Название | Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Dr. Norden Bestseller Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740937553 |
Dass Oberschwester Ursula es auf Professor Albrecht abgesehen hatte, wusste jeder. Es gab auch andere, die es auf ihn abgesehen hatten. Dr. Schilling wusste aber auch, dass es den Chef gar nicht berührte. Er lebte nur für seinen Jungen, und der sollte in den Unfall verwickelt sein.
Dr. Schilling bewunderte seinen Chef, von dem er viel gelernt hatte. Ja, in manchen Augenblicken wurde die Bewunderung sogar zur Verehrung, denn Martin Albrecht gehörte nicht zu jenen Chefärzten, die die Honorare der Privatpatienten für sich scheffelten. Man tuschelte jedoch, dass er dies nicht nötig hätte, weil er sehr vermögend sei. Wie dem auch sein mochte, Dr. Bernd Schilling hat den Chefarzt nicht nur als ganz großen Mediziner kennengelernt, sondern auch als Mensch voller innerer Werte.
Dr. Schilling betrachtete die Patientin, deren blasses Gesicht von dem wundervollen goldbraunen Haar umgeben war. So schönes Haar hatte er noch niemals gesehen, auch noch nie ein so apartes Gesicht, das selbst in der Bewusstlosigkeit noch ausdrucksvoll war.
Zum Glück waren die Kopfverletzungen nicht schlimm gewesen. Die paar Schrammen würden verheilen. Es wäre auch ein Jammer gewesen, wenn dieses Gesicht zerstört worden wäre. Als er leise, aber schon ruhige und vernehmbare Atemzüge erlauschte, atmete er erleichtert auf.
Es war fast unglaublich, aber sie kam schon zu sich. Verschleiert war ihr Blick, verwundert und auch angstvoll.
»Was ist mit dem Kind?«, flüsterte sie.
Der Schock, den sie mit in die Bewusstlosigkeit genommen hatte, beherrschte auch jetzt im Augenblick des Erwachens ihr Denken. Für den jungen Arzt bedeutete es Erleichterung, dass ihre Gehirnzellen arbeiteten.
»Dem Jungen geht es gut«, erwiderte er, obgleich er so genau nicht informiert war.
»Gott sei Dank«, flüsterte Kerstin, dann schloss sie wieder die Augen. Was mit ihr selbst geschehen war, wollte sie anscheinend nicht wissen. Dr. Schilling konnte nicht ahnen, wie unwichtig ihr das war, nachdem, was sie heute morgen erlebt hatte.
Kerstin schlief nicht ein. Ihre Gedanken arbeiteten. Zuerst hatte sie geglaubt, in einem bösen Traum gefangen zu sein, doch nun wusste sie, dass alles wirklich geschehen war, dass es sich in ihrer Wohnung abgespielt hatte. Vor zwei Tagen war sie mit dem Einrichten fertig geworden, und gestern hatte sie ihren Mitarbeitern eine kleine Einweihungsparty gegeben. Natürlich war auch ihr Chef dabei, Tonio Laurentis, der geniale Architekt, ihr Vorbild, in ihren Augen der ideale Mann.
Kerstin war neunundzwanzig Jahre, und es hatte manchen Flirt in ihrem Leben gegeben, doch mehr nicht. Sie hatte keine Zeit gehabt, sich um Männer zu kümmern, sie war vom Ehrgeiz besessen, auf der Erfolgsleiter ganz nach oben zu steigen, so bekannt zu werden wie Tonio. Sie hatten so fantastisch zusammengearbeitet, wie sie es sich idealer gar nicht vorstellen konnte.
Er war noch geblieben, als die andern alle gegangen waren. Er müsse noch etwas mit ihr besprechen, hatte er gesagt, und sie hatte nichts besonderes dabei gefunden. Und dann? Sie sah ihn vor sich, groß, breitschultrig, mit dem abenteuerlichen Gesicht eines Wikingers, den stahlblauen Augen, die meist so kühl blickten, dem immer etwas spöttischen Mund, der doch so manches Mal Sehnsüchte in ihr geweckt hatte. Waren diese unbegreiflichen Worte tatsächlich über diese Lippen gekommen, die jetzt wieder in ihren Ohren klangen?
»Nun pass mal auf, Kerstin, machen wir Schluss mit dem Versteckspielen. Du willst mich, und ich will dich. Du bist ein verdammt ehrgeiziges kleines Frauenzimmer, aber bilde dir nicht zu viel ein. Ohne mich bist du nichts, das musst du einsehen, aber wenn du dich auf mich einstellst, werden wir ein gutes Gespann abgeben. Heirat ist nicht drin, wenn du darauf spekulierst. Meine Frau würde niemals in eine Scheidung einwilligen, und wir haben drei Kinder.«
Da war sie schon fassungslos genug gewesen, denn noch nie war davon die Rede gewesen, dass er verheiratet war und Kinder hatte. Dabei arbeiteten sie schon zwei Jahre zusammen.
Aber es kam schlimmer. Seine Frau und Kinder würden in der Schweiz leben, und sie brauche sich dadurch nicht gestört zu fühlen.
»Du regst meine Fantasie an, Kerstin, du bist modern, unkonventionell und sehr begehrenswert.«
Und wie er sie begehrte, hatte sie dann zu spüren bekommen, obgleich sie ihm sagte, dass sie so modern nun auch wieder nicht sei.
Sie hatte in ihrem wilden Zorn böse Worte zu dem Mann gesagt, den sie doch auf ein Podest gestellt hatte, als ihr Ideal, und das hatte ihn ernüchtert.
»Na gut, wenn du Moral predigen willst, kannst du dir eine andere Stellung suchen. Dann werden wir doch mal sehen, wie weit es mit deinem Können bestellt ist.«
So war er also wirklich, der große, geniale Tonio Laurentis. Ein eitler Mann, der wegschob, was ihm nicht einfach zuflog. Wie erschreckend kalt war sein Blick gewesen, seine Stimme.
Er war gegangen, sie hatte versucht zu schlafen. Wie hätte sie schlafen können mit all den Gedanken, die sie bewegten. Sie kam sich gedemütigt vor und stellte sich vor, wie er seinen Mitarbeitern sagen würde, dass sie für ihn nicht mehr akzeptabel sei.
Und die Drohung tönte in ihren Ohren, dass sie bei den bekannten Kollegen bestimmt keine Anstellung finden würde. Sie saß also auf der Straße, hatte ihr ganzes Geld in diese Wohnung gesteckt, von der sie geträumt hatte.
Das so einfach hinnehmen? Nein, hatte sie gedacht, als der Morgen graute. Und sie war zur gleichen Zeit wie immer aus dem Hause gegangen, hatte sich in ihren Wagen gesetzt und war losgefahren. Und dann war plötzlich das Kind über die Straße gelaufen. Nicht überfahren, nein, nicht überfahren! – Das war ihr einziger Gedanke gewesen, und wie sie dann reagiert hatte, wusste sie nicht mehr.
*
»So, Stefan, das hätten wir«, sagte Fee Norden zu dem Jungen.
Er sah sie nachdenklich an. »Bist du eine richtige Frau Doktor?«, fragte er.
»Eine ganz richtige«, erwiderte sie lächelnd.
»Du hast mein Bein auch sehr schön verbunden. Das muss man gelernt haben. Tante Hella kann nicht mal einen Finger verbinden.« Er atmete schnell. »Wenn sie nun von der Schule anrufen bei ihr? Das haben sie schon mal gemacht, als ich nicht gekommen bin, und dann war sie vielleicht wütend. Sie hat mich gleich mit der Hundeleine geschlagen.«
Das scheint ja eine seltsame Tante zu sein, dachte Fee bestürzt.
»Gehst du öfter nicht zur Schule?«, fragte sie nun aber doch, denn es konnte ja möglich sein, dass er so ganz schuldlos an Zornausbrüchen nicht wäre.
»Nur das eine Mal bin ich nicht gegangen. Es war so ein schöner Tag, und die Schneeglöckchen im Park haben gerade geblüht. Außerdem war ich sowieso viel zu spät dran, weil sie mich nicht geweckt hatte. Papi war auf dem Kongress. Könntest du nicht mal in der Schule Bescheid sagen, dass ich nicht kommen kann, Frau Doktor?«
»Wenn du mir sagst, in welche Schule du gehst?«
Vertrauensvoll nickte er und sagte es. »Wenn sie bloß nicht schon angerufen haben. Dass Tante Hella hierherkommt, will ich auch nicht. Der Doktor, dein Mann, hat mir gesagt, dass Papi mich hier abholen wird. Darf ich bleiben?«
»Natürlich darfst du bleiben, aber meinst du nicht, dass man deine Tante benachrichtigen müsste?«
»Das soll lieber mein Papi tun. Vor dem hat sie wenigstens Respekt. Da traut sie sich nichts mehr zu sagen. Sonst langt es ihm vielleicht doch einmal, und er setzt sie aus dem Haus.«
Merkwürdige Verhältnisse schienen im Hause Professor Albrechts zu herrschen, aber Fee wollte sich nicht in Vermutungen verlieren, bevor sie den Vater dieses aufgeweckten kleinen Jungen nicht kennengelernt hatte.
Sie rief in der Schule an und entschuldigte Stefan. Man erkundigte sich, wer sie denn sei, und sie erklärte es. Sie sagte auch, dass Professor Albrecht benachrichtigt sei. Das endlich schien zu genügen. Sie konnte sich wieder dem Jungen zuwenden.
»Hast du Hunger, Stefan?«, fragte sie.
»Eigentlich schon. Ich