Название | Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Dr. Norden Bestseller Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740937553 |
»Und es wird immer einen neuen Tag geben, Matthias«, flüsterte Astrid.
*
Es war sechs Uhr, als Dr. Gordon Matthias Hollenberg zu sich holen ließ. Er hatte nur ein paar Stunden geschlafen, aber das sah man ihm nicht an. Er war ganz konzentriert.
»Es ist besser, wenn Sie jetzt heimfahren, Herr Hollenberg«, sagte Dr. Gordon. »Die Vorbereitung für die Operation wird gleich beginnen.«
Matthias sah ihn an. »Welche Chance hat meine Frau?«, fragte er.
»Alle – oder keine. Es wäre sinnlos, Ihnen dies zu verschweigen. Ich kenne das Risiko.«
»Aber eine Operation ist unvermeidlich. Sie verantworten das?«
»Ja, Ihre Frau würde qualvoll sterben, wenn sie nicht operiert würde. Ich fühle mich verpflichtet, den Angehörigen nichts zu verschweigen. Gerade in meinem Fach wäre das unverantwortlich. Glauben Sie mir bitte, dass es mir lieber wäre, wenn es Medikamente gäbe, die heilen könnten, aber die gibt es nicht. Parasiten müssen vernichtet werden.«
Matthias Hollenberg maß den jungen Arzt mit einem langen Blick. »Sie sprechen von Parasiten«, sagte er nachdenklich.
»Ich bezeichne solche Geschwülste so. Sie sind anscheinend harmlos und strecken doch tausend Fühler aus, um die Kraft eines Menschen aufzuzehren. Es ist schwer, sie frühzeitig zu erkennen.«
Genau wie die Parasiten in unserer menschlichen Gesellschaft, dachte er für sich weiter. Und seltsamerweise dachte Matthias Hollenberg das Gleiche.
Wie sie gestern alle getuschelt hatten, wie sensationslüstern sie alle schauten. Ihm rieselte es kalt den Rücken herunter.
»Ich würde Ihnen empfehlen, ein Taxi zu nehmen, Herr Hollenberg«, sagte Michael Gordon ruhig.
»Ja, das werde ich tun. Sie werden mich sofort benachrichtigen, wenn Sie die Operation beendet haben?«
»Ja, gewiss«, erwiderte Dr. Gordon geistesabwesend.
Wenig später stand er am Bett der Kranken.
»Ist es soweit?«, fragte Astrid.
Er nickte und dachte, dass dies die Mutter jenes bezaubernden Mädchens war, das er nie vergessen hatte, dessen Bild er nicht aus seiner Erinnerung verbannen konnte.
Sie streckte ihm ihre feine, zarte Hand entgegen, die er verwundert ergriff.
»Wenn ich nicht aufwachen sollte, sagen Sie meinem Mann und meinen Kindern, dass sie mir alles bedeuteten und ich nichts mehr wünsche, als dass sie glücklich sein sollen.«
Die Kehle wurde ihm eng. Er schluckte schwer. »Ich hoffe, dass Sie noch lange mit ihnen glücklich sein werden.«
»Was wissen wir schon, Dr. Gordon? Wir werden geboren und müssen sterben, nur das ist gewiss. Wann wir sterben müssen, liegt bei einer höheren Macht. Ich bin bereit.«
Zum Sterben, dachte er, und lehnte sich dagegen auf. Er würde um ihr Leben ringen, wie um jedes Leben, das ihm anvertraut wurde.
Er sah wieder in ihr schönes Gesicht. Ja, jetzt war es trotz der Leidenslinien wieder so schön wie früher. Einmal würde ihre Tochter wohl auch so aussehen.
»Wie lange wird es dauern?«, fragte Astrid, und er konnte sich nur noch wundern, wie ruhig ihre Stimme klang.
»Das lässt sich nicht voraussagen.«
Die Injektionsnadel glitt schon in ihre Armvene. Sie würde nichts spüren. Sie würde jetzt einschlafen. Sie spürte es schon. Und wenn es dann kein Erwachen gab, wie würde dann diesem Mann zumute sein, dessen Gesicht nun schon vor ihren Augen verschwamm?
Wie ihm zumute war, sah ihm niemand an, aber niemand wagte ihn anzusprechen, Dr. Cornelia Kuhlmann ausgenommen.
»Sie haben mir schon Arbeit abgenommen«, sagte sie. Ihre helle Stimme tat ihm weh.
»Sie werden alle Aufmerksamkeit benötigen«, erklärte er.
Größtmögliche Aufmerksamkeit wurde auch ihm abverlangt. Er stand am Operationstisch. Er vermeinte Trixis Stimme zu hören: »So helfen Sie doch!« Das hatte sie in der Nacht immer wieder gesagt.
Unzählige Male hatte er das Skalpell schon in der Hand gehalten, aber heute war es ihm, als ginge es um sein Leben. Nur diesem Mädchen nicht sagen müssen, dass ihre Mutter gestorben sei, nur das nicht!
Man ließ ihn nicht aus den Augen. Mit traumwandlerischer Sicherheit vollführte er den ersten Schnitt, dann die anderen, notwendigen, wissend, dass der Bruchteil eines Millimeters schon den Tod bringen konnte, den er doch verbannen wollte.
Lautlose Stille war um ihn herum, nur ab und zu vernahm er einen schweren Atemzug.
Dr. Daniel Norden hatte am Samstag keine Sprechstunde. Er musste nur einige Krankenbesuche machen. Doch seine Gedanken waren in der Klinik. Er hatte dort angerufen und erfahren, dass Frau Hollenberg operiert wurde.
Michael hatte es also gewagt! Er bewunderte den Kollegen, dass er sich ohne zu zögern an dieses Wagnis machte.
Er fuhr von Patient zu Patient und hatte völlig vergessen, dass Fee heute kommen wollte. Seine geliebte, so sehr vermisste Fee!
Gegen elf Uhr kam er wieder heim. Und Fee war schon da.Verwirrt sah er sie an, als sie ihm die Tür öffnete.
»Na, du hast wohl ganz vergessen, dass ich komme?«, fragte sie mit leiser Eifersucht. »Oder war die Party so feucht, dass du noch gar nicht ganz da bist?«
Lenchen hatte natürlich geschwatzt. Sie konnte es doch nicht lassen. Übelnehmen konnte man es der guten Alten nicht, denn sie hatte eben ihre eigenen Moralbegriffe. Es gehörte sich eben nicht, dass er ohne Fee Partys besuchte. Damit fügte er ihr eine persönliche Kränkung zu.
»Eine feine Party«, sagte er. »Der Tod war zu Gast.«
Erschrocken sah ihn Fee an. »Mein Gott, das konnte ich nicht wissen. Lenchen hat nur so eine Andeutung gemacht.«
Daniel küsste seine Verlobte erst einmal ausgiebig. Jetzt war er glücklich, dass sie bei ihm war, ihn nicht allein ließ mit seinen schweren Gedanken. Felicitas Cornelius war auch Ärztin. Sie verstand ihn, wenn er sich Sorgen um Patienten machte.
Daniel erzählte ihr, was vorgefallen war. Schweigend hörte sie ihm zu.
»Schlimm«, sagte sie, »schlimm aber auch, wenn das nächste Unglück über die Familie hereinbricht.«
»Welches Unglück?«, fragte Daniel verblüfft.
»Bruggers Liquidität ist in Frage gestellt. Ernsthaft! Zufällig weiß ich das.«
»Woher?«
»Von einem Patienten, den wir vor zwei Tagen vor einem Nervenzusammenbruch bewahrt haben, weil er Riesengeschäfte mit Brugger gemacht hat.«
»August Brugger? Kein Irrtum?«
»Kein Irrtum. In der Branche gibt es nur den einen Brugger. Hoffentlich ist nicht auch Hollenbergs Bank darin verwickelt.«
»Gestern sahen die Bruggers noch nicht so aus, als ob sie Sorgen hätten«, sagte Daniel geistesabwesend.
»Da sollte ja auch ein Lebensbund mit einer sehr seriösen Bank geschlossen werden«, spottete Fee. »Ausgerechnet Rolf Brugger. Konnte sich dieses Mädchen keinen andern aussuchen? Das war doch schon zu meiner Zeit ein Filou, und mit sechsundzwanzig scheint er sich noch nicht geändert zu haben.«
»Du kennst ihn?«, fragte Daniel, nun seinerseits eifersüchtig.
»Wer kannte ihn nicht. Er ist jedem hübschen Mädchen nachgestiegen, und zu den Hässlichen gehöre ich wohl nicht.«
Gewiss nicht. Fee war eine Schönheit. Nicht eine Dutzendschönheit, sondern eine von ganz besonderem apartem Reiz. Nichts Gekünsteltes war an ihr. Nicht einmal das herrliche silberblonde Haar bedurfte der Nachhilfe.