Название | Globetrotter-Spirit: Reisen als Lebensschule |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Книги о Путешествиях |
Серия | |
Издательство | Книги о Путешествиях |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783280090794 |
Allein reisen hat auch Vorteile
Viele Frauen reisen gerne zu zweit oder zu dritt oder mit einem Partner. Aber bereits zwei Personen bilden eine kleine Insel im Strom des Fremden und Neuartigen, das man eigentlich entdecken möchte. Sobald ich einen Reisebegleiter habe, konzentriere ich mich automatisch mehr auf diesen. Wenn ich aber allein unterwegs bin, sind einheimische Menschen viel zugänglicher, und Kontakte kommen eher zustande. Nur so habe ich das Gefühl, mittendrin zu sein im pulsierenden Treiben der anderen Welt.
Ich machte auch die Erfahrung, dass der allein reisenden Frau im Allgemeinen viel mehr Hilfsbereitschaft zuteil wird und sie weniger Misstrauen erntet als allein reisende Männer. Vor allem zu Frauen und Kindern bekommt sie leichter Zugang. Wo herkömmliche Gesetze noch gelten, sieht sich der Mann stets als ritterlicher Beschützer. Mit dieser Mann-Rolle sah ich mich viel öfter konfrontiert als mit sexuellen Belästigungen.
Was mich auf Reisen besonders fasziniert, ist die Verständigung mit Menschen, die eine andere Sprache sprechen. Da man sich dann mit Worten schwertut, kommt die Körpersprache zum Ausdruck, und die scheint mir ehrlicher als Worte zu sein, die oft verschleiern oder von der wahren Aussage ablenken. Dagegen täuschen die Signale des Körpers kaum.
Von Vorteil war es manchmal, in entlegenen Regionen als weisse Frau ganz allein aufzutauchen. Das überraschte und dämpfte jeden Argwohn. Besonders leicht hat man es in Regionen, wo die Frau innerhalb ihrer Gesellschaft eine starke Rolle einnimmt, wie zum Beispiel in Westafrika oder in der malayischen/indonesischen Inselwelt, wo trotz der islamischen Übertünchung die Frau traditionsgemäss grossen Freiraum hat. Bei den Minangkabau in Sumatra, die eigentlich als strenggläubige Muslime gelten, besteht sogar noch eine altüberlieferte matriarchale Gesellschaftsform.
Frauen, die sich nicht trauen, allein zu reisen und zu Hause keinen Reisepartner finden, werden entlang der Reiserouten mit anderen Reisenden zusammenkommen. Es ist von grossem Vorteil, sich unterwegs und nur streckenweise einem anderen anzuschliessen, da man so an diesen nicht gebunden ist und sich jederzeit wieder trennen kann. Und vielleicht entdeckt die anfangs ängstliche Frau schneller als sie denkt, dass es gar nicht so schwer und gefährlich ist, allein zu reisen.
Gefahren minimieren
Dass Reisen gefahrlos ist, wird allerdings niemand behaupten. Aber mit etwas Um- und Vorsicht kann man Risiken entsprechend einschränken. Es lässt sich lernen, mit der Gefahr bewusst umzugehen. Dazu braucht man nur Augen und Ohren offenzuhalten und auf seine innere Stimme zu hören. Wer jedoch vor lauter Angst sich innerlich verkrampft, wird wenig Freude in fernen Ländern haben, wird nicht das Schöne und Tiefgehende wahrnehmen und nicht teilhaben an den reichhaltigen Geschenken, die das Reisen bereithält.
Was sich oft bewahrheitet ist: Wer seine Gedanken auf Gefahr konzentriert, zieht sie an. Reisende, die bereits von vorherein wissen, dass sie vom ungewohnten Essen krank werden, müssen sich nicht über Dauerdurchfall wundern.
Um mir auf Reisen ein gewisses Mass an Wohlbefinden zu bewahren, habe ich mir angewöhnt, Disziplin einzuhalten. Ein Wort, das ich früher nicht mochte, da ich es mit festen Normen, Zwang und persönlicher Einengung in Bezug setzte. Aber Selbstdisziplin ist auf Fernreisen als Selbstschutz unbedingt notwendig. Das betrifft vor allem das Trinkwasser, die Körperpflege und dass ich in bestimmten Regionen auf Obst, das ich nicht schälen kann, auf rohen Salat oder Eiscreme verzichte. Als ich noch mit Selbstdisziplin auf Kriegsfuss stand und in Indien grünem Salat nicht widerstehen konnte, handelte ich mir einen halbmeterlangen Spulwurm ein, und durch Barfusslaufen holte ich mir einen Hakenwurm.
Reisenden ist es oft unangenehm, dass sie vielerorts unverhohlene Neugier wecken. Das tut zwar nicht weh, kann aber die Nerven strapazieren. Als Fremder angestarrt zu werden, lässt sich nicht vermeiden, da man eine andere Hautfarbe hat, sich anders bewegt und verhält, anders spricht. Genug Gründe, um interessant zu sein, vor allem an Orten, wo der Alltag in einem steten Gleichmass abläuft. Ein freundliches Lächeln oder ein paar Worte in der Lokalsprache bewirken oft kleine Wunder und sind fähig, Brücken zu bauen.
Wichtig ist immer, selbstsicher, aber nicht überheblich aufzutreten. Menschen, deren natürliches Gespür noch nicht durch zivilisatorische Einflüsse beeinträchtigt ist, erkennen jede kleinste Unsicherheit, was mitunter ausgenutzt werden könnte. Sie fühlen aber auch jede arrogante Regung und gehen dann sofort auf Distanz. Wer sich Respekt verschaffen kann (damit ist nicht Kolonialherrengehabe gemeint), wird nicht so schnell übervorteilt werden.
Weitverbreitete Arroganz und Ignoranz
Wie mir fremde Menschen begegnen, hängt vor allem davon ab, wie ich mich ihnen gegenüber verhalte. Bin ich offen, darf ich Offenheit erwarten. Gehe ich mit anderen rücksichtslos um, darf ich nicht auf Schonung bauen. Auf Reisen gilt die alte Faustregel: «Wie ich dir, so du mir.»
Im Allgemeinen erfährt der Reisende grosses Entgegenkommen und unglaubliche Hilfsbereitschaft. War ich gelegentlich krank oder hatte ich andere Probleme, erfuhr ich immer unwahrscheinlich viel Sorgebereitschaft, Unterstützung und Anteilnahme von Menschen, die mir völlig fremd waren. Überwältigend ist die grosse Gastfreundschaft, die einem unterwegs begegnet. Erhält man von Einheimischen ein Dach über den Kopf, sollte es selbstverständlich sein, mindestens seinen Anteil an Lebensunterhaltungskosten beizusteuern. Die oft sehr einfach lebenden Menschen freuen sich über kleine Gastgeschenke. Protzige Geschenke dagegen verunsichern.
In nicht westlichen Ländern ist die Einstellung zu Gott und zur geistigen Welt eine ganz andere als bei uns. Religiöses Empfinden ist ein untrennbarer Teil des Alltags. Wer glaubt, darüber spotten oder Gläubige von einer sachlichen Lebensauffassung überzeugen zu müssen, sollte erst einmal sein eigenes Weltbild hinterfragen. Bereiste umerziehen zu wollen, hat nichts mit Aufklärung zu tun, sondern mit Arroganz und Ignoranz.
Spannungen können auftreten, wenn ich als Besucher erwarte, dass sich alles nach meinen persönlichen Ansichten und Ansprüchen dreht. Je mehr ich mich dagegen auf örtliche Gegebenheiten, Sitten und Bräuche einstelle, umso leichter habe ich es. Das hat nichts damit zu tun, dass ich meine geistigen Interessen anpassen muss, sondern mit Rücksichtnahme gegenüber der Bevölkerung, deren Gast ich bin.
Eine allein reisende Frau, die nachts allein durch dunkle Strassen oder über einsame Strände geht, fordert die Gefahr geradezu heraus. Vorsicht ist auch an entlegenen Grenzübergängen angesagt. Polizei und Beamtenkontrollen können aufreibende Minuten oder gar Stunden bescheren. Aufpassen heisst es ebenfalls vor Schmalbudget-Touristen in Billigabsteigen, wo mitunter rücksichtslos gestohlen wird.
Wo noch alte Traditionen gelten, wird im Allgemeinen auf Ehrlichkeit grösster Wert gelegt. Acht geben heisst es dagegen während Zug-, Bus- und Schifffahrten, in Hafengeländen und auf Bahnhöfen. Diebe, oft entwurzelte Jugendliche, sind gelegentlich spezialisiert im Aufschlitzen von Umhängetaschen und Rucksäcken. Ich habe mir angewöhnt, Wertsachen in innen eingenähten Taschen zu tragen, was sich so manches Mal bewährt hat.
Eigene Verhaltensmuster überdenken
Auf grosses Unverständnis wird man stossen, wenn man nach westlicher Manier Zorn oder Ungeduld zeigt. Unbeherrschtes Aus-der-Haut-Fahren beeindruckt niemanden in Ländern, wo Leistungs- und Zeitdruck noch weitgehend fremd sind und Höflichkeit eine der wichtigsten Lebensregeln ist.
Mit etwas Selbstvertrauen, einem bewussten Optimismus und einem gewissen Feeling vermag die allein reisende Frau Gefahrenquellen zu mildern oder zu vermeiden. Mit der Zeit hilft auch die Routine, um mit bestimmten, wiederkehrenden Situationen besser umzugehen.