Название | Helmut Schön |
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Автор произведения | Bernd-M. Beyer |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783730703175 |
Tatsächlich bot der Fußball gerade einem Spitzenspieler wie Helmut Schön auch in schweren Zeiten positive Erlebnisse: Reisen zu großen internationalen oder Meisterschaftsspielen, sportliche Erfolgsmomente, Gruppenreisen mit dem Verein. DSC-Exkursionen führten Schön beispielsweise an den Wörthersee, in die Alpen oder nach Wien, Gastspieltourneen sogar bis Skandinavien.
Auch vor dem Kriegsdienst bewahrte ihn vorerst seine sportliche Prominenz. Sein Arbeitgeber, die Firma Madaus, besaß da so ihre Möglichkeiten, wie der Sohn des Firmengründers, Dr. Udo Madaus, 2015 in einer MDR-Dokumentation erzählte: »Als Arzneimittelfirma hatten wir eine große Bedeutung und konnten Mitarbeiter als ›u.k.‹ beantragen, ›unabkömmlich‹. Das haben wir am Anfang des Krieges getan, für Helmut Schön und für sechs andere DSC-Spieler.«
Udo Madaus, Jahrgang 1925, erlebte diese Zeit als Jugendlicher; seine Erinnerung mag auf Hörensagen beruhen, doch sie erscheint für die ersten Kriegsjahre plausibel, zumal sie in Schöns Erinnerungen zumindest für die eigene Person bestätigt wurde. Dessen Arbeitskollegen im Außendienst genossen keineswegs alle das »u.k.«-Privileg, etliche mussten an die Front, wovon Schön ungewollt profitierte: Durch Veränderung der Vertretungsgebiete stiegen seine Tantiemen erheblich; sein jährliches Grundgehalt von mittlerweile rund 8.600 Mark erhöhte sich 1942 dadurch um 50 Prozent. Allerdings wurde die Regelung nach einem Jahr wieder abgeschafft.
Offenbar verfügte Schön mittlerweile über ein vergleichsweise passables Gesamteinkommen, wenn man seine neue Wohnsituation zum Maßstab nimmt. Nach der Hochzeit hatte das Paar eine 92-Quadratmeter-Wohnung am Münchner Platz 16 bezogen, einem Eckhaus der Gründerzeit, im zweiten Stock und in gutbürgerlicher Umgebung. Als Vormieter der Schöns weist das Adressbuch einen Oberregierungsrat aus. Die Befreiung vom Waffendienst dürfte für Schön allerdings der wesentlichere Aspekt seiner Tätigkeit bei Madaus gewesen sein.
Wichtige Unterstützung im Bemühen, seine Mannschaft im Krieg zusammenzuhalten, erhielt der DSC vermutlich auch von Generalleutnant Karl Mehnert, dem Stadtkommandanten von Dresden. Der zweifache DSC-Nationalspieler Herbert Pohl berichtete in der ARD-Dokumentation »Stürmen für Deutschland«: Mehnert »hat das so gemanagt, dass wir immer schön zurückgehalten wurden, wenn es abging an die Front. Aber leider hat sich dann wohl die Bevölkerung geärgert oder beschwert über diese Bevorzugung von uns Sportlern, und dann kam ein Befehl vom Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Keitel. Da wurden viele Sportler namentlich aufgelistet, um sie zur kämpfenden Truppe zu versetzen.«
Tatsächlich entsprach es nicht unbedingt dem Willen der NS-Zentrale, prominente Sportler vom Kriegsdienst auszunehmen. Vielmehr sollten sie an der Front mit »Heldentaten« zum Vorbild werden. Herbergers Aktion »Heldenklau« wurde nachträglich so legendär, weil sie genau das Gegenteil bewirken sollte: nämlich Nationalspieler vor einem Fronteinsatz zu bewahren und sie für Länderspiele freizustellen. Auch auf lokaler Ebene arbeitete man oft in diesem Sinn. Helmut Schön erinnerte sich an die guten Beziehungen, die der DSC zu Wehrmachtsoffizieren unterhielt: »So konnten wir unseren Nationaltorwart Willibald Kreß immer wieder loseisen, wenn es um die Wurst ging.«
Zumindest in den ersten Kriegsjahren konnten DSC-Stammspieler also auf gewisse Vergünstigungen bei Einberufungen und Militärdienst hoffen. Helmut Schön selbst brauchte bis kurz vor Kriegsende keine Wehrmacht-Uniform anzuziehen. Davor bewahrte ihn auf eine eher kuriose Weise erneut der Fußball. Schöns Knie, das er so oft zu stark belastet und zu wenig geschont hatte, veranlasste die Musterungskommission dazu, ihn als »kriegsverwendungsunfähig« einzustufen. Dabei war der zuständige Arzt laut Schön kein Mann des Fußballs, im Gegenteil: Er kannte den Nationalspieler nicht einmal. Als er hörte, welch Prominenz er vor sich hatte, empfahl er Schön, mit der Kickerei aufzuhören: »Sonst kommen Sie nie zur Wehrmacht.« Ironisch kommentierte Schön in seinen Erinnerungen: »Wenn der Brave gewusst hätte, wie leid mir das tat …«
Mit einem Wackelknie fußballerische Triumphe zu feiern und zugleich dank dieses Knies vom Kriegsdienst befreit zu sein – solche Umstände mögen es erklären, warum Helmut Schön jene Jahre als »eine herrliche Fußballzeit« erlebte. Und warum er an gleicher Stelle die Formulierung fand: »Trotz der Unbilden des Krieges ging es im Fußball munter weiter.«
Auftakt einer Erfolgsserie
Anfangs also beeinträchtigte das Kriegsgeschehen das DSC-Personal vergleichsweise wenig; vielmehr wurden ihm unverhofft wertvolle Akteure als »Gastspieler« zugeführt. Dazu zählte vor allem der bereits erwähnte Karl Miller, der eigentlich für den FC St. Pauli spielte und als Soldat 1940 nach Dresden abkommandiert wurde. In seiner Dresdner Zeit spielte der Verteidiger zwölfmal für die Nationalelf. Eine weitere wichtige Verstärkung bildete der ebenfalls aus Hamburg stammende Gustav Carstens. In seiner Heimatstadt spielte er viele Jahre an der Seite des Idols Rudi Noack im HSV-Sturm, verlor seine Stärke, als Noack von den Nazis gesperrt wurde, und fand an der Seite Schöns wieder zu alter Qualität. Auch der bis dahin als Seitenläufer für den Planitzer SC spielende Helmut Schubert kam 1940 möglicherweise kriegsbedingt zum DSC.
Schon vor Kriegsbeginn hatte der Verein indirekt von Hitlers Expansionspolitik profitiert. Nachdem der »Führer« mit Billigung der europäischen Großmächte 1938 das Sudetenland »heim ins Reich« geholt hatte, zerfiel dort der bislang professionell geführte Fußball. Der Historiker Stefan Zwicker: »Die beiden damals größten Stars, Heinrich ›Heiner‹ Schaffer und Heiner Kugler vom Teplitzer FK, im März 1938 noch tschechoslowakische Nationalspieler, wechselten zum Dresdner SC, wo sie im Sturm gemeinsam mit […] Helmut Schön spielten.« Ebenfalls 1938 kam der bereits erwähnte junge Walter Dzur aus dem zuvor tschechischen Eger nach Dresden, und 1939 schloss sich Herbert Pechan dem DSC an; er war vorher als Verteidiger wie Schaffer und Kugler beim Teplitzer FK aktiv gewesen.
Derart personell verstärkt, stand der Verein vor den größten Erfolgen seiner Geschichte. Die Saison 1938/39 begann allerdings katastrophal, mit 0:8 Punkten und 0:8 Toren nach vier Spieltagen. »Auch mit Schön – verloren«, titelte der »Kicker« ratlos. Doch danach lief es reibungslos; selbst als Mittelläufer Dzur verletzt war, konnte ihn der vielseitige Schön mit »tadellosem Abwehr- und Aufbauspiel« (»Fußball«) ersetzen. Es waren die Monate, in denen er auch in der Nationalelf großartige Auftritte hinlegte. Am Ende der Saison gewann der DSC die Gaumeisterschaft und qualifizierte sich in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft nach einem Sieg über Fortuna Düsseldorf für das Halbfinale. Noch immer ersetzte Schön den verletzten Dzur und zeigte sich gegen Düsseldorf erneut als »Meisterstratege« (»Fußball«).
Überraschend schwach war hingegen seine Leistung, als er im Halbfinale gegen Schalke 04 auf die angestammte Mittelstürmerposition zurückkehren konnte. Vor 100.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion erzielte er immerhin ein Tor per Kopf. Da es am Ende 3:3 stand, musste das Spiel wiederholt werden. Dieses Mal setzten sich Ernst Kuzorra und Co. mit 2:0 durch. Während die Schalker im Endspiel Admira Wien mit 9:0 deklassierten, trösteten sich die Dresdner mit dem dritten Platz, den sie gegen den Hamburger SV erkämpften. Zwei Treffer beim 3:2-Sieg stammten von Helmut Schön.
Die folgende Saison stand zunächst ganz im Zeichen des Kriegsbeginns. Der »Dresdner Anzeiger« erschien nach dem 1. September mit allerlei hetzerischen Schlagzeilen (»Danzig war immer deutsch!« – »England will den Krieg!«), bevor die ersten Todesanzeigen in der Zeitung auftauchten: »Im Kampf für Deutschlands Freiheit gefallen«. Der 24-jährige DSC-Stürmer Hans König hatte derweil noch Glück, als er »beim Vormarsch in Polen« an Ferse und Hüfte nur leicht verletzt wurde. Er konnte in dieser Saison sogar noch in einigen Ligaspielen mitwirken.
Vorerst wurde der Gauspielbetrieb abgesagt, allerdings dekretierte der Nationalsozialistische Reichsbund für Leibesübungen: »Nichts darf zerschlagen werden im deutschen Sport an Organisation, an Fäden, die von Mensch zu Mensch führen, selbst wenn der eine an der Grenze auf Wacht steht und der andere Aufgaben in der Heimat erfüllt. Hier darf und soll der Sport als bindende Kraft wirken.« Es sollte also möglichst rasch weitergehen, und tatsächlich lief nach einigen Wochen der Spielbetrieb