Название | Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Dr. Norden Bestseller Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740937553 |
»Ich war nie mutig«, sagte Christina leise. »Ich habe nie für mich allein denken müssen und bekam alles, was ich haben wollte. Es war wohl zu selbstverständlich. Also, Mut habe ich nicht, und den Glauben habe ich verloren.«
Ein trauriger Blick streifte Katja.
»Das darfst du nicht sagen. Du befindest dich in einer Krise. Du wirst sie überwinden.«
»Du glaubst an Wunder, Katja?«
Katja nickte bekräftigend und sagte: »Ich habe eines erlebt. Ja, ich glaube daran. Ich war einmal genauso down wie du. Ich verstehe dich. Schau bitte mutig in die Zukunft.«
»Ich will es versuchen.«
Sie gingen langsam zurück. Arm in Arm. Ihre Schritte passten sich an. Sie blickten sich in die Augen.
Anne Cornelius zog ihren Mann in den Schatten eines Baumes zurück.
»Sie sind sich nähergekommen, Hannes«, flüsterte sie. »Wir wollen sie nicht stören.«
*
In Dr. Nordens Praxis herrschte bereits Hochbetrieb, als das Flugzeug startete, das Björn Reuwen nach Kopenhagen bringen sollte. Praxisalltag bei Dr. Norden bedeutete nicht allein, Diagnosen zu stellen und Rezepte auszuschreiben, er bedeutete auch Teilnahme an den verschiedensten Schicksalen.
Der erste Patient war Helmut Kring, ein Schuljunge von dreizehn Jahren. Die Eltern hatten eine Drogerie, und Dr. Norden war Hausarzt bei ihnen. Helmut erschien mit der Schultasche, hochrotem Kopf und fiebrigen Augen.
»He, wie haben wir es denn? Solltest du nicht lieber im Bett liegen?«, fragte Daniel.
»Mutti hat gesagt, Sie sollen mir was gegen die Halsschmerzen verschreiben. Etwas, was hilft. Ich darf die Schule nicht versäumen, sonst haut es mit der Versetzung nicht hin.«
Helmut schluckte, was nicht verwunderlich war bei den geschwollenen Mandeln, auf die Dr. Norden nur einen kurzen Blick zu werfen brauchte.
»Der Versetzung ist es bestimmt nicht dienlich, wenn du so krank in die Schule gehst, Helmut.«
»Das sagen Sie mal meinen Eltern«, murmelte der Junge.
»Marsch nach Hause und ins Bett!«, befahl Dr. Norden energisch.
»Ich traue mich nicht. Ich kriege es bloß vorgehalten, dass ich gestern Fußball gespielt habe, wo ich doch schon erkältet war.«
»Deine Eltern werden dir nicht den Kopf abreißen, wenn ich sage, dass du ins Bett gehörst, Helmut. Ich rufe an, dass dein Vater dich abholt«, sagte Daniel Norden bestimmt.
»Gibt es wirklich nichts, dass die Halsschmerzen weggehen?«, fragte Helmut zaghaft.
»Natürlich gibt es was, aber es hilft nur, wenn du brav im Bett bleibst.«
»Und was soll meine Mannschaft ohne mich machen?«, fragte der Junge.
Daniel hatte ihn durchschaut. Es waren nicht etwa die strengen Eltern, die ihn in die Schule trieben, sondern seine Fußballmannschaft.
»Wann ist dann euer nächstes Spiel?«, fragte Daniel.
»Übermorgen, aber da muss ich gesund sein. Ich bin Torwart, und ohne Torwart können sie nicht spielen«, entgegnete Helmut.
»Mein lieber Junge, du würdest einen sauberen Torwart abgeben mit diesem Fieber«, sagte Daniel. »Und statt ein paar Tage müsstest du vielleicht ein paar Wochen im Bett liegen. Ich rufe jetzt deine Eltern an.«
»Sie wissen aber gar nicht, dass ich Halsschmerzen habe«, gab Helmut kläglich zu.
Daniel hatte sich gleich gedacht, dass da etwas nicht stimmte, denn die Krings waren besorgte Eltern.
»Dann werden sie es jetzt erfahren«, erklärte er kategorisch.
»Sagen Sie auch, dass ich wegen des Fußballspiels in die Schule gehen wollte, Herr Doktor? Muss das sein?«
»Ich kann ja auch sagen, dass dich dein Pflichtbewusstsein getrieben hat«, erwiderte Daniel schmunzelnd. »Immerhin warst du so vernünftig, zu mir zu kommen, du Lausejunge.«
»Tut ja auch verdammt weh«, murmelte Helmut. »Mir wird auch ganz schlecht.«
Es war höchste Zeit, dass er ins Bett kam. Herr Kring kam und holte ihn ab. Daniel gab ihm verschiedene Medikamente mit und versprach, mittags vorbeizukommen.
»So ein dummer Bub«, sagte Herr Kring. »Hätte doch sagen können, dass ihm was fehlt. Meine Frau wird sich wieder schön aufregen. Ist halt so ein gewissenhafter Kerl, weil’s mit der Mathematik nicht so klappt.«
Daniel zwinkerte Helmut zu, und der wurde vor Verlegenheit blutrot.
»Besser eine schlechte Note als ein kranker Junge«, sagte Daniel.
»Meine ich auch, Herr Doktor«, sagte Herr Kring, und Helmut schenkte Dr. Norden einen dankbaren Blick.
So hatte es also an diesem Morgen angefangen. Dann kamen ein paar Patienten, die sich einer Spritzenkur unterziehen mussten und immer schon früh kamen, um rechtzeitig an ihrem Arbeitsplatz zu sein. Für manch einen von ihnen fühlte Dr. Norden Bewunderung, denn eigentlich hätte er sie krankschreiben müssen, aber sie wollten es nicht. Dafür gab es dann zum Ausgleich auch andere, die krankgeschrieben werden wollten, obgleich kein Grund dafür vorlag. Und alle durch die Bank wären für ihren Doktor durchs Feuer gegangen, auch wenn er oft harte und deutliche Vorhaltungen machte und manchmal nicht gerade zimperlich mit ihnen umging.
Ganz behutsam ging er mit der alten Frau Hartle um, einer feinen alten Dame, die schon über zwei Jahrzehnte von der Gicht geplagt wurde und niemals jammerte.
»Da ist man nun achtzig Jahre alt geworden und hat alle überlebt, die zu einem gehörten«, sagte sie. »Müde bin ich geworden und möchte so gern für immer schlafen, und die jungen Leut’ werden mitten aus dem Leben weggerafft. Aber wie’s der Herrgott will, muss man halt sein Päckle tragen. Ich dank auch recht schön, dass Sie immer so nett waren, Herr Doktor.«
Das sagte sie jedesmal beim Abschied. An diesem Morgen zum letzten Mal.
»Bevor Sie gehen, trinken Sie mit Molly noch eine Tasse Kaffee, Frau Hartle«, sagte Dr. Norden. Und Frau Hartle setzte sich zu Molly, die sie nun auch schon ein paar Jahre kannte.
Ihre faltigen Wangen färbten sich rosig, als sie den Kaffee getrunken hatte.
»Nun gehts wieder besser«, sagte sie. »Übrigens habe ich heute Nacht geträumt, dass die junge Frau Doktor einen ganz herzigen Buben bekommen hat. Wann ist es denn eigentlich soweit?«
»In drei Monaten«, erwiderte Molly.
»Ob ich das noch erleb’? Nun, wenn’s denn nicht sein soll, soll er wenigstens was von mir bekommen, der kleine Norden.« Sie nahm von ihrem Hals die schwere goldene Kette, die Molly schon manches Mal bewundert hatte, an der eine feinziselierte Uhr hing, die schon die zweite Generation überdauert hatte und noch immer ging, wie Frau Hartle stolz versicherte.
»Heben Sie sie bitte für den kleinen Norden auf, Molly«, sagte Frau Hartle. »Weiß man, was geschieht? Ich möchte nicht, dass sie in Hände kommt, die nur den materiellen Wert abschätzen.«
»Sie ist kostbar, Frau Hartle«, sagte Molly bestürzt und wusste nicht recht, ob sie das wertvolle Geschenk in Verwahrung nehmen sollte.
»Plunder würde ich dem kleinen Norden doch nicht hinterlassen wollen«, sagte Frau Hartle mit einem feinen Lächeln. »Und für mich ist die Zeit ohne Bedeutung. Auf Wiedersehen, Molly, wenn es mir beschieden ist.«
»Frau Hartle!«, rief ihr Molly betroffen nach.
Die alte Dame lächelte. »Alte Leute sind eigensinnig, Molly. Man kann ihnen nichts ausreden.«
Und dann ging sie. Zwei Stunden später wurde Dr. Norden von einer Nachbarin zu ihr gerufen, und er konnte nur noch ihren Tod feststellen.