Pforte des Todes. Willi Voss

Читать онлайн.
Название Pforte des Todes
Автор произведения Willi Voss
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967526769



Скачать книгу

»Der besucht mich dann und wann. Dieter Rose.«

      »Welchen Autotyp fährt er?«

      »Astra. Rot«

      »Das Kennzeichen?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Soll ich nachsehen?«, fragte Termöhlen.

      »Das bringt uns jetzt nicht weiter«, gab Reineking zurück. »Vor dem Haus stand der Wagen nicht. Aber Frau Meyer kann uns sicherlich weiterhelfen.«

      Sie ging hinein. Die Polizisten folgten ihr. Frau Meyer hob das herunter gerissene Landschaftsbild vom Flur auf. Im Wohnzimmer warf sie sich in einen der Sessel.

      Termöhlen postierte sich an der Tür, als erwartete er einen Fluchtversuch. Reineking lehnte abwartend neben dem Fenster und zählte von Zehn nach unten, sehr wohl wissend, dass der verstörten Dame keine Zeit zum Erfinden einer neuen Wahrheit bieten durfte. Als er bei null angekommen war, zog er Zigaretten hervor.

      »Der Dieter ist das also«, sagte er bestimmt, »wo wohnt er, was macht er?«

      »Der hat keine Arbeit.«

      »Aber eine Adresse.«

      »Kenne ich aber nicht!«

      Reineking entnahm der Packung eine Zigarette, entzündete sie, sog den Rauch ein und blies ihn durch die Nasenlöcher wieder aus.

      »Kann ja sein««, sagte er sanft. »Kann aber auch sein, dass unser Eindruck zutrifft, von Ihnen an der Nase herum geführt zu werden.«

      Sie hob den Kopf, sah nicht ihn, sondern Termöhlen an.

      »Aber seien Sie sicher: wir werden ihn finden. Wir finden auch heraus, aus welchen Gründen er davongelaufen ist. Wenn es die sind, die wir annehmen müssen, haben Sie ganz, ganz schlechte Karten. Beihilfe zum Mord, Frau Meyer.«

      »Wir müssen Sie dem Untersuchungsrichter vorführen«, fügte Termöhlen weniger sanft hinzu. »Der entscheidet, ob Sie in Haft genommen werden. Ich tippe auf ein glattes Ja.«

      Sie schwieg, betrachtete ihre dünnen Hände, die Finger, die einander wie Spinnenbeine betasteten, schüttelte heftig den Kopf und wandte sich an Reineking.

      »Was habe ich denn gemacht? Wofür kann ich denn eingesperrt werden? Weil einer weggelaufen ist?«

      »Es kommt auf das Motiv des Weglaufens an«, sagte Termöhlen bissig.

      Reineking hatte war sich nicht ganz sicher, ob diese Frau tatsächlich so naiv war, wie sie zu sein vorgab. Ihr provozierendes Aussehen diente ihr sicherlich nicht nur als Verkleidung, es war möglicherweise Ausdruck ihrer Furcht, das, was sie als »Leben« definierte, zu verpassen, war ihr Schlüssel, dem tristen Dasein an der Seite eines schwer kranken Ehemannes zu entfliehen. Aber vielleicht auch eine bestimmte, gewollte Art des Selbstbetrugs, ein Sturz in die Welt, die von dem geflüchteten jungen Mann in aller Selbstverständlichkeit repräsentiert wurde. Hatte sie, die von Alter und Herkunft ganz sicherlich nicht Prädestinierte, für ihre Zugehörigkeit zu der Gruppe dieser jungen Leute einen Preis zahlen müssen?

      »Sie scheinen nicht zu begreifen, was uns hergeführt hat, Frau Meyer«, sagte er. »Wir ermitteln im Umfeld eines Tötungsdelikts, in dem Ihr Handy eine Rolle spielt. Wir wissen, dass damit am Sonntag um 23 Uhr 57 vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal gesprochen wurde. Warum haben Sie Rose gewarnt?«

      Ihre Brust hob und senkte sich wie nach schwerer Anstrengung. Sie kam Reineking wie eine Frau vor, die ihr Leben lang einer Illusion nach der anderen hinterhergerannt war und soeben die letzte entsetzt zerplatzen sah.

      »Hab nur gesagt, dass Polizei da ist«, sagte sie. »Mit Tötung habe ich nix zu tun. Bin nur `ne doofe Hausfrau mit nix sonst als ´nem kranken Knacker im Haus, der grad mal noch kriechen kann. Und was den Dieter angeht, den fragen Sie mal selbst, warum er abgehauen ist. Ich habe mein Leben lang nur gekocht und geputzt und mich geschunden und abgerackert, und mir ist es egal, ob mit diesem Quatschkasten telefoniert wurde oder nicht. Und wenn Sie mich jetzt mitnehmen wollen, dann nehmen Sie mich mit. Wir kleinen Affen können uns ja nich gegen die Staatsmacht wehren, das können wir nicht, da sind wir ja zu klein für.«

      Sie hielt ihm die mageren Arme entgegen.

      Reineking ging bis an den Tisch und schnippte die Asche seiner Zigarette in den Becher. Er senkte den Kopf, um zu verhindern, dass Termöhlen sein Gesicht sah. Es war einer der Augenblicke, da er verfluchte, eine Tätigkeit auszuüben, die ihn auch zwang, Menschen wie zu stellendes Wild zu behandeln.

      »Wir sind nicht die Staatsmacht, die Sie meinen«, sagte er leise, »wir sind jene, die es Ihnen ermöglicht, in Sicherheit zu leben.«

      Sie zuckte die Achseln.

      »Und wir waren so weit«, fügte er hinzu, »dass Sie uns Ihr Handy zeigen wollten.«

      Sie erhob sich wortlos, ging auf Termöhlen zu, der - sein Gesicht zeigte jene verständnislose Ausdruckslosigkeit, die Bände sprach -, den Eingang freigab und ihr, als sie im Flur und nach oben verschwand, kopfschüttelnd nachblickte.

      »Wenn du mich fragst, werden wir hier ganz schön auf die Schippe genommen. Die hat es faustdick hinter den Ohren.«

      »Was können wir denn beweisen? Ihre Stimme war es jedenfalls nicht.«

      »Mag ja sein ... Was willst du mit dem Kerl machen?«

      »Erstens müssen wir ihn haben und zweitens ist Weglaufen kein Delikt.«

      »Der läuft ja nicht aus Spaß an der Freude. Der hat was gedreht und macht die Mücke, weil er glaubte, wir seien hinter ihm her. Und die da«, er zeigte mit dem Daumen hinter sich, »sie hat ihn gewarnt. Also stecken sie unter einer Decke. Hast du seine Augen gesehen?«

      »Was ist damit?«

      »Richtig gelbe Wolfslichter, gnadenlos.«

      »Mensch, Hennes!«

      »Oft stimmt das, glaub mir, oft passen die Äußerlichkeiten zu dem Zeug, das einer in sich hat. Ich sag ja nicht, dass es immer so sein muss, ich sag, dass es manchmal hinkommt.«

      »Ein Wolf im Punkoutfit, was?«

      Reineking lachte leise. Termöhlen rieb sich das Kinn.

      »Ach Scheiße«, sagte er, »ich labere schon wie nach der Pension. Am Ende hat der Vennebeck recht und der Kerl ist vom Gerüst gefallen.«

      Die Treppe knarrte. Sekunden später betrat Helga Meyer das Wohnzimmer. In den Händen hielt sie eine Packung, jene, in der offensichtlich einmal das Telefon nebst einigem Zubehör geliefert worden war.

      »Ganz komisch«, sagte sie, »der Karton war da, das Handy nicht. Ich bin ganz sicher, dass es oben im Nachtschränkchen lag, in dem Kasten auf meiner Seite.«

      Sie wirkte aufrichtig bestürzt. Reineking war sich nicht sicher, ob er ihr die Geschichte abkaufen sollte. Ehejahrzehnte brachten oft mehr als Schauspielerausbildung. Kam auf die Ehe an.

      »Tja, das ist bedauerlich«, sagte er. »Hat hier außer Ihnen und Ihrem Mann jemand anders Zutritt?«

      »Manchmal sind meine Tochter und ihr Mann da, aber ... Nee, die rühren so was nicht an, die nicht.«

      »Und Rose?«

      Sie lachte auf. »Den kenne ich ja gar nicht so richtig, oder meinen Sie, ich lass jeden in unser Schlafzimmer?«

      »Sie sind es, die eine Wegnahme ohne Ihre Erlaubnis unterstellen!«

      »Ja, wie soll das sonst verschwunden sein?«

      »Das ist die Frage«, sagte Reineking. »Ich hoffe sehr, dass Sie uns helfen, sie zu beantworten.«

      »Wie denn, wenn ich selbst keine Ahnung habe?«

      Reineking suchte ihren Blick. Sie hielt ihm stand.

      »Na gut«, sagte er. »Ich schlage Ihnen vor, sich die Geschichte noch einmal zu überlegen. Auch mit der Gewissheit, dass wir die Wahrheit herausfinden werden.«

      Sie