Название | Helmut Schön |
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Автор произведения | Bernd-M. Beyer |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783730703175 |
In den Tagen und Nächten des 13., 14. und 15. Februar 1945 wurde Dresden das Ziel verheerender Bombenangriffe durch britische und US-amerikanische Flugzeuge. Diese Form brutaler Kriegsführung hatte erstmals die deutsche Luftwaffe im spanischen Bürgerkrieg praktiziert; berüchtigt wurde der verheerende Angriff der »Legion Condor« auf die baskische Stadt Guernica am 26. April 1937. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs bombardierte die deutsche Luftwaffe zunächst Städte vor allem in Polen, den Niederlanden und England, bevor alliierte Bomber den Horror nach Deutschland zurückbrachten. 1940 wurden die ersten deutschen Städte angegriffen, in den Jahren 1942 und 1943 folgten die großen Flächenbombardements, bei denen die Innenstädte unter anderem von Hamburg, Köln und Hannover nahezu vollständig zerstört wurden. Zehntausende starben.
Dresden blieb lange verschont; bis zum Herbst 1944 lag die Region außerhalb der Reichweite alliierter Bomber. In den Straßen der Innenstadt drängten sich durchziehende Menschen, hier trafen sich die Pferdefuhrwerke der westwärts strebenden Flüchtlingstrecks mit Infanteriekolonnen und dem Nachschub für die Ostfront. Als Verkehrsknotenpunkt und letzte intakte Garnisonsstadt musste Dresden mit Luftangriffen rechnen; doch das Inferno, das am 13. Februar 1945 folgte, übertraf die schlimmsten Befürchtungen.
Helmut Schön erlebte und überlebte den Feuersturm. In seiner Autobiografie hat er eindringlich von seinen Erlebnissen berichtet; Auszüge aus dieser Schilderung werden im Folgenden abgedruckt. Die Zahl von 135.000 Toten, die Schön darin nannte, entsprach dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung (1978); teilweise kursierten noch erheblich höhere Opferzahlen. Die neuere Forschung hat ermittelt, dass diese Angaben auf übertriebenen Meldungen der nationalsozialistischen Propaganda beruhten. Eine von der Stadt Dresden berufene Historikerkommission kam nach langwierigen Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass durch die Luftangriffe zwischen 18.000 und 25.000 Menschen starben. Doch auch dies ist eine entsetzlich hohe Zahl.
Helmut Schön hat nichts darüber geschrieben, in welcher Weise ihn die Erlebnisse in seinem späteren Leben innerlich verfolgt haben. Doch dass sie ihn nur schwer losließen, dessen ist man sich sicher, wenn man seinen Bericht gelesen hat.
An diesem 13. Februar hatte ich als »Luftschutzleiter« meiner Firma in Radebeul Dienst. Jeder kam mal ran. Ich mußte also die Nacht im Werk verbringen, konnte nicht zu meiner Frau nach Dresden hinein.
Wir hörten in einem Kellerraum der Firma den sogenannten Drahtfunk. Er meldete: »Schwere angloamerikanische Bomberverbände im Anflug auf Nürnberg und Leipzig«. Dann wurden Planquadrate durchgegeben, in denen sich die Bomber befanden. Viele Deutsche hatten sich damals eine Landkarte mit diesen Planquadraten organisiert, um jede Nacht genau zu wissen: Kommen wir diesmal ran? Wann geht es wieder los mit dem Alarm? Der Drahtfunk war auf Langwelle leicht abzuhören.
»Wetten, diesmal erwischt es uns«, sagte einer der Kollegen.
»Na, die biegen doch noch ab«, meinte ein anderer.
»Die Richtung ist so verdächtig … Vielleicht kommt heute Nacht Leipzig dran. Aber wahrscheinlich wollen die bis rauf nach Berlin«, meinte ich. »Es sieht trotzdem mulmig aus. Hoffentlich lassen nicht so ein paar Idioten aus lauter Nervosität bei uns was fallen. Ich werde mal lieber meine Frau anrufen.«
Ich telefonierte mit Annelies. Sie hörte ebenfalls Drahtfunk. »Hört sich ganz schön blöd an, was? Die größte Bomberflotte, die jemals deutsches Reichsgebiet angeflogen hat, haben sie gesagt. Wie gut, daß Stephan draußen bei den Großeltern ist.« Sie wohnten am Stadtrand.
Trotz bedenklicher »Luftlage«, wie man damals sagte, waren wir uns der wirklichen Gefahr nicht bewußt.
Meine Frau hatte sich für diesen Abend vorgenommen, einmal gründlich alle Strümpfe zu stopfen. Sie saß auf der Couch, hatte die Strümpfe fein säuberlich neben sich gelegt und hörte beim Stopfen Radio. […]
Meine Frau dachte sich schon, daß es Alarm geben würde und sie in den Luftschutzkeller müßte. Aber das beunruhigte sie nicht besonders. Sie war auf alles vorbereitet. An diesem 13. Februar hatte Annelies die Wintersachen zusammengepackt. Der Winter war vorbei, das spürte man. Da konnte nicht mehr viel Kälte kommen. Die großen Koffer standen fix und fertig auf der Diele. Sie wollte sie am nächsten Tag raus zu Stephans Großeltern bringen und die Frühlings- und Sommersachen von dort abholen.
Dann heulten die Sirenen: Alarm. Sie nahm die Koffer und ging hinunter in den Keller. Es war kurz nach zehn Uhr abends.
Es war ein Luftalarm wie jeder andere, und alle Deutschen waren inzwischen daran gewöhnt, Nacht für Nacht. Diese Gewohnheit der Gefahr gab uns Sicherheit für den Augenblick.
Vierzehn Kilometer von meiner Frau entfernt, draußen in Radebeul, lief ich hinaus ins Freie, weil ich es vor Ungeduld nicht mehr aushielt. Es war viertel nach zehn. Mit ein paar Kollegen setzte ich mich ins Pförtnerhäuschen unserer Firma. Wir starrten nach Süden, wo Dresden lag.
Plötzlich schrie einer von uns auf.
»Da! Da! Die Weihnachtsbäume …«
Unheimlich langsam, unheimlich schön sanken Garben von Leuchtkörpern durch das Dunkel hinunter und erhellten den Himmel über Dresden. So traumhaft und friedlich es aussah, so furchtbar erschien es uns. Wir wußten: Es sind Markierungslichter für die alliierten Bomberflotten.
»Das ist der Tod von Dresden«, sagte einer.
Ein unheimliches, gedämpftes, orgelndes Brummen erfüllte die Nacht: das Motorengeräusch der amerikanischen »Fliegenden Festungen«.
Es wurde immer heller über Dresden. Wir hörten keine Detonationen, nicht das Krachen jener riesigen Bomben, die man »Luftminen« nannte. Der Wind stand gegen Dresden, wir hörten nichts – und das war viel schlimmer. Die Alliierten praktizierten wieder ihre Vernichtungs-Technik, mit der sie schon Hamburg und Berlin weitgehend verheert hatten: Sie warfen Abertausende von Brandbomben, die an sich harmlos aussahen, gut einen halben Meter lange, armdicke Stäbe. Aber diese Brandbomben setzten Dachstühle in Brand. Die Brände vereinigten sich, heizten sich gegenseitig auf, erzeugten durch enorme Hitzegrade einen Feuersturm, der 200 Stundenkilometer und mehr erreichen konnte und ganze Stadtviertel wie Zunder wegbrannte.
Ich versuchte, Annelies telefonisch zu erreichen. War unser Haus getroffen, abgebrannt? Die Leitung war tot. Aber ein Bruder unseres Chefs, Hans Madaus, erreichte uns: »Unser Haus brennt. Kommt, so schnell es geht.«
Wir nahmen einen kleinen Lastwagen und fuhren am Stadtrand entlang. Dresden brannte lichterloh. Ich mußte nicht weinen. Ich war nicht außer mir vor Verzweiflung. Ich fühlte mich nur angespannt zum Zerreißen. Später erfuhr ich, daß die Innenstadt in sieben Kilometern Länge und vier Kilometern Breite ein einziges Inferno war. Aus ihm ist kaum ein Mensch entkommen.
Der Brand der Madaus-Villa war halb so schlimm. Ein Kollege wollte den Laster zurück nach Radebeul fahren und setzte mich unterwegs ab. Ich hatte nur eines im Kopf: »Was ist mit Annelies, steht das Haus noch?«
Hätte ich gewußt, wie es ihr in diesem Augenblick ging, ich hätte Gott auf Knien gedankt. Ein paar Entwarnungssirenen hatten geheult, lang, einförmig, winselnd. Die Leute im Keller Münchner Platz 16, der Apotheker, der Kohlengroßhändler, meine Frau, hatten ihre Koffer genommen und waren wieder hinaus in ihre Wohnungen gegangen.
Annelies erzählte mir später alles: »Bei uns oben waren nur ein paar Scheiben kaputt, in der Diele. Ich habe im Treppenhaus noch Scherben zusammengefegt und dann zwei alten Damen geholfen, ihre Koffer hinaufzutragen. Ich sah, daß es ringsum brannte. Drei Häuser am Münchner Platz standen in Flammen. Aber – das ist wohl das merkwürdigste an menschlichen Reaktionen im Krieg, in einer Katastrophe – ich nahm das apathisch hin. So war das nun mal. Ich habe mich in aller Ruhe ausgezogen, mein Nachthemd angezogen und mich ins Bett gelegt. Keine Vorsichtsmaßnahmen. Nicht: angezogen aufs Bett, weil ja jeden Augenblick wieder Alarm sein konnte … Nein, ich bin sofort eingeschlafen.
Ein Donnern, ein Poltern an der Wohnungstür weckte mich, ich wußte überhaupt nicht, was los war. Im Nachthemd öffnete ich. Draußen stand mein Vater, mit entsetztem Blick, wirrem Haar.
›Annelies!