Wiener Wohnwunder. Anatol Vitouch

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Название Wiener Wohnwunder
Автор произведения Anatol Vitouch
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783710604997



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      Und hilft das?

      „Manchmal.“

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       KURT-HELLER-HOF

       Engerthstraße 249–253

       1020 Wien

       Errichtet 1981–1983

       272 Wohnungen

       Geplant von Carl A. J. Hala, Adolf Hoch, Karl Leber, Heinrich Matha

      Dass auch Kinder von den Angstmacher-Kampagnen der Boulevardmedien nicht unbeeindruckt bleiben, zeigt dann die Antwort eines eigentlich sehr lebensfroh und gut gelaunt wirkenden jungen Mädchens:

      „Es gibt ja viele Entführer hier und deshalb nehm ich zur Sicherheit immer mein Handy mit, falls was passiert. Das steht nämlich in der Zeitung, das mit den Entführern.“

      Zum Glück spielen im Alltag der Kinder von der Engerthstraße andere Dinge eine größere Rolle, beispielsweise das Thema Haustiere: Kathi zum Beispiel hat eine Katze, darf sie aber nicht mit in den Hof nehmen, damit sie nicht abhaut. Und natürlich können auch Haustiere Probleme machen:

      „Wir haben zwei Papageien. Ein grünes Mädchen und einen blauen Jungen. Das Mädchen is so eine Zicke.“

      „Wir haben zwei Aquarien zu Hause. Leider haben früher die großen Fische die kleinen gefressen, drum haben wir jetzt eben zwei Aquarien.“

      „Bei mir zu Hause ist alles zerkratzt von unserer Katze. Wenn wir essen, attackiert sie auch unser Essen. Wir haben sie mit zehn Tagen gekriegt, jetzt ist sie elf Wochen alt.“

      Und die Nachbarn im Gemeindebau?

      „Die sind eh nett. Eine Oma, die wohnt über uns und ist richtig nett. Wir kennen sie nicht so gut, aber sie ist sehr nett.“

      „Unter uns wohnt eine Oma, die ist ziemlich alt, aber sehr nett, die gibt mir immer Süßigkeiten.“

      Lauter nette Omas im Gemeindebau? Fast. „Dafür haben wir eine unter uns, die ist ganz fies. Die kommt sich immer beschweren, und ihre letzte Beschwerde hat fünf Stunden gedauert.“

      Bei der Frage nach seinem Lieblingsort muss ein kleiner Bub nicht lange nachdenken:

      „In meiner Wohnung ist mein Bett das Schönste.“

      Dann ist aber langsam genug gefragt worden, ein Mädchen unterbricht das Interview höflich, aber sichtbar ungeduldig:

      „Ich will sagen: Wann macht ihr denn Spaß? Ich würde nämlich gern in den Prater gehen.“

      Prater ist nicht geplant (obwohl er ganz nah wäre), aber ja, auch Spaß muss sein, deshalb erzählen die Kinder ein paar Witze. Zum Beispiel den von der Schnecke auf der Straße, zu der die andere Schnecke sagt …, aber lassen wir das.

      Am Ende wird es noch einmal ernsthaft, auch das haben die Kinder von der Engerthstraße nämlich drauf:

      „Ich möchte, dass jeder viel Gemüse isst, damit wir alle gesund bleiben.“

      „Und ich hoffe, dass es den Gemeindebau, so wie er jetzt ist, auch in der Zukunft geben wird.“

      Da soll noch einer sagen, die junge Generation weiß nicht zu schätzen, was sie hat.

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       „Die Kinder im Park sind echt nett zueinander.“

       BOHMANNHOF

       350 Mal Willkommen

      Würde man schreiben, dass es seit 2010 im Bohmannhof in der Donaustadt einen Hobbyraum gibt, dann wäre das vor allem eines: eine groteske Untertreibung. Denn wenn man Frau Kornelia Schrammel – Mieterin in der Melangasse und zwei Funktionsperioden lang auch Mieterbeirätin – nur ein wenig zuhört, wie sie von ihrem Engagement erzählt, dann versteht man: Frau Schrammel hat einen Raum genommen, ihn mit Leben gefüllt und ihr Wohnhaus damit nachhaltig verändert.

      „2008 bin ich dem Mieterbeirat beigetreten und bin natürlich emsig gewesen. Damals bin ich auf diesen Gemeinschaftsraum gestoßen, der wirklich zugemüllt war, jeder hat da seinen Mist entsorgt. Ich hab dann mit Wiener Wohnen gesprochen und gebeten, dass ich den Raum haben kann. Dann ist das entrümpelt und sauber gemacht worden und ich bin Wiener Wohnen wirklich dankbar dafür, weil ich ausprobieren wollte, ob ich das schaffe, die Mieter an einen Tisch zu bekommen. Da wir ja mittlerweile alle Nationen im Haus haben, ist das natürlich ein bisschen schwierig. Für mich gibt’s aber keine Ausländer, für mich sind das alles einfach Menschen.“

      Frau Schrammel schaffte es – und noch einiges mehr: „2010 hab ich hier notdürftig eröffnet, mit einem Tapezierertisch, wo ich ein bissl was zum Essen aufgetischt hab. Und so ist das dann immer mehr geworden: Weihnachtsveranstaltungen, Basteleien, Faschingsfeste für die Kinder et cetera. wohnpartner is mir dabei eine große Hilfe gewesen, ansonsten hab ich das alles alleine gemacht. Ich bin halt so gestrickt, dass mir immer wieder was einfällt, und ich versuch über die Kinder die Erwachsenen zu mobilisieren, weil nur so geht es.“ Natürlich stellte und stellt Frau Schrammel den Raum auch anderen Mieterinnen und Mietern zur Verfügung:

      „Im ganzen Haus haben die Mieter die Möglichkeit, den Raum zu nutzen, zum Beispiel für Geburtstagsfeiern, dafür holen sie von mir den Schlüssel. Sie dürfen alles benutzen, und wenn sie mit Feiern und Saubermachen fertig sind, bekomm ich den Schlüssel wieder zurück. Die Kinder, mit denen ich hier, wie sie klein waren, Feste gemacht hab, die sind jetzt schon 14, 15 Jahre alt. Es is irre, ich weiß nicht, wo die Zeit hingerannt ist“, sagt die engagierte Mieterin wehmütig und ist doch hörbar glücklich über das, was ihr in den letzten Jahren hier gelungen ist. „Aber heuer hab ich auch noch einiges vor, der Erste-Hilfe-Kurs, der hier vom sozialmedizinischen Dienst durchgeführt wurde, war ein toller Erfolg, und die Polizei hätt ich auch gern da, die Feuerwehr, die MA 48 – das is halt alles Arbeit und das dauert, bis man’s organisiert. Auch zu Halloween wollen die Kinder wieder eine gute Kürbissuppe von mir haben, und zu Weihnachten hab ich vor, mit den Kindern Bastelarbeiten zu machen und einen Christbaum damit zu schmücken. Und dann würd ich von den Erwachsenen gerne Spenden für die Stiftung Kindertraum sammeln, das ist mir ein Herzenswunsch, weil man da schwerkranke Kinder unterstützt.“

      Auch bei der Aktion „Willkommen Nachbar“ war und ist die rührige Donaustädterin aktiv, denn: „Das hat mich sofort interessiert, ich hab Brot und Salz mitgenommen, mit wohnpartner gemeinsam hab ich die Mappe mit wichtigen Dokumenten für die Neuzuzüge befüllt. Wenn ich davon red, dann krieg ich eine Gänsehaut, weil mir das so wichtig ist.“

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       Kornelia Schrammel ist immer im Einsatz für die Nachbarschaft

       „Wenn ich davon red, dann krieg ich eine Gänsehaut, weil mir das so wichtig ist.“

      Unglaubliche 350 Familien hat Frau Schrammel nämlich schon begrüßt, die ihre ungebrochene Begeisterung für