Название | Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Dr. Norden Bestseller Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740937553 |
»Ich bin nicht verständigt worden«, sagte Björn heiser.
John Callen zündete sich eine Zigarette an. »Bob hatte einen falschen Pass. Es war ihm zuerst auch nicht angenehm, mich zu treffen, aber ich sagte ihm, dass er sich deswegen keine Sorgen zu machen brauche. Wenn es ratsam ist, möchte ich auch mal inkognito bleiben. Mich haben sie da unten erst ein paar Wochen festgehalten, bis unsere Botschaft meine Freilassung erreicht hat. Jetzt habe ich die Nase erst mal voll.« Er sah Björn an. »Mein Mitgefühl brauche ich Ihnen wohl nicht auszudrücken nach allem, was ich inzwischen von Arne gehört habe. Ich wusste das nicht.«
»Jedenfalls haben Sie mir einen großen Gefallen getan«, sagte Björn. »Sind Sie bereit, mir das Teilstück des Filmes zu verkaufen?«
»Okay«, sagte Callen. »Machen Sie den Preis.«
*
Für Christina hatte der Morgen schon ein unverhofftes Glück gebracht. Mit Katja kam ein kleiner schwarzhaariger Junge hereinspaziert, einen großen bunten Frühlingsstrauß vor sich her tragend.
»Guten Morgen, ich bin der Mario. Wir haben uns überhaupt noch nicht kennengelernt«, sagte er.
»Mein kleiner Bruder«, erklärte Katja. »Ich habe dir schon von ihm erzählt, Christina.«
Der kleine Italiener, dessen Eltern bei einem Bootsunglück ertrunken waren und der von Dr. Cornelius adoptiert worden war. Gar so lange war das noch nicht her, aber er sprach schon perfekt deutsch und sogar schon mit Dialekt.
»Du bist aber lieb«, sagte Christina. »So schöne Blumen. Ich danke dir, Mario.«
»Darf ich auch Christina zu dir sagen, wenn Katja schon deine Freundin ist?«, fragte er.
»Freilich darfst du das.«
»Du sprichst auch so ein ganz klein bisschen komisch deutsch«, stellte er pfiffig fest.
»Weil ich in Dänemark aufgewachsen bin«, erwiderte Christina.
»Wo ist das? Erklärst du es mir? Bei Papi im Zimmer haben wir einen Globus. Da kannst du es mir zeigen. Ich möchte gern viel wissen. Hier sind alle so schlau.«
»Dir wird es langweilig werden in der Schule, wenn du alles schon vorher lernst, Mario«, sagte Katja lachend.
»Nein, bestimmt nicht. Außerdem kann ich in der Schule gar nicht so viel lernen wie bei uns hier. Tante Henriette sagt es auch. Sie war schon alt, als sie zur Insel der Hoffnung kam, und hier hat sie das meiste gelernt. Du musst Tante Henriette kennenlernen, Christina. Es regnet nicht, da brauchst du doch nicht im Zimmer zu sitzen. Ich zeige dir alles. Willst du?« Seine Augen waren fragend auf Christina gerichtet.
Von Katja wusste Christina bereits, dass er Vater und Mutter verloren hatte und in ein Waisenhaus gemusst hätte, wenn man ihm hier nicht eine Heimat gegeben hätte.
Aber sie erlebte auch, dass Mario ein vollkommen glückliches Kind war, das diejenigen, zu denen er nun gehörte, bedingungslos liebte. Er hatte längst vergessen, was früher gewesen war. Aber er war ein kleiner Junge, und ihm war es noch nie so gut gegangen wie jetzt.
Ob ich auch einmal vergessen kann, dachte Christina, als sie, seine kleine Hand in der ihren, mit ihm über die Insel ging.
Vergessen? Sie wollte doch ihre Vergangenheit und sich selbst erst wiederfinden! Noch waren es doch nur Bruchteile, an die sie sich erinnerte! Und plötzlich wünschte sie sich, alles ausgelöscht zu wissen. Björn müsste kommen, sie in die Arme nehmen, ihr wieder das Gefühl der Geborgenheit vermitteln, über ihr Haar streichen und sagen: ›Ich liebe dich!‹ Sie sehnte sich danach. Seine Stimme klang an ihren Ohren fort, bei dem Gedanken an ihn strömte das Blut heiß durch ihre Adern.
»Unsere Insel ist das Paradies«, sagte Mario. »Glaubst du es, Christina?«
»Es ist wunderschön hier«, sagte sie.
»Schöner kann’s nirgendwo sein«, erklärte er im Brustton vollster Überzeugung. »Es waren mal sehr, sehr nette Leute aus dem Sonnenwinkel hier, und die haben auch gesagt, dass es bei ihnen wunderschön ist, aber dann haben sie doch zugegeben, dass jeder sein Paradies finden kann. Rede ich gescheit, Christina?«, fragte er stolz.
»Sehr gescheit, Mario«, erwiderte sie.
»Da war auch ein kleines Mädchen, das Bambi heißt. Sie ist schon ein bisschen größer als ich, aber wahnsinnig gescheit, und sie ist meine Freundin. Ihr Opi und ihre Omi wollen jedes Jahr herkommen. Aber Papi hat gesagt, dass ich mein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen brauche. Ist mein Papi nicht der allerliebste von der Welt? Und meine Mami die allerbeste!«
»Du kannst sehr froh sein, solche Eltern zu haben, Mario.«
»Und große Schwestern«, nickte er. »Nicht bloß Katja. Fee ist auch meine Schwester. Überhaupt gibt es noch mehr Menschen, die ich schrecklich lieb habe. Ich bin nämlich gar nicht geboren. Ich bin vom Himmel gefallen. Was sagst du nun?«
Zuerst wusste Christina nicht, was sie erwidern sollte, aber dann gab ihr ein fremder Wille die Antwort ein. »Dann hast du aber ganz großes Glück gehabt, dass du direkt auf die Insel gefallen bist, Mario.« Sie lachte ihm herzlich zu.
Er lachte fröhlich zurück. »Nicht gleich. Zuerst hat mich Daniel aufgefangt – oder heißt es aufgefangen?«
»Ja, es heißt aufgefangen, Mario.«
»Er hat mich aufgefangen, und da war ich pudelnass. Fee hat mich dann abgetrocknet, und Lenchen hat mich gefüttert. Und dann haben sie mich allesamt zu Mami und Papi gebracht. Manche Kinder sind ganz winzig klein, wenn sie zu ihren Eltern kommen und wissen gar nicht, ob sie überhaupt richtig lieb zu ihnen sind. Aber ich habe das gleich wissen dürfen. Und weißt du, was die meisten Leute zu mir sagen, Christina? Dass ich ein Glückskind bin. Ist das nicht schön? Und deswegen habe ich auch die Quelle gefunden. Und die macht wieder viele, viele Menschen gesund und glücklich. Dich auch.« Seine strahlenden dunklen Augen blickten zu ihr empor. »Dich habe ich ganz besonders lieb, Christina, weil die anderen Leute so viel lachen und du nicht. Aber du lernst es schon noch.«
»Du bist lieb, Mario«, sagte Christina zärtlich. »Ich hätte auch gern so einen kleinen Bruder.«
»Du kannst dir doch ein Baby wünschen«, meinte er. »Fee bekommt auch eines. Da muss man zwar ziemlich lange warten, aber man kann es ja rechtzeitig bestellen.«
Sie waren nun wieder zur Quelle gelangt. Mario war ahnungslos, dass Christina schon mit Katja dort gewesen war. Sie verriet es nicht, als er ihr nun voller Eifer erzählte, wie er diese Quelle entdeckt hatte.
»Kannst du dir das vorstellen, Christina, dass sie ganz viele, viele Jahre versiegt war, weil früher Leute da waren, die Geld dafür haben wollten, wenn jemand daraus trinken wollte? In der Chronik steht es, du kannst es lesen. Aber wenn die Menschen habgierig sind, dann schiebt der liebe Gott einen Riegel vor. So ist das. Papi sagt, dass Habgier die Menschen verdirbt.«
Wie wahr, dachte Christina, und ein Frösteln kroch durch ihren Körper.
»Friert’s dich?«, fragte Mario. »Komm, trink mal. Das Wasser ist wohl kühl, aber wenn man es getrunken hat, wird einem ganz warm. Die Quelle kann wirklich alle Wunden heilen, Christina.«
Alle, fragte sich Christina, auch die, die einem gutgläubigen Herzen geschlagen wurden?
Aber sie fror tatsächlich nicht mehr, als sie zurückgingen. Ihre Wangen hatten sogar einen rosigen Schimmer, und dann blieb sie plötzlich stehen. Ihre Augen weiteten sich staunend, noch ungläubig, aber es war keine Halluzination. Da stand Lining, breitete die Arme aus und rief ihren Namen. Und Christina lief auf sie zu und ließ sich einhüllen von mütterlicher Wärme.
Christina hatte nun schon an das Gute zu glauben begonnen, an Björn, dem nichts zu viel wurde, um ihr zu helfen, ihr Freude zu bereiten.
Lining war des Lobes voll über ihn, und damit überbrückte sie vorerst die Rührung dieses Wiedersehens.
In Linings Gegenwart