Название | Durch die Erde ein Riß |
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Автор произведения | Erich Loest |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954626984 |
Mann an Mann lagen sie, allmählich verdichteten sich die Gerüchte: Wer aus der amerikanischen Zone stammte, wurde bald heimgeschickt, bei den anderen dauerte es etwas länger. Nun floß schon täglich Tee und alle zwei Tage Suppe. Wenn es dunkelte, wenn alle Geräusche erstarben, spielte ein lieber musikalischer Deutscher auf der Trompete: »Guten Abend, gute Nacht!«
Da lagen sie nun, die Panzerschützen mit einst stolzen Abschüssen, Partisanenjäger aus bosnischen Bergen, Dörferverbrenner aus der Ukraine, treffsichere MG-Schützen des Frankreichfeldzugs, Verminer von allerlei Rückzugsstraßen, »Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen bedacht«. Da dachten sie sehnsüchtig an ihre Kinder daheim, requiriertüchtige Feldköche aus dänischen Radarstellungen, lämmerfleischschätzende Zahlmeister aus der griechischen Etappe, Brückensprenger, Panzerfäustler, Träger des Deutschen Kreuzes in Gold und diverser Nahkampfspangen, mit denen sich brüsten durfte, der das Weiße in Augen des feindlichen Polen, Franzosen, Briten, Serben, Griechen, Russen, Amerikaners gesehen hatte, »mit Näglein besteckt«, da lagen sie in ihren Tarnjacken und Feldblusen, Leningradbeschießer und Krimschildträger, »von Englein bewacht, sie zeigen im Traum dir Christkindleins Baum«, Feldgendarmen auf allen Straßen und Bahnhöfen, Durchhalteartikler der Propagandakompanien, Fahrradschwadroneure der ersten Vormärsche, Coventrybombardierer, Sonderführer für den Großviehabtrieb aus Bjelorußland, »schlupf unter die Deck«, Stukaflieger, Ortskommandanten und Judenregistrierer aus Lettland, sie alle hatten Begriffe wie Schienenwolf, Werwolf, Wolfsschanze, Verbrannte Erde, Brückenkopf, Kopfschuß, Flammenwerfer, Kettenkrad und Panzerschreck total vergessen, nun ruhten sie hier und lauschten deutschen Tönen, »morgen früh, wenn Gott will«, waffenlos waren sie, leider verlaust, was hielt man sie denn hier noch fest, wo daheim die traute Frau und die lieben Kinder nun schon so lange sehnsüchtig warteten, »wirst du wihihider geweckt.«
Stefan Heym läßt in seinem Roman »Kreuzfahrer von heute« eine Amerikanerin sagen: »Ich hab ja keine große Ahnung, wie diese Deutschen als Eroberer waren, aber in ihre Rolle als Besiegte passen sie sich großartig ein.« Wenigstens: L. hatte keine Kerbe im Kolben.
Nach zwei Wochen, als er durch die Entlassungsmaschinerie geschleust wurde, nannte er doch seinen Namen. Zuerst mußte er den linken Arm heben, auf daß keine Blutgruppen-Bezeichnung darunterstünde, das hätte ihn als Waffen-SS-Mann entlarvt, vielleicht als Überlebenden der Division »Hitlerjugend« – fühlte er sich wenigstens demütig durch einschlägige Erinnerung? Vor einem Offizier nannte er Namen und Geburtsort, denn nach Mittweida wollte er ja unters elterliche Dach und nicht als Graf Möllenbrock oder Kurt Schulze ein ungefähres Leben beginnen; die Gefahr bayernweiter Werwolf-Fahndung erachtete er in dieser Stunde der Heimatsehnsucht gering. Sein Soldbuch wäre ihm in der Minute der Gefangennahme weggenommen worden, behauptete er, einer gewissen Kampfgruppe Köhler, hinhaltend tätig im Fichtelgebirge, hätte er angehört und wäre schlichter Gefreiter der Wehrmacht gewesen, nichts sonst. Mittweida? Da horchte der Offizier auf, der erst mit Fangfragen vertrackte SS-Zugehörigkeit hatte aufspüren wollen, Mittweida, was gäbe es da wohl? Das Technikum!, und die Miene des Amerikaners hellte sich auf. Vielleicht hatte dieser Mann selbst dort studiert, vielleicht ein Verwandter, denn Emigrant mußte er wohl sein; jedenfalls war er wie ausgewechselt. Wenn L. nicht auf dem Technikum gewesen wäre, wo dann? Der Offizier ließ sich schildern, was L. gelernt hatte – Englisch auch? Ein Entlassungsformular schob er über den Tisch, und der Heimkehrer in spe las und übersetzte: I hereby certify to the best of my knowledge and belief the particulars given above are true. Seinen geschwärzten rechten Daumen rollte er übers Papier, der Schreiber am Fenster grinste über das putzige Englisch, das dieser German boy da sprach. Der Überprüfungsoffizier schrieb den Namen Loest in eine Liste. Dahinter waren zwei Spalten, über denen stand »SS« und »okay«. L. war okay.
Am nächsten Morgen traten die Entlassungskandidaten am Tor an. Jeder zweite erhielt eine Büchse Fleisch aus Wehrmachtsbeständen, L. war ein zweiter. Hundert Zigaretten hatte er für eine Lederjacke hingegeben, die trug er im Rucksack neben der Büchse und weiteren hundert Zigaretten aus der Werwolfreserve, ein Tauschobjekt ersten Ranges. Die Strecke Weiden/Oberpfalz bis Mittweida schätzte er ab; wenn er jeden Tag vierzig Kilometer marschierte, war er dann in einer Woche daheim?
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