermädchen Anna befragt, und sie hatte einige erstaunliche Informationen.«

      »Lassen Sie mich daran teilhaben, werter Monsieur Gisbert?«

      Der Concierge lächelte. »Sie und einige andere Menschen, die in diesen Todesfall verwickelt sind.« Er schaute auf die große Standuhr in der Empfangshalle. »Bitte kommen Sie in einer halben Stunde in das Kaminzimmer, Mrs. Christie. Dort erhalten Sie Antworten auf alle Ihre Fragen.«

      Die Uhr auf dem Kaminsims zeigte eine Minute vor zwölf, als die junge Engländerin das Zimmer betrat. Zu ihrem großen Erstaunen warteten dort bereits ein Herr in Trauerkleidung, in dem sie Herrn Heinrich Idelsberger vermutete, zwei junge, sehr unglücklich ausschauende Damen, Monsieur Mathis und Anna, das Erste Zimmermädchen. Mrs. Christie grüßte, ging zu einem Stuhl und setzte sich. Der Klang der Uhrenglocke ließ sie zusammenzucken. Zwölf. Die Tür öffnete sich, und ein sehr zufrieden dreinschauender Monsieur Gisbert betrat den Raum. Er sah sich um, als prüfe er die Vollständigkeit der anwesenden Personen, und stellte sich dann in die Mitte des Zimmers.

      »Mesdames et messieurs, vielen Dank für Ihr Erscheinen. Leider ist der Anlass ein sehr unerfreulicher, nämlich der Tod unserer verehrten Frau Idelsberger und …«. Er unterbrach sich und machte eine kurze Pause. Eine der jungen Frauen schluchzte laut auf und vergrub ihr Gesicht in den Händen. »Und der Verdacht, dass ihr Tod kein natürlicher gewesen ist. Deswegen habe ich einen weiteren Gast zu dieser Runde gebeten.« Er nickte Monsieur Mathis zu. Dieser schritt zur Tür und öffnete sie. Ein Herr betrat den Raum.

      »Kommissar Matzbach, willkommen. Übrigens, Ihr werter Name … Vor einigen Jahren hatten wir ein Fräulein Matzbach –«

      »Leider eine entfernte Cousine«, unterbrach ihn der Kommissar.

      Monsieur Gisbert überging den Satz und zeigte auf den letzten freien Stuhl, aber der Kommissar zog es vor, stehen zu bleiben.

      »Im Interesse unseres Hauses, des Bellevue, liegt es mir am Herzen, in solch unerfreuliche Vorfälle wie diesen so schnell wie möglich Licht zu bringen und die Sache aus der Welt zu schaffen. Dieses Mal hatte ich eine bezaubernde englische Dame an meiner Seite, die mir durch ihr außergewöhnliches Fachwissen und ihren scharfen Verstand eine große Hilfe war.« Er wies auf Mrs. Christie, die ein bescheidenes Nicken andeutete. Monsieur Gisbert glättete seine Weste und straffte sich.

      »Nun. Nachdem Frau Idelsberger gestern Abend unter so leidvollen Umständen verstarb, ergab sich schnell der Verdacht einer Strychnin-Vergiftung. Doch warum und vor allem wer? Herr Idelsberger hatte nach dem gemeinsamen Mittagessen das Bellevue verlassen und war auch über Nacht nicht im Haus. Auch Fräulein Idelsberger wurde nach dem Mittagessen nicht mehr gesehen. Die junge Dame, die Gast der Familie bei besagtem Essen war«, an dieser Stelle hielt Monsieur Gisbert einen Moment inne und nickte der zweiten jungen Frau zu, »hatte das Hotel ebenfalls verlassen und war in ihre Pension in der Nähe zurückgekehrt, in der Monsieur Mathis sie dankenswerterweise heute Morgen aufgespürt hat. Allerdings hatten nicht alle, die nicht mehr gesehen wurden, das Hotel auch wirklich verlassen.«

      Monsieur Gisbert trat zu Anna, dem Ersten Zimmermädchen, deutete eine leichte Berührung ihrer Schulter an und fuhr fort: »Unsere Zimmermädchen sorgen für das Wohlergehen unserer Gäste und sehen sehr vieles, über das sie in der Regel schweigen. Nur in Ausnahmefällen wie diesem geben sie ihr Wissen weiter.« Monsieur Gisberts Wangen röteten sich, er setzte seine Wanderung durch das Kaminzimmer fort und blieb vor Fräulein Idelsberger stehen. »So zum Beispiel über ein zweites genutztes Bett in einem Zimmer mit nur einem Gast.«

      Fräulein Idelsberger schluchzte noch lauter als zuvor.

      »Ihre Mutter und Ihr Stiefvater waren nicht einverstanden mit Ihrer Liaison mit dem jungen Herrn Ihrer Wahl und erst recht nicht glücklich über die Folgen, die daraus entstanden waren. Trotzdem haben Sie sich mit ihm hier im Hotel verabredet und sogar die Nacht bei ihm im Zimmer verbracht. Sein entsetzter Blick, als wir alle versuchten, in das Zimmer Ihrer Mutter zu gelangen, und sein schnelles Zurückweichen ins Zimmer haben mein Misstrauen geweckt. Er stammt aus dem gleichen Ort wie Ihre Familie, war zum ersten Mal Gast bei uns, hat sein Zimmer aber nicht verlassen. Als Anna mir dann von dem zweiten Bett berichtete und darüber hinaus erklärte, der Kleiderschrank ließe sich nicht öffnen, war mir klar, wo Sie sich aufhielten.«

      Jetzt weinte die junge Frau hemmungslos.

      Auf Monsieur Gisberts strenge Miene schlich sich ein gütiger Ausdruck. »Aber Liebe zwischen zwei unverheirateten Menschen ist kein Verbrechen, und Widerstand gegen die elterlichen Vorstellungen noch lange kein Mord. Zumal Sie sich der Sache ja gestellt und beim Mittagsessen Ihren Eltern von der Schwangerschaft berichtet haben.«

      Der Concierge drehte sich mit Schwung um und bewegte sich mit einer Eleganz durch den Raum, die Mrs. Christie erstaunte. Vor Heinrich Idelsberger blieb er stehen.

      »Liebe zwischen nicht miteinander verheirateten Menschen ist allerdings ein Verbrechen, auch wenn sich nur einer der beiden im Stand der Ehe befindet.«

      Heinrich Idelsberger hob den Kopf und blickte Monsieur Gisbert ruhig an. »Was wollen Sie damit sagen?«

      »Dass Sie, Herr Idelsberger, durchaus einen Grund hatten, Ihre Frau aus dem Weg zu räumen.«

      »Ich war zum Zeitpunkt ihres Ablebens aber nicht im Haus und kann somit nicht der Täter sein.«

      »Wenn man davon ausgeht, dass Strychnin sehr schnell nach der Einnahme wirkt und Sie in dieser Zeit wirklich nicht im Hotel weilten, mag der Eindruck entstehen, dass Sie in der Tat keine Schuld trifft.« Monsieur Gisbert runzelte die Stirn. »Wenn man aber annimmt, dass Sie als Ehemann die Angewohnheiten Ihrer Frau kannten und von dem Stärkungsmittel wussten, ergibt sich ein völlig neues Bild.«

      »Das Stärkungsmittel ist ebenfalls auf Strychninbasis hergestellt?«, mischte sich Mrs. Christie ein.

      »Sehr richtig, Madame. Natürlich in deutlich geringerer Dosierung.«

      »Dann ahne ich, was …«, begann Mrs. Christie, wurde aber von Monsieur Gisbert mit einer knappen Geste unterbrochen.

      »Frau