Vergangenheitskampf. Corinna Lindenmayr

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Название Vergangenheitskampf
Автор произведения Corinna Lindenmayr
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967526554



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Widerspruch und da Emma-Sophie zu müde war um mit ihm zu streiten, nickte sie ergeben. Er würde es ja ohnehin nicht erfahren, wenn sie seine Anweisungen nicht befolgte.

      »Gut. Ich habe am Dienstag noch ein wichtiges Spiel, aber am Mittwoch hole ich Sie ab und wir wiederholen unser Date. Ich werde um 19:00 Uhr da sein.«

      »Wie bitte?« Sie musste sich verhört haben. Davon war nie die Rede gewesen. Okay, zugegebenermaßen gab es da ein paar klitzekleine Schmetterlinge in ihrem Bauch und ja, Max Christensen, war durchaus ein interessanter und attraktiver Mann und vermutlich könnte sie sich auch in ihn verlieben, aber erstens hatte sie dafür jetzt keine Zeit und zweitens, konnte sie es einfach nicht leiden, wenn man über ihr Leben bestimmte. »Ich werde nicht mit Ihnen ausgehen.«

      »Ich schulde Ihnen eine Wiedergutmachung. Genauer gesagt sogar zwei.«

      »Fein. Dann schenken Sie mir doch 25.000,00 EUR.«

      Max verzog seine Lippen zu einem breiten Grinsen. »Vielleicht beim zweiten Date.« Flüchtig gab er ihr dann einen Kuss auf die Wange und lief zurück auf die Fahrerseite. Emma schnappe überrascht nach Luft. Doch ehe es ihr gelang ihre Stimme wiederzufinden, kam Max ihr erneut zu vor. »Mittwoch, 19:00 Uhr. Passen Sie bis dahin auf sich auf.« Die Wagentür flog zu und der Audi brauste davon.

      Emma-Sophie sah zu wie die Rücklichter des Fahrzeuges immer kleiner wurden, bis sie nach einer Kurve ganz verschwanden. Okay, das war seltsam gewesen. Noch immer fühlte sie, wie ihre Beine ein wenig zitterten und ihr Puls schien es auch irgendwie eilig zu haben. Das Ganze war einfach total surreal. Noch nie hatte sie jemanden getroffen, der über den Bekanntheitsgrad des Bürgermeisters hinaus ging, geschweige denn, sich mit einem solchen unterhalten und Max Christensen, tja, dessen Gesicht schmückte nicht nur duzende von Werbeplakaten in der Stadt, nein, er war natürlich auch noch der Kapitän der Eishockeymannschaft, was ihn nicht gerade weniger bekannt machte.

      Sie schlang sich ihren Mantel fester um ihren Körper und öffnete das Hofgatter. Ein Mann wie Max mochte vielleicht gut aussehen und einen fantastischen Körper haben, aber er war sicherlich niemand auf den man sich verlassen konnte. Aber genau das war es, was sie wollte. Irgendwann. Wenn sie bereit dafür war, wieder einen Mann in ihr Leben zu lassen.

      Sie tastete nach ihrem Schlüssel und fand ihn erst, nach dem sie ihre Handtasche zweimal vollständig durchwühlt hatte. Sie öffnete die Haupteingangstür des dreistöckigen Wohnblocks und lief die Treppen zu ihrer Wohnung im Dachgeschoss hinauf.

      Ihr Kopf hämmerte noch immer wie ein Pressluftgerät und allmählich spürte sie zu dem dumpfen Schmerz auch ein wenig Übelkeit. Das Licht im Treppenhaus flackerte und auch wenn sie hier bereits seit beinahe zwei Jahren lebte und die Lampe seit ihrem Einzug noch nie richtig funktioniert hatte, wurde ihr auf einmal mulmig zumute.

      Der Wind schlug gegen irgendetwas und das Rauschen vermischte sich mit einem leichten Pfeifen.

      Bildete sie sich das nur ein oder war plötzlich ein dunkler Schatten an der Wand zu sehen?

      Sie beschleunigte ihren Schritt und war gottfroh, dass sie dieses Mal ihren Schlüssel schon in der Hand hielt. Eilig schloss sie die Tür zu ihrer Wohnung auf und lehnte sich dann von innen gegen das alte Holz.

      Es war lächerlich. Idiotisch und vollkommen verrückt. Niemand war hier außer ihr. Der Schlag gegen den Kopf schien sie wirklich ernsthaft mehr mitzunehmen, als sie gedacht hatte.

      Emma warf ihre Tasche auf den Tisch und lief schnurstracks ins Badezimmer, zog ihre Klamotten aus und drehte den Duschhahn auf. Dann stellte sie sich unter den Strahl dampfend heißen Wassers. Auf einmal erschien das Gesicht ihrer Mutter vor ihr. Einfach so. Es ergab keinen Sinn. Natürlich gab es das nicht. Warum sollte es auch? Sie war vier Jahre alt gewesen als sie gestorben war. Nichts was in ihrem Leben geschah war ein Zusammenhang mit ihrer Vergangenheit oder ihrer Mutter.

      Aber es war auf einmal wieder alles so verdammt real. So, als wären seither nicht bereits mehr als 20 Jahre vergangen. Emma erinnerte sich ganz genau an den Unfall, der alles veränderte. Die Panik in den Augen ihrer Mutter. Den Tag, der sie zur Vollwaise machte, denn bis heute wusste sie nicht, wer ihr Vater war.

       Es war ein schöner Sommertag gewesen. Die Sonne hatte geschienen und auf der Autobahn war die Hölle los, wie fast an jedem Tag an dem sie diese Strecke gefahren waren. Doch diesmal war irgendetwas anders. Ihre Mutter war unkonzentriert und nervös gewesen, hatte sich ständig umgedreht und Emma-Sophie erkannte die Angst in ihren Augen. »Mama, was ist denn los?« hatte sie noch gefragt, ehe sie im gleichen Moment von hinten ein dunkelblauer Range Rover rammte und sie von der Fahrbahn abkamen. Der alte BMW geriet ins Schleudern und schlitterte in einem mörderischen Tempo über den Asphalt. Emma-Sophie hatte geschrien, aber ihre Mutter hatte nur den Kopf auf das Lenkrad gestützt und unter ihren Armen vergraben. Immer wieder hatte sie nach ihr gerufen, hilflose und verzweifelte Schreie eines kleinen Mädchens, die durch den Innenraum des Wagens hallten. Letztendlich waren sie egal gewesen. Das Auto überschlug sich, krachte gegen einen Tanklaster und fing sofort Feuer. Diese enorme Hitze breitete sich immer weiter und weiter aus, die Sirenen erklangen und Emma-Sophie spürte noch wie jemand sie gepackt hatte, dann war alles schwarz geworden.

      

      Ihr Körper zitterte noch immer als sie aus der Dusche stieg und sich ein Handtuch um den Rücken legte, welches sie vor ihrer Brust zusammenpresste. Wassertropfen rannen von ihr herunter und auf die kalten Fliesen. Der Spiegel war noch beschlagen von dem heißen Dampf in dem kleinen Raum. Dennoch starrte sie hinein. Beobachtete wie ihr Spiegelbild Stück für Stück durch den Schleier des kondensierenden Wassers zum Vorschein kam. Sie wusste nicht was sie erwartete, aber was sie sah, war alles andere als beruhigend. Ein verängstigtes kleines Mädchen, dass keine Ahnung hatte, was es mit seinem noch so jungen Leben anfangen sollte. Es war nicht ihr jetziges Gesicht, dass sie dort anblickte, sondern jenes von damals. Aber auch wenn seither zwei Jahrzehnte vergangen waren, lag in ihrer Augen immer noch die gleiche Resignation. Sie war allein.

      

       3. Kapitel

      Morgen waren sie endlich vorbei. Achtzehn Jahre seines Lebens, die er geopfert hatte, um endlich das zu erreichen wonach er sich schon so lange verzehrte.

      Macht und Reichtum.

      Er schämte sich nicht dafür das zuzugeben. Warum auch? Jahrelang hatte er auf der richtigen Seite des Gesetzes gestanden, hatte sein Leben riskiert um Verbrecher dorthin zu bringen, wo er sich nun selbst befand. Hinter Schloss und Riegel.

      Die letzten Monate war er geradezu hineingewachsen in die Rolle des reuigen, unscheinbaren Polizeihauptkommissars, der nichts weiter als Vergebung wollte. Dessen unendlich schlechtes Gewissen ihn geradezu auffraß.

      All die Jahre hatte er gelernt damit umzugehen. Sich Situationen anzupassen und im richtigen Moment die Chance zu ergreifen, die einem geboten wurde. Er war dafür ausgebildet worden, seine waren Emotionen und Gefühle unter Kontrolle zu halten.

      Es war so lächerlich einfach gewesen.

      Jetzt endlich war seine Zeit gekommen. Der Augenblick, der ihn für die letzten eineinhalb Jahrzehnte entschädigte und dieses Mal würde ihn niemand aufhalten.

      Ganz langsam stand er von seinem Metallbett auf und trat an das kleine Fenster. Durch die Gitterstäbe hindurch sah er sie. Die Freiheit.

      Der Regen trommelte auf die Dächer der angrenzenden Häuser und er spürte wieder die Wut in sich aufsteigen.

      Wut auf den Mann, der ihm zuerst alles versprochen und letztlich alles genommen hatte. Don Jefferson Barlock.

      Aber auch das würde er ändern.

      Das Handy in seiner Hosentasche vibrierte und er zog es heraus. Vor wenigen Tagen hatte er sich ein neues Prepaidtelefon besorgen lassen. Auch solche Dinge waren innerhalb eines Gefängnistraktes nicht wirklich ein Problem. Kannte man die richtigen Leute war so ziemlich alles ein Kinderspiel.

      Mit einem leisen Lächeln las er die Zeilen und steckte es dann wieder