Название | Ernst Happel - Genie und Grantler |
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Автор произведения | Klaus Dermutz |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783895339356 |
Fronteinsatz und Gefangenschaft
Im Frühjahr 1944 muss Happel in den Krieg: »Sie haben mich nach Nürnberg überstellt«, erinnert er sich 1991, »und von Nürnberg bin ich nach Russland, ich war da bis Borisow, im Mittelabschnitt, mein Regiment war in Minsk, meine Kompanie war in Borisow, das war 500 Kilometer hinter der Front, weil wir die Nachrichten waren, wir haben gearbeitet wie die Pioniere, wir haben die Leitung gelegt und die haben die Schienenstränge gelegt, wir haben auch dort Fußball gespielt, wir haben eine Kompaniemannschaft gehabt, ich habe einen Schlesier als Hauptmann gehabt, der war ein Fußballfanatiker, der war ganz crazy vom Fußball.«
Der Fußball lässt Happel immer wieder für eine kurze Zeit die Gräueltaten der Nazis und die Schrecken des Krieges vergessen. Drei Jahre lang, vom 2. Juli 1941 bis 1. Juli 1944, betreiben die Nazis in Borisow und Umgebung sechs Todeslager, in denen mehr als 33.000 Menschen ermordet werden. Borisow wird 1944 von den Truppen der 3. Weißrussischen Front befreit. 13 Kampfeinheiten werden mit dem »Borisowski«-Orden ausgezeichnet. Die Stadt erhält den »Orden des Großen Vaterländischen Krieges«. 29 Personen aus der Region Borisow werden zu »Helden der Sowjetunion« ernannt, der höchsten Auszeichnung und des höchsten Ehrentitels, der in der UdSSR für »persönliche und kollektive, mit einer Heldentat verbundene Verdienste für Staat und Gesellschaft« vergeben wurde.
Auf dem Rückzug gelangt Happel in den Nordosten Deutschlands. In der Nähe von Schwerin lässt er sich von den amerikanischen Streitkräften gefangen nehmen, flieht und schlägt sich nach Wien durch.
Happel spricht 1991 in ruhigem Tonfall über seine Rückkehr nach Wien: »Ich bin in die amerikanische Gefangenschaft gekommen, und ein halbes Jahr später war ich in Wien. In Schwerin bin ich von die Amerikanern gefangen genommen worden, ich bin von den Russen weg, ich habe haargenau gewusst, wo die Amerikaner, wo die Russen sind, ich bin nicht interessiert, nach Sibirien zu gehen, ich bin zu den Amerikanern, die haben am Abend ein Feuer angezündet, unter Tags haben sie über die Lautsprecher durchgegeben, wir sollen unsere Gewehre wegschmeißen, und dann sind wir in die amerikanische Gefangenschaft, das haben wir auch gemacht, das war in Schwerin, die Amerikaner waren als Erste in Schwerin, und drei Tage später waren die Russen, das war später die DDR, in Schwerin, 30.000 waren dort im Lager, wir sind überstellt worden in die Lüneburger Heide, von der Lüneburger Heide bin ich nach Emden, nach Ostfriesland, dann bin ich stiften gegangen, du bist in den Zug eingestiegen und bist vom Roten Kreuz versorgt worden und hast eine Suppe gekriegt, bei einer Station hast du einen Aufenthalt gehabt und vom Roten Kreuz hat es eine Suppe gegeben, wir haben noch immer unseren Sold bekommen im Monat, Geld haben wir gehabt für die Fahrkarten, die hast du nicht einlösen können, weil es eine Kontrolle am Bahnhof gab, du bist zu einem Zivilisten hingegangen und hast gesagt, gehen’s, zahlen Sie mir einen Fahrschein, Richtung München, viermal, du hast ihm das Geld gegeben, er hat dir das geholt und du bist von hinten am Bahnhof rein und von hinten bist du in den Zug eingestiegen auf der anderen Seite, vorne war eine Kontrolle von den Engländern, den Kanadiern und den Amerikaner, du bist halt in dem Abteil gesessen, da waren schon amerikanischen Soldaten, aber sie haben sich nicht um dich gekümmert, wenn du einmal in dem Zug gesessen bist, konnte dir nichts mehr passieren.
Ich bin abgehauen in der Uniform, bin runter bis nach München, dort war wieder ein Gefangenenlager von 30.000, ich habe gefragt, wie lang sind die schon hier, sagen sie mir, schon ein paar Monate, dann weiter nach Bad Reichenhall, in Bad Reichenhall war ein SS-Lager, die Amerikaner haben die SS schon entlassen, ich bin dort hingegangen, wir waren zu viert, wir sind stiften gegangen von Ostfriesland, in Bad Reichenhall haben sie uns nach drei Tagen entlassen. Aber jetzt komme ich nicht nach Wien, in Wien waren alle vier Siegermächte und rund um Wien war die russische Zone, ich habe sagen müssen, ich bin nicht von Wien, sondern ein Linzer, wohne in der Wienerstraße, ich habe mich durch die Demarkationslinien bis nach Wien geschmuggelt, ich habe nicht gewusst, steht das Haus, leben die noch, meine Großmutter, du hast ja nichts gewusst mehr, ich habe schon von Weitem gesehen, als ich am Westbahnhof war, dass das Haus noch steht, die haben gelebt, und ich hab’ bei Rapid wieder angefangen zu spielen.«
Lässiger Spielstil
Schon bald nach dem Ende des Krieges wird in Österreich der Spielbetrieb wieder aufgenommen. Bereits 1945/46 wird eine reguläre Meisterschaftsrunde gespielt.
Auf den Wiener Fußballplätzen wird jetzt jedoch eine andere Spielphilosophie bevorzugt als in der Zwischenkriegszeit. Der Fußballhistoriker Matthias Marschik erläutert in seiner Studie Massen, Mentalitäten Männlichkeit: »Nach 1945 war der bevorzugte ›Wiener Spielstil‹ nicht länger von der Leichtigkeit und technischen Präzision des ›Donaufußballs‹ geprägt. Vielmehr hatten die Zerstörungen der Stadt und der Kampf zunächst ums Überleben und dann um den ›Wiederaufbau‹ ihre Spuren auch in den fußballerischen Praxen hinterlassen: Wenn die WienerInnen zahlreiche Entbehrungen zu erdulden hatten, dann verlangte man auch von den Spielern Härte, Wettkampf und Einsatz. Verdeutlicht wurden Härte und Einsatz nicht nur durch den miserablen Zustand der wenigen verbliebenen Spielfelder, sondern noch mehr durch den Umstand, dass nun auch bei schlechtesten Witterungsverhältnissen, bei Regen und Schnee, im Schlamm und im Morast, gespielt wurde. Als selbst der Fußballverband Spiele bei Minustemperaturen um die 18 Grad untersagte, protestierten die zahlreich erschienenen Zuschauer so lange, bis die Spieler doch antraten. (…) Härte gegen sich selbst und Härte gegen die anderen waren die hervorstechenden Merkmale des Wiener Nachkriegsfußballs und wurden auch von den Medien und Zuschauern eingefordert. Äußerster Einsatz bedeutete natürlich auch eine Forcierung des Männlichkeitskultes im Sport – das ›beschädigte‹ Leben der Heimkehrer wurde im harten Fußballhelden aufgehoben.«6
Für Happel gilt das nur bedingt. Mit seinem lässigen Spielstil schließt er durchaus an die Eleganz des Wunderteams vor dem Zweiten Weltkrieg an. Er bedient damit die Bedürfnisse derjenigen Zuschauer, die sich nicht nur nach Härte und Einsatz sehnten, sondern auch nach technischer Brillanz, famosen Tricks und dem Wiener Schmäh.
Wien ist eine Stadt der Schauspieler. Die Wiener Fans sprechen über die Fußballer wie Schauspieler, sie gehen ins Stadion, um zu sehen, wie ein Stürmer seine Rolle interpretiert. Auch die Beziehung zur Welt des Films ist eng. So wird Happel von seinen Teamkollegen auf einer Tournee in Athen »Aschyl« getauft, nach einem Helden in einem Liebesfilm, der nach Alfred Körners Erinnerung eine verblüffende Ähnlichkeit mit Happel hatte – »ein fescher Bursche«, der die »gleichen Kracherl- oder Kipfleraugen wie der ›Weltmasta‹ hat, wenn er sich aufregt.«7
Welche hohe Wertschätzung bei den Kollegen und welche Verehrung bei den Fans Ernst Happel genießt, zeigt auch der Umstand, dass der Ehrentitel »Da Wödmasta«, den ursprünglich der Verteidiger des Wunderteams Josef »Pepi« Blum (1898-1956) innehatte, nach dem Zweiten Weltkrieg auf Happel übergeht. Blum war wegen seines hervorragenden Stellungsspiels geschätzt und galt beim First Vienna FC 1894 (1918-1933) und in der Nationalmannschaft, deren Kapitän er von 1920 bis 1931 war, als ein gefürchteter Freistoß- und Elfmeterspezialist. Diese Eigenschaften gehen gleichsam auf Happel über und zeichnen auch ihn aus. Was für eine Gemeinsamkeit bei der Spielanlage und den Einsätzen in der Nationalmannschaft: Beide »Wödmasta« spielen 51-mal in der österreichischen Auswahl. Weder der eine noch der andere »Wödmasta« wurde in all den Länderspielen vom Platz gestellt. Blum schoss für das Nationalteam drei Tore, Happel erzielte fünf.
Ein Spieler, der in Wien die besondere Wertschätzung des Publikums erlangen will, muss auf dem Platz technisch versiert und außerhalb des Spielfelds ein charmanter Plauderer und schlagfertig sein. Der Austrianer Ernst »Ossi« Ocwirk (1926-1980) erwähnt 1975 in einem Rückblick auf die späten 1940er und frühen 1950er Jahre, die österreichischen Spieler seien in den Kritiken ausländischer Zeitungen als »Artisten«, »Jongleure« und »Balletteusen« gepriesen worden und das Nationalteam sei für ihn selbst »die fußballerische Inkarnation des Wunderteams« gewesen: »Auch ich durfte ein wenig stolz sein, als ich aus den Zeitungen erfuhr, dass mich das Pariser Fachblatt France Football, 1952 war’s, zum ›besten Fußballspieler der Welt‹ gewählt hatte. Wir waren wer, Österreich