Vergangenheitskampf. Corinna Lindenmayr

Читать онлайн.
Название Vergangenheitskampf
Автор произведения Corinna Lindenmayr
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967526554



Скачать книгу

Dann müssten wir die Saison jetzt nicht über die Pree-Play-Offs beenden.«

      Max lief weiter ohne eine Antwort zu geben. Was hätte er auch sagen sollen? Schließlich hatte er selbst nicht den leisesten Schimmer was heute anders gelaufen war als sonst. Er wusste nur, dass es das beste Spiel dieser Saison, wenn nicht sogar seiner ganzen Karriere gewesen war. Nach außen hin ließ er sich nichts anmerken, gab weiterhin den ruhigen und entschlossenen Kapitän, aber innerlich grinste er wie ein Honigkuchenpferd.

      Mit diesem 6:2 Sieg standen sie jetzt endlich in den Vor-Play-Offs und ja, Kevins Worte brachten das Ganze ziemlich genau auf den Punkt. Übermorgen würde bereits das erste Spiel dieser Serie gegen die Iserlohn Roosters beginnen, was bedeutete, dass sie morgen schon im Bus nach Iserlohn sitzen würden.

      Für einen kurzen Moment dachte er an Emma-Sophie. Sie war nicht nur hübsch, sondern auch klug und besaß dieses gewisse Etwas, dass ihn mehr als nur ein bisschen faszinierte.

      Vielleicht lag es daran, dass auch ihre Vergangenheit in gewisser Weise von dem Verlust der eigenen Eltern geprägt war. Natürlich konnte er das nicht direkt vergleichen, immerhin lebten seine ja noch, aber die wenigen Jahre in denen er das Gegenteil geglaubt hatte, waren stark genug gewesen, diese Zeit nie zu vergessen.

      Möglicherweise war auch das der Grund, warum er ihr ohne groß darüber nachzudenken vorgeschlagen hatte, an einer Charityveranstaltung teilzunehmen. Normalerweise war er nämlich eher der Letzte, der sich für so etwas freiwillig meldete. Er mochte es nicht im Mittelpunkt einer Gesellschaft zu stehen, für die weniger der Zweck als die Publicity im Vordergrund stand.

      Bei Emma-Sophie lag der Fall allerdings anders. Für sie stand nicht die Aufmerksamkeit, sondern tatsächlich die Kinder im Vordergrund. Ein Grund mehr, sich dieses Mal ernsthaft daran zu beteiligen.

      Von hinten hörte er seine Kollegen lachend miteinander herumalbern. Ein paar von ihnen rissen irgendwelche Witze auf Englisch und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er befand sich in seiner eigenen Art vom Paradies. Das war es, was er wollte. Eishockey und seine Jungs. Ab und zu ein paar nette und kurze Affären. Mehr brauchte er nicht. Jedenfalls hatte er das bislang immer gedacht.

      Auch die soeben eingetroffene Nachricht von Max konnte Emmas Stimmung nicht bessern. Von Euphorie zur Frustration in weniger als ein paar Stunden, dachte Emma zerknirscht, während sie darauf wartete, dass Schwester Margarethe mit dem Elternpaar, welches sich für die Zwillinge interessierte, aus dem Büro kam. Sie hatte noch nicht wirklich Gelegenheit gehabt mit Gretchen zu reden, aber es sah alles danach aus, als wäre das Gespräch gut gelaufen. Was ja eigentlich super sein sollte. Es aber nicht war. Zumindest nicht aus ihrer Sicht und der Tatsache, dass sie seit über einem Jahr versuchte eine Lösung für ihr Problem zu finden, welches ihr für die Adoption von Maja und Josh im Wege stand. Ein Ehemann und finanzielle Sicherheit. Beides nichts, was sich so einfach auftreiben lies.

      Es war Ironie des Schicksals, dass Max beides verkörpern konnte. Nur leider kam das eben nicht in Frage, wodurch sie sich wieder am Ausgangspunkt ihrer Misere befand.

      Die Tür ging auf und Gretchen kam heraus. Dicht gefolgt von einer ziemlich konservativ gekleideten Frau und einem Mann mit bereits leicht schütterem Haar, der einen Tweet-Pullover zu einer altmodischen hochgeschnittenen Jeanshose trug. Nicht, dass so etwas eine Rolle spielen würde. »Ich freue mich sehr für Ihre Bereitschaft der Adoption. Ich bin sicher, Sie haben die richtige Entscheidung getroffen. Wir werden den Antrag so schnell wie möglich prüfen und Ihnen dann Bescheid geben.«

      Die Frau, Emma schätzte sie auf etwa Ende dreißig, reichte ihrer Partnerin und Freundin die Hand. »Das würden wir sehr zu schätzen wissen.«

      »Aber natürlich.« versicherte ihr Gretchen. Emma ignorierte den stechenden Schmerz in ihrer Brust und den Anflug von Verrat. Schwester Margarete machte nur ihren Job. Und der war es nun einmal den Kinder aus ihrem Heim ein neues zu Hause zu vermitteln.

      »Auf Wiedersehen.« Sie begleitete das Paar zur Tür und kam dann zurück zu Emma.

      »Lass mich raten: Sie wollen sie haben?« fragte diese und wagte es kaum ihrer Freundin dabei in die Augen zu sehen.

      »Ja. Alle beide.« Gretchen nickte und nahm dann ihre Hand. »Es tut mir leid.«

      »Warum?« Emma hatte bislang nur mit Bea über ihr Vorhaben gesprochen und die würde nie etwas verraten.

      »Meine Liebe, ich kenne dich seit du klein bist. Glaubst du wirklich ich merke nicht was in dir vorgeht? Du vergötterst die beiden seit sie hier sind. Wenn du die Chance bekommen hättest, wärst du jetzt diejenige deren Adoptionspapiere ich prüfen müsste.«

      Emma schloss die Augen, öffnete sie jedoch gleich darauf wieder. »Du hast Recht.« erwiderte sie dann resigniert. »Aber ich fürchte, diese Chance ist jetzt wohl vorbei.«

      »Noch ist nichts entschieden, mein Kind.« Mit diesen Worten wandte sich die Ordensschwester ab und ließ sie wieder allein zurück.

      Als Emma an diesen Tag nach Hause lief dachte sie noch immer an Gretchens Worte. Ja, es mochte noch nichts entschieden sein, aber egal wie sehr sie sich es auch wünschte, sie hatte weder die Möglichkeit noch das Geld um Maja und Joshua eine gute Kindheit bieten zu können. Liebe allein sollte reichen, dachte sie grimmig. Tat es nur nicht. Eine Adoption durchzuführen war wesentlich schwieriger als man vielleicht glaubte. Man konnte nicht einfach in ein Waisenhaus marschieren und sich ein Kind aussuchen. Nein. Es gab Prozesse die durchlaufen werden mussten. Finanzielle Prüfungen, familiärerer Hintergrund und solche Sachen. Emma hatte weder Geld noch eine Familie. Nicht einmal einen verdammten Großcousin. Naja, zumindest keinem von dem sie wusste. Aber da sie ihren Vater nicht kannte, konnte es durchaus sein, dass es da draußen irgendwo einen gab. Was ihr nur im Augenblick herzlich wenig half.

      Ein kalter Windstoß peitsche gegen ihr Gesicht und sie presste ihre Arme fester um ihren Körper. Wenn sie doch nur irgendetwas unternehmen könnte. Wie zum Beispiel ihren Vater suchen. Aber was dann? Das Jugendamt gäbe ihr deswegen trotzdem keine Chance für eine Adoption. Denn sie wäre weiterhin unverheiratet, verdiente genauso wenig wie vorher und lebte immer noch in ihrer kleinen Zweizimmerwohnung. Es sei denn ihr Vater wäre ein wohlhabender Geschäftsmann oder bekannter Medienmogul. So etwas beeindruckte die Leute und minderte so manche Vorschriften. Nur wollte sie ihren Vater nicht aus eigennützigen Gründen suchen. Aber was wenn sie möglicherweise noch Brüder oder Schwestern hätte? Sollte sie dass dann nicht wissen?

      Verflucht. Jetzt würde sie sich doch entscheiden müssen. Jahrelang hatte sie die Tatsache verdrängt keine Ahnung von ihrem Vater zu haben. Sicherlich gab es einen guten Grund dafür. Nur jetzt besaß sie ebenfalls einen um sich genau deshalb auf die Suche nach ihm zu machen.

      Als sie in die enge Seitenstraße zu ihrem Wohnblock abbog hörte sie plötzlich Schritte hinter sich. Rein aus Gewohnheit drehte sie sich um. Doch es war niemand zu sehen. Seltsam, dachte Emma, sie war sich eigentlich ziemlich sicher gewesen. Naja, offenbar war sie doch mehr abgelenkt wie gedacht. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und öffnete die letzte Nachricht von Max. Schließlich schuldete sie ihm noch eine Antwort.

      Bildete sie sich das nur ein, oder hatte sie da gerade eine menschliche Gestalt vorbeihuschen sehen? Sie blieb stehen und lauschte. Wieder rührte sich nichts. Nur das leise Rauschen des Windes.

      Okay, sagte sie sich, ich sollte echt dringend nach Hause, bevor ich wirklich noch anfange zu halluzinieren. Sie steckte das Handy zurück in die Tasche und wollte gerade loslaufen, als sie eine Art »Rumpler« wahrnahm.

      »Hallo? Ist da jemand?« Es war verrückt. Und vermutlich total harmlos, aber langsam bekam sie es doch ein wenig mit der Angst zu tun. Sie umklammerte ihre Handtasche etwas fester und sah sich ein weiteres Mal um. Sämtliche Haustüren waren verschlossen und Rollläden heruntergelassen. Die Sonne war bereits untergegangen und die Straße menschenleer. Sie ignorierte die Vernunft, die ihr sagte, dass alles in Ordnung war und rannte das letzte Stück vor bis zur Eingangstür des Mehrparteienhauses in dem ihre Wohnung lag. Als sie diese wieder von innen schloss lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen und stieß einen langen Seufzer aus. Irgendetwas stimmte einfach gerade nicht mit ihr. Das war jetzt schon das dritte Mal in Folge,