Название | Helmut Schön |
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Автор произведения | Bernd-M. Beyer |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783730703175 |
Ähnlich argumentierte ein »Oldie 88«, Jahrgang 1928, im Mai 2015 in einem Kommentar auf der Internetseite der »Sächsischen Zeitung«: »Für den Pokal 1942 wurde der DSC als Titelverteidiger auf Befehl von ›oben‹ nicht gesetzt. Grund: Die Spieler hatten die Beitrittserklärungen zur sog. NSDAP nicht unterschrieben, ohne Stellung dazu zu nehmen. Damals der Öffentlichkeit verschwiegen. Auch Mutschmann schwieg wutentbrannt. Als der einmal ein Spiel besuchte, sollte die Mannschaft Haltung annehmen und einen berüchtigten ›Gruss‹ zeigen. Man nahm ihn jedoch ›nicht wahr‹.«
Festzuhalten bleibt: Die Tatsache, dass mit Schön und Hofmann zwei ganz wichtige Stützen der DSC-Mannschaft vom Stress des Militärdienstes und der Fronterlebnisse befreit waren, bildete zweifellos einen sportlichen Vorteil. Ebenso der glückliche Umstand, dass ihre Heimatstadt Dresden bis in den Herbst 1944 hinein von Luftangriffen verschont blieb. Ansonsten gilt: Zwischen Mutmaßungen um großzügig freigestellte Spieler und der Behauptung, im Pokalwettbewerb aus politischen Gründen benachteiligt worden zu sein, öffnet sich bis heute ein weites Feld widersprüchlicher Spekulationen.
Herbergers Beobachtungen
Auch Reichstrainer Sepp Herberger hatte sich Gedanken um die Verbindungen des Dresdner SC zum Militär und zur NSDAP gemacht. In einem kurzen Manuskript, das offenbar nach 1945 entstand, nannte er den DSC einen »Verein, der sich bester Beziehungen zu hochgestellten Persönlichkeiten bei Wehrmacht und Partei rühmen konnte«. Er kritisierte, dass zumindest einer der Dresdner Nationalspieler – er nannte Herbert Pohl – sich »prahlend und spöttelnd« über die »glänzenden Bedingungen« in Dresden geäußert hätte.
Und Herberger schilderte einen Vorfall, der sich bereits Ende 1939 ereignet hatte: Bei einem Pokalspiel im Ostragehege hatte er »General Mehner [gemeint ist Mehnert, d.A.], den Kommandeur des Generalkommandos in Dresden zum Nachbarn. Er war bekannt als eine dem DSC wohlgeneigte Persönlichkeit. In der Reihe hinter uns sass [ein] Mann namens Gruber, von berufswegen ›alter Kämpfer‹, der im Reichsbund für Leibesübungen zu einem hohen Sportfunktionär avanciert war (oder wenigstens so tat) und der in dieser Funktion auf allen Sportplätzen des Sportgaues Sachsen lautstark und auffällig seine Visitenkarte abgab. Er hatte offenkundlich eine recht salzige Leber … [gemeint ist wohl: Kurt Gruber, Führer im Sportgau Sachsen, war alkoholisiert, d.A.]. Ich vermag heute nicht mehr zu sagen, welcher der 22 Spieler ihn so stark beeinflusst hatte, erinnere mich aber um so besser des Augenblickes, wo sein Kopf zwischen uns beiden auftauchte und an meinen Nebenmann gewandt sagte: ›Herr Mehner, der fehlt uns noch.‹ Er machte gar kein Geheimnis aus dem, was er mitteilte. Ich hatte dabei das Gefühl, dass es dem Herrn General peinlich war, alle hatten es gehört. Gruber war in einem Normalzustand. Diese guten Beziehungen hatten offenbar über die ganze Dauer des Krieges festen und wirksamen Bestand.« Anders sei nicht zu erklären, dass der DSC zu wichtigen Begegnungen weiterhin mit seiner Stammbesetzung auflaufen konnte.
Beinahe hätte die diversen Gerüchte um Frontberufungen oder Freistellungen von DSC-Spielern nach dem Krieg sogar bewirkt, dass Sepp Herbergers Berufung zum Bundestrainer gescheitert wäre. 1949 tauchte beim – noch in Neugründung befindlichen – DFB der Brief eines ehemaligen DSC-Mitglieds auf, in dem ein harter Vorwurf erhoben wurde: Herberger habe für das Oberkommando der Wehrmacht Listen erstellt mit Spitzenspielern, die zum Fronteinsatz abgestellt werden sollten. Dies sei »uns im Dresdner Sportclub hinreichend bekannt« gewesen. Herberger habe konkret dafür gesorgt, dass Fritz Machate, der 1942 für einen Trainingskurs freigestellt worden war, diesen Kurs nach nur wenigen Tagen wieder verlassen musste. Dazu habe er wörtlich erklärt: »Ich werde schnellstens dafür sorgen, dass Machate wieder an die Front kommt!« Beim DFB war man irritiert, Herberger bangte um seine Berufung. Zufällig ergab sich eine Gelegenheit, Fritz Machate selbst zu befragen. Der sprach den ehemaligen Reichstrainer von jedem Verdacht frei: Niemals sei ihm der Gedanke gekommen, dass er durch Herberger zurück an die Front geschickt worden sei. Es handele sich »um eine ganz gemeine Denunziation«.
Endlich Deutscher Meister
Helmut Schöns sportliche Karriere als Spieler stand größtenteils im Schatten des Weltkrieges, und für seinen größten Erfolg, den zweifachen Gewinn der Deutschen Meisterschaft, gilt dies ganz besonders. In der Mannschaft, die 1943 das Finale bestritt, standen fünf Obergefreite, drei Unteroffiziere und drei Zivilisten: der 37-jährige Richard Hofmann, der mit Knieproblemen ausgemusterte 32-jährige Heiner Kugler sowie der 28-jährige Helmut Schön.
Außenläufer Herbert Pohl spielte einarmig, er hatte Anfang des Jahres an der Ostfront den linken Arm verloren, durch die eigenen Leute, nämlich beim Angriff deutscher Sturzkampfbomber. Das Programmheft fürs Endspiel nannte ihn einen »vorbildlichen Fußballkämpfer«, und das war er in besonderer Hinsicht: Pohl stammte laut Wikipedia aus einer kommunistisch geprägten Familie und hatte mit der Kickerei im linken Arbeitersportverein Freital begonnen. Mit 15 Jahren stieg er dort bereits in die erste Mannschaft auf, doch zwei Jahre später verboten die Nazis den Verein. Der junge Pohl ging zunächst zur kleinen Sportvereinigung Dresden-Löbtau, 1937 dann zum DSC. Sepp Herberger berief den ehemaligen Arbeitersportler 1941 zweimal in die Nationalelf. Zusammen mit Walter Dzur und Helmut Schubert bildete Pohl bei den Dresdnern die seinerzeit wohl stärkste Läuferreihe einer deutschen Vereinsmannschaft, die es insbesondere verstand, schnell aus der Abwehr heraus auf Angriff umzuschalten. Nachdem er trotz der Amputation wieder Fußball spielen konnte, gestattete ihm der DFB per Ausnahmeregelung, mit nur einer Hand einzuwerfen. Die Presse attestierte ihm trotz des Handicaps eine »überlegene Ballführung«.
Zivilist Schön machte sich unterdessen an der Heimatfront nützlich. Seine vielfältigen Kontakte führten ihn manches Mal in die Zigarettenfabrik Greiling, jenes Werk, vor dem er als Kind einst um Sammelbildchen gebettelt hatte. Nun organisierte er dort stangenweise Zigaretten. Die Glimmstängel wurden gegen Lebensmittel eingetauscht, die dann der Mannschaft zugutekamen.
1942/43 hatte der DSC souverän die Sachsen-Meisterschaft erspielt, mit 36:0 Punkten und einem sagenhaften Torverhältnis von 136:4. Allein Helmut Schön hatte 50-mal ins Netz getroffen. Allerdings waren diese Ergebnisse stark von den Kriegsverhältnissen verzerrt und zweistellige Resultate keine Seltenheit. Sportlust Zittau beispielsweise wurde mit 12:0 aus dem Ostragehege gefegt; Schön traf sechsmal, Hofmann fünfmal.
Dabei musste Helmut Schön immer wieder mit den üblichen Knieproblemen kämpfen, dies galt auch fürs Achtelfinale in der Endrunde gegen Eintracht Braunschweig: »Schön ging schon als verletzter Mann ins Rennen«, meldete die mittlerweile »gemeinsame Kriegsausgabe« von »Kicker/Fußball«. Nach dem Zusammenprall mit einem Gegenspieler hinkte Schön mühsam zur Seitenlinie, um sich behandeln zu lassen. Er spielte dann vorsichtig als Rechtsaußen weiter. Im folgenden Viertelfinale gegen den SV Neufahrwasser fehlte er ganz. Beide K.o.-Spiele wurden dennoch souverän mit jeweils 4:0 gewonnen.
Mittlerweile hatte die 6. Armee in Stalingrad kapituliert und Propagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast den »totalen Krieg« ausgerufen. Noch aber schien es der NS-Führung opportun, den Fußballbetrieb zur Ablenkung vom Kriegselend weiterzuführen. Über die insgesamt 100.000 Zuschauer, die zu den Achtelfinalspielen gekommen waren, urteilte »Kicker/Fußball«, nun »Amtliches Organ des Reichsfachamtes Fußball im NS-Reichsbund für Leibesübungen«: »Sport-Festtage lähmen nicht den totalen Kriegseinsatz. Sie liefern ihm vielmehr unabschätzbare Energien.«
Für das Blatt schrieb mittlerweile Dr. Otto Nerz, der ehemalige Reichstrainer. Er amtierte inzwischen als Professor und Direktor an der Deutschen Hochschule für Leibeskultur. Neben Fachaufsätzen verfasste er auch Zeitungsartikel, zuweilen mit antisemitischem Einschlag. Auch das Halbfinale, das der Dresdner SC gegen Holstein Kiel mit 3:1 gewann, beobachtete er und überschrieb den Beitrag