Название | Globetrotter-Spirit: Reisen als Lebensschule |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Книги о Путешествиях |
Серия | |
Издательство | Книги о Путешествиях |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783280090794 |
Andere suchen Sponsoren für einen besonders ausgeklügelten Trip, oder sie singen sich durch die Welt.
Auf der Suche nach einem Weg
Die Idee, nach der Weltreise wieder in der Schweiz ansässig zu werden, war bedrückend. Doch wenn schon Schweiz, dann sollte es wenigstens eine andere sein. Ich suchte einen Teilzeitjob im Welschland. Die Buchhalterin der Firma interessierte sich für meine Reiseerzählungen und fing an, eine eigene Reise zu planen. Ich warnte sie, Reisen kann das Leben unwiderruflich verändern. Sie lachte nur. Ein Jahr später kam sie aus Lateinamerika zurück, machte so schnell sie konnte so viel Geld wie möglich – und rauschte wieder ab nach Brasilien, um dort ihren Lover zu heiraten.
Währenddessen begann ich zu schreiben, Texte zu verschicken und weiterzuschreiben – bis nach elend langer Zeit ein erster einseitiger Reisebericht in der Tagespresse stand. Kurzreisen in Europa, in die USA und nach Lateinamerika besänftigten zwischenzeitliches Fernweh. Irgendwann kam der Auftrag, einen Reiseführer über die kanarische Insel Gomera zu überarbeiten, und dann sollte ich selbst einen ersten Führer über Amsterdam schreiben.
Amsterdam hätte ich ohne die dort ansässige Annette nie geschafft. Wir hatten uns auf den Philippinen kennengelernt und zurück in Europa bald gegenseitig besucht.
Auch andere Reisebekanntschaften haben sich zu langjährigen Freundschaften entwickelt. Manchmal sind Begegnungen auf Reisen auch nur kurz und intensiv, geprägt durch eine Offenheit, die vom Gefühl des Unterwegsseins gefördert wird. Freundschaften sind es, die Heimweh am intensivsten fördern. Allerdings kann man Freunde überall auf der Welt gewinnen und Heimweh nach jedem Ort entwickeln, mit dem man vertraut ist und Freundschaften assoziiert.
Vier Jahre nach Ende der Weltreise wagte ich den Schritt zum professionellen Globetrotter, zur vollberuflichen Autorin und Fotografin. Für mich war es eine perfekte Art, mein Leben zu organisieren und mich intensiv mit den besuchten Orten auseinanderzusetzen. Als ich den Hausrat in Kisten packte und einlagerte, war mir allerdings nicht bewusst, dass es sieben Jahre dauern würde, bis ich die Kisten wieder abholte. Neue Aufträge, neue Reisen folgten. Mit jeder Reise machte sich die Vernetzung der Welt stärker bemerkbar: In Mysore besuchte ich eine indische Nonne, die mir in Belize begegnet war. Auf Ibiza halfen mir Leute, die ich aus Goa kannte. In Bali traf ich Bekannte aus Amsterdam. In England besuchte ich die Reisebegleiterin von Australien.
Eine vernetzte Welt
Auf Madagaskar war die Mehrheit der Bevölkerung einst mit Segelbooten aus Südostasien eingewandert. In Guatemala lässt sich der spanische Einfluss nach wie vor nicht übersehen. In Kuba häuften sich kurz nach dem Fall der Berliner Mauer Berge von Orangen; in den Jahren zuvor waren Orangen schiffsladungenweise in die damalige DDR verschifft worden. Die Welt ist vernetzt, das war sie schon vor der Erfindung von Internet und Globalisierung, nicht bloss auf wirtschaftlicher und politischer Ebene.
Mit der Zeit war es normal, immer wieder die Posten auf meiner Packliste abzuhaken, in fremden Betten zu schlafen, Toilettenringe zu reinigen, bevor ich mich draufsetzte, Situationen zu erleben, die im Voraus nicht abzuschätzen waren, Gelassenheit zu entwickeln, die Dinge so zu nehmen, wie sie sich nun mal präsentieren. Die Motivation zum Reisen entwickelte sich von der ursprünglichen Neugier auf die Welt über den Wunsch, möglichst viel von ihr zu begreifen und die Aussöhnung mit ihren Stärken und Schwächen bis hin zu einer Dankbarkeit für das, was ich leben darf, und zu einer Ruhe, die von äusseren Umständen gefördert, aber nur in sich selbst zu finden ist.
Die Natur spielt dabei eine tragende Rolle. Ob in den Schweizer AIpen oder im südamerikanischen Regenwald, wer sich die Musse gönnt, Natur zu erleben, wer auch zulässt, immer wieder mit den Seelen anderer Menschen zu verschmelzen, der verspürt das Einssein in allem, und dies ist der Beginn der Ankunft bei sich selbst. Die Erkenntnis braucht nicht weltreisend zu entstehen, aber Weltreisen können sie wesentlich fördern.
Fester Boden unter den Füssen
Wo aber soll der Globetrotter, die Globetrotterin schliesslich leben? Die Wurzeln der Heimat bleiben. «Where are you from?» ist eine der Standardfragen unterwegs. Und auf die Antwort folgt immer das, was gerade international das Image der Heimat prägt. Ich war tief betroffen, als ich spürte, dass mir allein schon der Gedanke an eine nächste Reise Unbehagen bereitete und mir vor der Idee graute, mich wieder allem Möglichen auszusetzen. Die letzte Reise war eine Katastrophe: Am Strand dachte ich, na ja, ich sah schon bessere Strände. Bei den Eingeborenen fand ich, die leben ja gleich wie auf jedem Kontinent. Vieles bleibt auch fremd und unbegreiflich, trotz Bemühen um Verständnis.
Schnitt. Ich wusste nicht mehr, was alles in der Möbelhalle eingelagert war, als ich die Wohnung bezog und die Kisten abholte. Die Wohnung liegt in der Schweiz, denn als Schweizer Bürgerin bleibt derzeit nur die Schweiz, wenn ich ohne grossen Aufwand legal leben will. Es spielt für mich keine wesentliche Rolle mehr, wo ich mich aufhalte. Doch das eigene Bett, ein Küchenschrank, in dem lagert, was der Gaumen mag, und ein Badezimmer, in dem nur vertraute Haare herumliegen, das vermittelt auch einer Globetrotterin Hochgefühle. Dennoch muss ich gestehen, dass mich der finanzielle Aufwand, der in der Schweiz notwendig ist, um nur die bescheidensten Bedürfnisse decken zu können, immer mal wieder nervt.
Während fast zwei Jahren bewegte ich mich kaum, fühlte mich schon gestresst, wenn ich bloss die Bahn nehmen sollte, um Freunde zu besuchen. Alte Freundschaften hatten sich über all die Jahre gehalten, obwohl ich meistens unterwegs war, wenn die Freunde mich brauchten, und ich auf fremde Leute angewiesen war, wenn Hilfe nötig war. Phänomenal daran ist, dass es auf der ganzen Welt immer und überall Menschen gibt, die bereit sind, sich ohne eigene Ansprüche für andere einzusetzen.
Nun sitze ich entspannt in meinem Arbeitszimmer, werde gleich nachher was in die Pfanne hauen, in zwei Tagen Freunde in Berlin besuchen und kurz darauf mit einer Freundin nach Kalifornien jetten. Seit einiger Zeit pumpt das Globetrotterblut wieder, unverhofft und erfreulicherweise. Aber mittlerweile habe ich ein Nest, in das ich zurückkehren kann, und ich habe ein Innenleben, in das ich ortsunabhängig eintauche. Ich habe Wertschätzung für das Weltentheater entwickelt, aber die Sucht danach abgelegt. Die Erde ist mein Wohnort, dem ich auf meine Art auch Beistand leiste. Die Heimat liegt jedoch in der Seele, und deren Reisen sind grenzenlos.
Warum, in aller Welt, reisen wir in alle Welt?
Von Üsé Meyer
Jährlich verlassen Hunderttausende fluchtartig die Schweiz. Weg von hier, einfach mal raus – endlich Ferien. Weltweit überqueren jedes Jahr 635 Millionen Menschen eine internationale Grenze – Tendenz steigend. Die Ursachen des Reisefiebers sind vielfältig. Sei es, weil wir den Alltag nicht mehr ertragen, weil wir auf der Suche nach uns selbst sind, oder einfach, weil es cool ist zu reisen.
Das fängt ja gut an. Eben angekommen und schon beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Ich habe Angst. Es ist Nacht, 2.30 Uhr. Der Taxifahrer, der mich vom Flughafen Bombay in mein Hotel bringen sollte, stoppt und lässt zwei Männer einsteigen. Freunde des Fahrers, wie ich merke. Die Begleiter machen mich stutzig. Woher ich komme und wohin ich in Indien gehen will, fragen sie mich. Ich gebe mich so locker wie möglich. Vorsichtshalber lasse ich einfliessen, dass ich nur sehr wenig Geld hätte und darum auch nicht wüsste, wie lange ich noch unterwegs sein könne. Vier Minuten später biegt der Taxifahrer ab und fährt seinen Wagen in einen unbeleuchteten, heruntergekommenen Hinterhof. Kein Hotel in Sicht.
Noch vor zehn Stunden befand ich mich in einem unbequemen Flugzeugsessel über dem europäischen Kontinent. Auf 11000 Metern Höhe raste ich mit einer Geschwindigkeit von 1034 Kilometern pro Stunde auf mein Ziel zu: Bombay, Indien. Ich lese