Pforte des Todes. Willi Voss

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Название Pforte des Todes
Автор произведения Willi Voss
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967526769



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      12

      Der Mann im Türrahmen war etwa dreißig Jahre alt, groß und schlank. Er trug einen vorzüglich geschnittenen Anzug, der, schätzte Grotejohann, sicherlich nicht von der Stange war, ein schneeweißes Hemd, eine bordeauxrote Krawatte, schwarze Schuhe und über der linken Schulter an einem Riemen eine schmale Dokumententasche. Sein fein geschnittenes Gesicht wurde beherrscht von großen, dunkelbraunen Augen, deren unbekümmerte Eindringlichkeit durch die blitzenden Gläser einer randlosen Brille verstärkt wurde

      »Bartholomee ist mein Name«, sagte er mit sanfter, redegewohnter Stimme. »Ich hätte gerne Frau Hermesmeyer gesprochen.«

      Deutschlandfunkstimme, und dort das Feuilleton, dachte Grotejohann. Er ließ das Nachrichtenmagazin auf den Schoß sinken, in dem er über die bevorstehende Landtagswahl gelesen hatte, die bequem ruhenden Beine trotz eines gegenteiligen Impulses auf dem Schreibtisch. Eher Lexikon als Staubsauger, schätzte er.

      »Da haben Sie aber Pech«, sagte er nicht ohne Genugtuung. »Ich glaub nicht, dass sie Ihnen was abkauft.«

      Bartholomee lachte jungenhaft.

      »Ich will weder Ihnen noch Ihrer Sekretärin etwas verkaufen.«

      Grotejohann nahm die Beine vom Tisch.

      »Aber wollen tun Sie was, oder?«

      »Ihre Hilfe. Ich nehme an, Sie sind Herr Grotejohann und der Inhaber dieser Agentur?«

      Er blickte den Journalisten fragend an, klopfte, als keine Reaktion kam, mit dem rechten, gebogenen Zeigefinger symbolisch gegen die Türzarge und betrat das Büro.

      »Darf ich?«

      »Wenn Sie Ihr Versprechen halten.«

      »Lediglich ein kurzes Gespräch«, sagte der Bartholomee, »und nur, wenn Ihre Zeit es erlaubt.«

      Grotejohann erhob sich, stellte fest, dass sein Besucher ihn um einige Zentimeter überragte, deutete auf die am Fenster stehende Sitzgruppe und griff nach seiner auf dem Schreibtisch liegenden Zigarettenpackung.

      »Mögen Sie?«

      »Glücklicherweise nicht mehr«, sagte Bartholomee und ließ sich in einen der zerschlissenen Ledersessel fallen. »Aber vielen Dank. Auch dafür«, fügte er ironisch hinzu, »dass Sie mich so liebenswürdig empfangen.«

      »Beim zweiten Besuch gibt´s Küsschen.«, sagte Grotejohann. Er zündete sich eine Zigarette an.

      Bartholomee legte die Hände ineinander. Er suchte Grotejohanns Blick, schien herausfinden zu wollen, wer sich tatsächlich hinter der recht zotteligen Fassade dieses Mannes verbarg.

      »Ich bin Mitarbeiter der katholischen Kirche und als solcher für die Bearbeitung bestimmter Problembereiche zuständig. Ich diene, wenn Sie so wollen, als Ermittler in strittigen Personalfragen.«

      »Sie haben also die Aktienmehrheit an meinem Unternehmen erworben und wollen mir schonend meinen Rausschmiss beibringen?«

      »Mich führen freundliche Absichten.«

      »Sie machen mich neugierig.«

      »Wir sind es, Herr Grotejohann. Seit heute Mittag, seitdem wir über den Besuch Ihrer Sekretärin im Mindener Vikariat informiert wurden.«

      Leuchtgesicht, dachte Grotejohann.

      »Und jetzt wollen jetzt das von ihr entwendete Altargold zurück?«

      »Frau Hermesmeyer erbat Auskünfte über einen unserer Mitarbeiter. Einen ehemaligen, um präziser zu sein, den wir leider aus mehreren Gründen als Problemfall betrachten müssen.«

      »Sie suchen also einen Behindertenjob?«

      »Nein, wir sind lediglich erstaunt, dass Ihre Sekretärin sich nach unserem Problemfall erkundigte.«

      »Wir sind eine feine, wenn auch kleine Nachrichtenagentur, Pater.«

      »Gewiss.« Bartholomee nickte und lächelte. »Was uns neugierig macht, ist, wieso Sie in dieser - sagen Sie in Ihrem Metier Zielperson? - eine Geschichte vermuten.«

      »Wieso alarmiert Sie das?«

      »Ihr Eindruck, wir könnten alarmiert sein, ist falsch. Ganz im Gegenteil, wir sind erfreut über Ihr Interesse, zeigt es uns doch, dass unsere Hoffnung, diese Person zu finden, nicht unbegründet ist.«

      »Ich verstehe«, sagte Grotejohann, »aber leider nicht alles. Ich frage mich, ob wir von der gleichen Person sprechen.«

      »Daran habe ich keinen Zweifel.«

      Grotejohann zerdrückte die eben erst angerauchte Zigarette, spürte jene besondere Art von Kribbeln in der Bauchgegend, die ihn immer dann stimulierte, wenn er einer guten Geschichte auf der Spur war.

      »Über wen sprechen wir also?«

      »Sie kennen den Namen.«

      »Pater Jakob?«

      »Ehemals Pater Jakob.«

      »Wieso ehemals?«

      »Er ist aus dem Dienst der Heiligen Kirche entlassen.«

      »Exkommuniziert, davongejagt?«

      Bartholomee schüttelte sanft den Kopf. »Das erste ja, das zweite nein.«

      »Jedenfalls ist Ihnen seine Postleitzahl abhanden gekommen. Und die brauchen Sie. Weil Sie was von ihm wollen.« Grotejohann hob die rechte Hand und drohte mit dem ausgestreckten Zeigefinger. »Tragen Sie vielleicht so ´n schräges Abzeichen unterm Revers? Geheimdienst seiner Heiligkeit?«

      Bartholomee lächelte unbeeindruckt.

      »Nein, ich trage kein Abzeichen. Sie können sich gerne überzeugen.« Er legte die Daumen hinter die Aufschläge und schob sie nach vorne.

      »Schon gut«, sagte Grotejohann. »Ich habe ein schlichtes Gemüt und obendrein eine schlechte Auffassungsgabe. Fahren Sie nur fort.«

      »Gerne«, sagte Bartholomee. »Die Stelle, der ich zugeordnet bin und die, wie ich bereits erklärte, sich dieser strittigen Fragen anzunehmen hat, ist etwas ganz Normales, ein Amt, das sich zum Beispiel um den Verbleib von Menschen wie Pater Jakob zu kümmern hat. Und um den wir«, fügte er betont hinzu, »aus triftigen Gründen besorgt sind. Und weil wir besorgt sind, verfolgen wir jede sich anbietende Spur.«

      »Warum schalten Sie nicht die Polizei ein?«

      »Pater Jakob hat sich keines Delikts schuldig gemacht.«

      »Warum ist er rausgeschmissen worden?«

      »Ich bin nicht befugt, darüber Auskunft zu geben.«

      »Womit Sie der Fantasie reichlich Futter geben.«

      Bartholomee schüttelte den Kopf.

      »Es ist eine simple Angelegenheit, Herr Grotejohann, der Fall eines tiefgläubigen Menschen, dessen Geist aus Gründen, die weder Sie noch wir ergründen können, irgendwann einen Knacks erfährt. Pater Jakob, nennen wir ihn getrost weiter so, ist leider Gottes geistig verwirrt und neigt in seiner Verwirrung zu unkontrolliertem Handeln. Wir sehen uns in der Verantwortung und möchten Nachteiliges für ihn verhindern. Das ist der Sachverhalt.«

      »Und jetzt wollen Sie, dass ich ihn Ihnen schön eingepackt vor die Füße stelle?«

      »Sie wissen also, wo er zu finden ist?«

      Grotejohann zündete sich eine frische Zigarette an. Es war dieses Flimmern in den Augen des anderen, das ihm das Gefühl gab, an den falschen Baum geführt worden zu sein.

      »Tut mir leid«, sagte er, »ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen.«

      »Das ist sehr bedauerlich«, sagte Bartholomee und fügte, den Journalisten fixierend, rasch hinzu: »Warum interessieren Sie sich eigentlich für den Pater?«

      Grotejohann