Ernst Happel - Genie und Grantler. Klaus Dermutz

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Название Ernst Happel - Genie und Grantler
Автор произведения Klaus Dermutz
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783895339356



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Stopper, und Happel dahinter den ersten ›Ausputzer‹ Europas.«19

      »Wir waren überall die Pioniere«, erinnert sich Alfred Körner an die Auslandsreisen, »sei es in Südamerika, in Australien, Holland, Dänemark. Und Russland. Aber ohne Bankgarantien. Wir sind auf gut Glück hingefahren. Wenn wir ein Pech gehabt hätten, hätten wir nach Hause schwimmen müssen. Rapid hat immer in der ganzen Welt einen guten Namen gehabt. Uns haben die Russen zuerst geholt. Die Geschenke, die wir dort bekommen haben, haben wir dann vier Wochen später in Südamerika wieder verkauft. Nach dem Krieg waren dann die Russen bei uns als Besetzungsmacht. Da haben sie ihre Pferde auf unseren Platz geschickt. Die Viecher haben dann unseren Rasen gemütlich aufgefressen. Und statt ein Training abzuhalten, haben wir oft gegen die angetschecherten Russen gespielt, die vom ›Hütteldorfer Bräu‹ gekommen sind.«20

      Auf den Reisen lernen die Rapid-Spieler auch die Kurse der verschiedenen Währungen für sich zu nutzen. Happel soll immer gewusst haben, wo Geld getauscht werden kann, und angeblich beim gewinnbringenden Geldwechseln einer der Aktivsten gewesen sein.

       Rapid in Höchstform

      In den Reihen von Rapid stehen bisweilen neun Nationalspieler. Nach der Meisterschaft 1946 hat die Mannschaft auch 1948 den Titel geholt, 1947, 1949 und 1950 wird man »Vize«, und die Ansprüche steigen. Eine Saison ohne Meistertitel betrachten die Spieler mittlerweile als eine verlorene. In der Saison 1950/51 gewinnt Rapid von 24 Spielen 20, spielt dreimal unentschieden, verliert nur ein einziges Mal. Mit fünf Punkten Vorsprung vor Wacker Wien wird Rapid Meister, die Austria wird mit neun Punkten Rückstand Dritter. Rapid schießt in den 24 Pflichtspielen 133 Tore und kassiert nur 40. Happel ist in allen Punktspielen dabei, nur Johann Riegler bringt es auf dieselbe Anzahl. Robert Dienst mit 37 und Erich Probst mit 28 Treffern schießen fast die Hälfte der gesamten Rapid-Tore. Der LASK wird in dieser Saison mit 11:2 vom Platz gefegt, und die Vienna muss zu Hause eine 0:9-Niederlage hinnehmen.

      Auch der Zentropa-Cup wird gewonnen, ein Vierer-Turnier, das Anfang Juli 1951 in Wien ausgetragen wird und an dem außer Rapid noch Wacker Wien, Lazio Rom und Dinamo Zagreb teilnehmen. Im Halbfinale erringt Rapid gegen Lazio Rom einen triumphalen 5:0-Sieg. Im Finale wird Wacker Wien 3:2 geschlagen. Den Siegtreffer der Grün-Weißen markiert Happel in der 89. Minute vom Elfmeterpunkt. Rapid ist in dieser Saison zur Höchstform aufgelaufen. Happel und sein Team bleiben in insgesamt 37 Spielen ungeschlagen.

      Auch in der nächsten Saison 1951/52 wird Rapid Meister – zum 18. Mal in seiner Geschichte. Erst in der Spielzeit 1952/53 muss Rapid mit den Lokalrivalen Austria und Wacker wieder anderen Teams den Vortritt lassen, bevor man sich ein Jahr später den Titel zurückholt.

      In das Gedächtnis nicht nur der österreichischen Fußballfans hat sich ein Rapid-Spiel eingeprägt, das oft mit den glanzvollen Siegen des Wunderteams verglichen wird. Am 24. Mai 1953 schlägt Rapid, inzwischen von der Vereinslegende Josef »Pepi« Uridil betreut, in Brügge den englischen Meister Arsenal London 6:1 und wird aufgrund der spielerischen Eleganz und der Torgefährlichkeit neben Honved Budapest und dem Lokalrivalen Austria als eine der besten Vereinsmannschaften Europas gefeiert.

      Auf der Homepage von Rapid wird dieser Sieg in einem Freundschaftsspiel noch 2010 mit einer Eloge bedacht: »Es war ein eindrucksvoller Sieg Wiener Mutterwitzes und ausgereifter Technik gegenüber Kraft und Schnelligkeit. Und in der 89. Minute fixierte Rapid ein Resultat, von dem die Sportwelt damals sprach. Hanappis Erinnerung an das sechste Tor: ›Happel trat zu einem Freistoß an, Körner-Robert lief am Ball vorbei, die Engländer fielen prompt auf diese Finte herein, die Mauer löste sich auf, und Happel schoss seelenruhig ein…‹ So einfach ging den Rapidlern an diesem Tag alles vom Fuß. Nach dem Schlusspfiff bildeten alle Arsenal-Spieler – außer dem verbitterten Forbes – ein Spalier und applaudierten in diesem bitteren Moment den Siegern. Für Robert Körner war es der bewegendste Augenblick seines sportlichen Lebens, für viele seiner Kollegen auch. (…) ›Arsenal-Vater‹ und -Manager Tom Witthaker war einer der ersten Gratulanten in der Rapid-Kabine und lobte Uridil: ›Ich entsinne mich nicht eines gleichen Debakels meiner Mannschaft. Was habt ihr Österreicher doch für wunderbare Fußballer. Rapid ist ein Begriff in der Fußballwelt.‹ Der Middlesbrough-Präsident meinte nach dem Arsenal-Match, noch nie ein so exzellentes Spiel gesehen zu haben, ›jeder einzelne Mann ein so überragender Könner‹. Dem schloss sich Rapid-Trainer Uridil an. Wirklich erschüttert wurde das Mutterland des Fußballs aber nicht, denn: ›England verschweigt das Arsenal-Debakel‹, war in den heimischen Gazetten zu lesen. Mit der Schlagzeile ›Wiener Schule bleibt Trumpf!‹ wurde die Beibehaltung der Wiener Eigenart gefordert. ›Die Rapidler haben in Brügge die berühmte Arsenal-Elf gerade damit aufgerollt, dass sie durch kluges Stellungsspiel und Laufenlassen des Balles den Gegner ausmanövrierten.‹«21

      Die Rapid-Stars hatten ihr Vergnügen mit Arsensal, sie ließen Ball und Gegner laufen, danach meinten sie, sie hätten mit dem englischen Team »Einmal-Berühren« gespielt. (Einige Jahrzehnte später wird Arsenal selbst zum Repräsentanten eines »Einmal-Berühren«-Fußballs. Unter dem französischen Trainer Arsène Wenger gehen die »Gunners« zum »one-touch«-Fußball über.)

      Der in der Saison 1955/56 erstmals ausgetragene lukrative Europapokal der Landesmeister kommt für die ältere Spielergeneration zu spät. Und damit auch die Möglichkeit, bei einem ausländischen Verein gutes Geld zu verdienen. Die österreichischen Spieler dürfen erst mit 28 Jahren zu einem Klub ins Ausland wechseln.

      Happel hätte sich mit Rapid gern mit den großen Mannschaften Europas gemessen, als er im Zenit seiner Laufbahn steht. Im Europacup absolviert Happel nur fünf Spiele, drei gegen Real Madrid und zwei gegen den AC Milan.

       Wechsel nach Paris

      Zu Beginn der Saison 1954/55 bestreitet er noch bis Mitte September zwei Spiele für Rapid, dann unterschreibt er für zwei Jahre einen Vertrag beim Racing Club de Paris, dem traditionsreichsten Fußballverein aus der französischen Hauptstadt. Anfang der 1990er Jahre blickt Happel auf diese Zeit zurück. Er sieht sich als ersten und einzigen Spieler, der ins Ausland wechselt, was jedoch nicht stimmt: »Ich war der erste und einzige europäische Spieler, der damals ins Ausland gegangen ist. Ich hab den Libero-Posten gespielt. Es war ein Ausputzer, mehr statisch eigentlich, ich bin nur bei den Standardsituationen nach vorne gegangen. Ich war eigentlich der Mann, der hinten die Abwehr organisieren musste. Ich bekomm’ ein Handgeld von 25.000 Dollar – in Österreich hätt’ ich mir nie eine Existenz aufbauen können. Ich hab’ gut gelebt, muss ich sagen, konnte mir aber eine Existenz schaffen mit dem Arabia-Geschäft, das natürlich heute schon wieder verkauft ist – weil ich dann ja Trainer geworden, marschiert bin – ich war ja 26 Jahre im Ausland. Aber für diese Zeit war das damals für einen Abwehrspieler viel Geld. Man muss das umrechnen, heute ist es das Zehnfache.«22

      Happel steht kurz vor seinem 29. Geburtstag, als er nach Paris geht. Mit dieser Entscheidung ist eigentlich noch viel mehr verbunden als nur ein Vereinswechsel. Er tut einen Schritt ins Ungewisse. Mit dem Entschluss, Wien zu verlassen, um in der Weltstadt Paris zu leben, erwirbt Happel das Renommee eines Lebemannes, der nun lernt, wie man sich in der feinen Gesellschaft bewegt. Er eignet sich eine legere Weltläufigkeit an. Mit der Zeit wird ihm bewusst, dass die französische Hauptstadt eigentlich keine Stadt für einen Fußballer ist. Zu viele Verlockungen lenken von der Konzentration auf den Fußball ab. Dennoch beeindruckt er die Franzosen sportlich: Happel gibt Racing Paris den notwendigen Rückhalt und wird in der Mannschaft größtenteils sehr geschätzt.

      Zur Saison 1956/57 ist Happel zurück in Wien. Er demonstriert seinen erworbenen Wohlstand mit einem Vater-und-Sohn-Bild. Er setzt den 1953 geborenen Sohn Ernst auf die Kühlerhaube seines eleganten Autos. Happel ist endgültig der Armut seiner Kindheits- und Jugendtage entkommen. Trotz aller Spielleidenschaft, der er schon als Spieler frönt, achtet er stets darauf, dass das Geld bei ihm bleibt.

       Lupenreiner Hattrick

      Wieder bei Rapid, liefert Happel gegen die Stars von Real Madrid eines seiner größten Spiele ab. Im Achtelfinale des Europacups der Landesmeister muss Rapid am 1. November 1956 zuerst in Madrid antreten. Die Madrilenen starten vor 125.000 Zuschauern gut in die Partie, Alfredo di Stéfano erzielt in der 9.