Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
«Zur Königswahl!» sprach diesmal feierlich und machtvoll der Chor der Tausenden.
Da trat Witichis auf den Dingstein, hob den Helm vom Haupt und die Rechte gen Himmel: «Du weißt es, Gott, der in den Sternen geht, uns treibt nicht frevler Kitzel des Ungehorsams und des Übermuts: uns treibt das heilige Recht der Not. Wir ehren das Recht des Königtums, den Glanz, der von der Krone strahlt. Geschändet aber ist dieser Glanz, und in der höchsten Not des Reiches üben wir des Volkes höchstes Recht. Herolde sollen ziehen zu allen Völkern der Erde und laut verkünden: nicht aus Verachtung, aus Verehrung der Krone haben wir es getan.
Wen aber wählen wir? Viel sind der wackern Männer im Volk, von altem Geschlecht, von tapferm Arm und klugem Geist. Wohl mehrere sind der Krone würdig. Wie leicht kann es kommen, daß einer diesen, der andere jenen vorzieht?
Aber um Gott, nur jetzt keinen Zwist, keinen Streit! Jetzt, da der Feind im Lande liegt! Drum laßt uns schwören vorher feierlich: wer das Stimmenmehr erhält, sei’s nur um eine Stimme, den wollen wir all’ als unsern König achten, unweigerlich, und keinen andern. Ich schwöre es – schwört mit mir.»
«Wir schwören!» riefen die Goten.
Aber der junge Arahad stimmte nicht ein. Ehrgeiz und Liebe loderten in seinem Herzen: er bedachte, daß sein Haus jetzt, nach dem Fall der Balten und der Amaler, das edelste war im Volk: er hoffte, Mataswinthens Hand zu gewinnen, wenn er ihr eine Krone bieten konnte, und kaum war der Schwur verhallt, als er vortrat und rief: «Wen sollen wir wählen, gotische Männer? Bedenkt euch wohl! Vor allem, das ist klar, einen Mann jungkräftigen Armes wider den Feind. Aber das allein genügt nicht. Weshalb haben unsere Ahnen die Amaler erhöht? Weil sie das edelste, das älteste, Göttern entstammte Geschlecht waren. Wohlan, das erste Gestirn ist erloschen, gedenkt des zweiten, gedenkt der Balten!»
Von den Balten lebte nur ein männlicher Sproß, ein noch nicht wehrhafter Enkel des Herzogs Pitza – denn Alarich, der Bruder der Herzoge Thulun und Ibba, war seit langen Jahren geächtet und verschollen. – Arahad rechnete sicher, man werde jenen Baltenknaben nicht wählen und vielmehr des dritten Gestirns gedenken. Aber er irrte. Der alte Haduswinth trat zornig vor und schrie:
«Was Adel! Was Geschlecht! Sind wir Adelsknechte oder freie Männer? Beim Donner! Werden wir Ahnen zählen, wenn Belisar im Lande steht? Ich will dir sagen, Knabe, was ein König braucht.
Einen tapferen Arm, das ist wahr, aber nicht das allein. Der König soll ein Hort des Rechts, ein Schirm des Friedens sein, nicht nur der Vorkämpfer im Schwertkampf. Der König soll haben einen immer ruhigen, immer klaren Sinn, wie der blaue Himmel ist, und wie die lichten Sterne sollen darin auf-und niedergehen gerechte Gedanken. Der König soll haben eine stete Kraft, aber noch mehr ein stetes Maß: er soll nie sich selbst verlieren und vergessen in Haß und Liebe, wie wir wohl dürfen, wir unten im Volk. Er soll nicht nur mild sein den Freunden, er soll gerecht sein dem Verhaßtesten, selbst dem Feind. In dessen Brust ein klarer Friede wohnt bei kühnem Mut und edles Maß bei treuer Kraft, – der Mann, Arahad, ist königlich geartet, und hätt’ ihn der letzte Bauer gezeugt.»
Lauter Beifall folgte dem Wort des Alten, und beschämt trat Arahad zurück. Aber jener fuhr fort: «Gute Goten! Ich meine, wir haben einen solchen Mann! Ich will ihn euch nicht nennen: nennt ihr ihn mir.
Ich kam hierher aus fernem Hochgebirg aus unsrer Mark gegen die Karanthanen, wo der wilde Turbidus schäumend die Felsen zerstäubt. Da leb’ ich mehr, als sonst ein Menschenalter ist, stolz, frei, einsam. Wenig erfahr’ ich von der Menschen Händel, selbst von des eignen Volkes Taten, wenn nicht ein Salzroß halbverirrt des Weges kommt. Und doch drang mir bis in jene öde Höhe der Waffenruhm eines vor allen unsern Helden, der nie das Schwert zu ungerechtem Streit erhob und es noch niemals sieglos eingesteckt. Seinen Namen hört’ ich immer wieder, wenn ich fragte: Wer wird uns schirmen, wenn Theoderich schied? Seinen Namen hört’ ich bei jedem Sieg, den wir erfochten, bei jedem weisen Werke des Friedens, das geschehn. Ich hatt’ ihn nie gesehen. Ich sehnte mich danach, ihn zu sehen. Heute hab’ ich ihn gesehen und gehört. Ich habe sein Aug’ gesehen, das klar und milde wie die Sonne. Ich hab’ sein Wort gehört; ich hab’ gehört, wie er dem Feind selbst, dem verhaßten, zu Recht und zu Gerechtigkeit verhalf. Ich hab’ gehört, wie er allein, da uns alle der blinde Haß fortriß mit dunkler Schwinge, klar blieb und ruhig und gerecht. Da dacht’ ich mir in meinem alten Herzen: ‹Der Mann ist königlich geartet, stark im Kampf und gerecht im Frieden, hart wie Stahl und klar wie Gold›. Goten: der Mann soll unser König sein. Nennt mir den Mann!»
«Graf Witichis, ja Witichis, Heil König Witichis!»
Während dieser brausende Jubelruf durch das Gefilde hallte, hatte ein erschütternder Schreck den bescheidenen Mann ergriffen, der gespannt der Rede des Alten gefolgt war und erst ganz zu Ende von der Ahnung ergriffen ward, daß er der so Gepriesene sei.
Als er nun aber seinen Namen in diesem tausendstimmigen Jauchzen erschallen hörte, überkam ihn vor allen andern Gedanken das Gefühl: «Nein, das kann, das soll nicht sein.»
Er riß sich von Teja und Hildebad, die freudig seine Hände drückten, los, und sprang hervor, das Haupt schüttelnd und, wie abwehrend, den Arm ausstreckend. «Nein!» rief er, «nein, Freunde! Nicht das mir! Ich bin ein schlichter Kriegsmann, nicht ein König. Ich bin vielleicht ein gutes Werkzeug, kein Werkmeister! Wählt einen andern, einen Würdigeren!»
Und wie bittend streckte er beide Hände gegen das Volk.
Aber der donnernde Ruf: «Heil König Witichis!» ward ihm statt aller Antwort. Und nun trat der alte Hildebrand vor, faßte seine Hand und sprach laut: «Laß ab, Witichis! Wer war es, der zuerst geschworen, unweigerlich den König anzuerkennen, der auch nur eine Stimme mehr hätte? Siehe, du hast alle Stimmen und willst dich wehren?»
Aber Witichis schüttelte das Haupt und preßte die Hand vor die Stirn. Da trat der Alte ganz nahe zu ihm und flüsterte in sein Ohr: «Wie? Muß ich dich stärker mahnen? Muß ich dich mahnen jenes mächtigen Eides und Bundes, da du gelobtest: ‹Alles zu meines Volkes Heil.› Ich weiß, – ich kenne deine klare Seele, –: dir ist die Krone mehr eine Last als eine Zierde: ich ahne, daß dir diese Krone große, bittre Schmerzen bringen wird. Vielleicht mehr als Freuden; deshalb fordre ich, daß du sie auf dich nimmst.»
Witichis schwieg und drückte noch die andre Hand vor die Augen. Schon viel zu lang währte dem begeisterten Volk das Zwischenspiel. Schon rüsteten sie den breiten Schild, ihn darauf zu erheben, schon drängten sie den Hügel hinan, seine Hand zu fassen: und fast ungeduldig scholl aufs neue der Ruf: «Heil König Witichis.»
«Ich fordre es bei deinem Bluteid! – Willst du ihn halten oder brechen?» flüsterte Hildebrand. «Halten!» sprach Witichis und richtete sich entschlossen auf.
Und nun trat er, ohne falsche Scham und ohne Eitelkeit, einen Schritt vor und sprach: «Du hast gewählt, mein Volk, wohlan, so nimm mich hin. Ich will dein König sein!»
Da blitzten alle Schwerter in die Luft, und lauter scholl’s: «Heil König Witichis!»
Jetzt stieg der alte Hildebrand ganz herab von seinem Dingstuhl und sprach: «Ich weiche nun von diesem hohen Stuhl! Denn unserm König ziemt jetzt diese Stätte. Nur einmal noch laß mich des Grafenamtes walten.
Und kann ich dir nicht den Purpur umhängen, den die Amaler getragen, und ihr goldenes Zepter reichen, – nimm meinen Richtermantel und den Richterstab als Zepter, zum Zeichen, daß du unser König wardst um deiner Gerechtigkeit willen. Ich kann sie nicht auf deine Stirne drücken, die alte Gotenkrone, Theoderichs goldnen Reif. So laß dich krönen mit dem frischen Laub der Eiche, der du an Kraft und Treue gleichst.»
Mit diesen Worten brach er