Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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zeigen, daß er zur Jagd eigentlich geladen sei mit Pulver und Blei, wie sich's von selbst verstehe und es auch immer der Fall gewesen. Er habe wohl schon seine hundert Jagden als Ehrengast mitgemacht, und er gehe nun einmal mit den Treibern aus reiner Passion, er müßte wieder einmal sehen, wie sich das Gaudium von dieser Seite ausnehme. Es sei möglich, daß sich diesmal der Graf selbst als Treiber beteilige, er habe so etwas gegen ihn geäußert, und zwar, als sie letzthin in Frohnburg bei Tische zusammen gewesen wären.

      Als die Treiber mit ihren Fackeln gegen das Heidehaus kamen, trillerte der Knecht des Hahnenkamps:

      Faules Heu,

       Da Dalkerd duselt da sein Wei!

      Da lispelte der Zapfenwirt:

      »Tut ihm was an, Leut'; wenn unsereins auf ist, soll ein solcher auch nicht Polsterzipf tunken.«

      Da hielt ein übermütiger Bursche eine Lunte an das Fenster und schrie aus vollem Halse:

      »Auf, Heidepeter! Feuer! 's Haus brennt!«

      Da erscholl in der Stube ein Schrei, und darauf ein Stöhnen und Jammern.

      Die Männer lachten und gingen weiter. Der Hund bellte und riß heftig an der Kette; der Zapfenwirt sprang hin und versetzte dem Tier einen Fußtritt.

      »Tolles Vieh, deinetwegen letztens meinem Davidl. Noch eins! Und sag's dem Dalkerd, ihm mach' ich's auch einmal so – noch eins, du Beest!«

      »Ist ein alt' Ding, daß der Heidepeter keinen Spaß versteht,« sagte der Knecht, »dalkerd sind diese Leut'!«

      »Und wollen noch hoch hinaus dabei.«

      »Ja, zum Schornstein 'leicht!«

      »Liegen auf der faulen Haut bis sechs!«

      »Jetzt hat er für seinen Prinzen gar einen Hofmeister ins Haus genommen«, sagte der Haberturm.

      »Dem versprengten Schulmeister gibt er Unterstand!«

      »Der soll dem Gaberl den Teufel austreiben – den Teufel von der Jakobinacht«, lachte ein Kohlenbrenner.

      »Weißt du auch schon davon?«

      »Ha, das erzählt die ganze Einöd. Das war ein Hauptspaß.«

      »Wie ist denn das eigentlich zugegangen?« fragte der Haberturm.

      »Du sollst so was gar nicht fragen, Haberturm – weißt, deines Haberturms wegen nicht!« rief der Wirt, auf die Weiblosigkeit anspielend.

      Der Bauer gab darauf keine Antwort; in Sachen seines Erbverhaltes war er empfindlich.

      »Je, wie ist's zugegangen!« rief der Toni, Hahnenkamps Knecht, »sauber halt. Lacken-Lisi. Ich mach' zum Samstagabend bei ihr mein Fensterln. Das war nächst, am Jakobitag. Ich geh über des Heidepeters Wiese; sitzt der Gaberl auf dem Rain. – Was machst so spat? frag ich. – Ein Liebfrauenschüherl fliegt, sagt er, und ich geb' ihm einen Gruß mit in den Himmel hinauf. – Wird der heilig Dalkerd wie sein Vater; heut' machst mit ihm einen Spaß! denk' ich, und sag': Magst mit mir laufen, Gabriel? – Hab' kein' Zeit, mein Vater pfeift gleich zum Rosenkranzbeten. – Bist bald zurück, ich zeig' dir ins Paradies hinein, siehst Adam und Eva. – Hüpft der Kleine vom Rain herab: Weißt du die? – Und lauft mit mir und fragt mich zehnmal: Sieht man den Apfelbaum auch? – Freilich sag' ich. – Und beißt die Schlange? – Kein' Red'! – So kommen wir zu der Lisi ihrem Fenster; 's ist schon finster. Sie macht zu eigens auf. Wir sind drinnen, und ich hals' die Dirn. Da hebt euch der tolle Bub auf einmal an zu schreien: Vater, Mutter!«

      Sie lachten, und der Wirt sagte:

      »Der Dalkerd, hör' ich, hat dir deswegen ja schon eine Bußpredigt gehalten?«

      Unter solchen Gesprächen ging es aufwärts über die Heide und durch die Waldungen gegen den Pfaffenhut.

       * * *

      Im Heidehause war Jammer mitten in der Nacht.

      Klara lag bewußtlos auf dem Boden, und der Peter schüttete ihr ununterbrochen kaltes Wasser ins Gesicht und rief:

      »Ja, Klara, meine Klara, was ist denn das? Wirst mir doch nicht sterben! Schau' auf, es ist nicht wahr, es brennt ja nicht, es ist ja nur ein Spaß gewesen von den Leuten.«

      Gabriel stand im Hemdchen vor der Mutter und weinte, und als der Vater sagte:

      »Gabriel, geh, bet', bet' zum lieben Gott im Himmel!« kniete er hin zum Tisch, und gegen den kleinen Hausaltar gewendet, betete er laut: »Vater unser! Vater unser!«

      Regina schluchzte in der Wiege und stammelte:

      »Himmel-Tata, Himmel-Tata!«

      Das waren die einzigen Worte, die sie schon sprechen konnte.

      Jetzt kam vom Oberstübchen herab der Schulmeister mit Licht, und als er die Dinge sah, sagte er:

      »Hör' auf mit dem Wasser, Peter, hast kein Federmesser da?«

      »Mein, wo hätt' ich denn ein Federmesser! Seht, das Unglück auf einmal.«

      Der Schulmeister nahm aus der Lade den Brotschnitzer, ließ der Ohnmächtigen zur Ader und verband sie.

      Nun bewegte Klara eine Hand, und endlich schlug sie die Augen auf.

      »Die Jäger sind vorbeigezogen«, berichtete der Peter, »und die haben halt einen Spaß gemacht, haben eine Fackel ans Fenster gehalten, und darüber ist sie frei soviel erschrocken. – Daß du nur wieder da bist, Klara, Gott sei Lob und Dank!«

      Dem kleinen Gabriel war das Gebet im Munde erstickt, als er den schwarzen Blutstrahl sah, der aus dem Arm seiner Mutter hervorquoll.

      Als das Weib wieder im Bette lag und ruhiger Atem holte, dann und wann die Augen aufmachte, nach den Kindern fragte und dabei ein wenig lächelte, zog der Peter seine Sonntagskleider an, um den Arzt zu holen.

      Der Schulmeister machte sich erbötig, den Gang zu tun, allein der Peter sagte:

      »Nein, bleib' der Schulmeister derweil bei meinem Weib. Beim Bader ist so viel aufzumerken und anzusagen; da muß ich schon selber gehn.«

      Und er ging hinaus nach Rattenstein.

      Das war in derselben Nacht, von der die Treiber sagten, der Dalkerd bleibe liegen bis sechs. –

      Nun waren im Heidehause wochen- und monatelang die Fenster verhangen. Der Arzt kam allwöchentlich einmal hereingeritten, um die Krankheit zu beobachten.

      »Sie ist ein so frisches, kräftiges Weib gewesen«, sagte er einmal zum Peter.

      Der Bauer zitterte und getraute sich kaum zu fragen:

      »Wird's doch wohl wieder werden?«

      »Ei ja freilich, ei ja freilich«, versetzte der Arzt und stellte sich dabei munter.

      Als dieser hernach auf der Heimkehr sein Pferd vor dem Zapfenwirtshause anhielt, eilte die Wirtin herbei:

      »Nein, Herr Doktor, wie mich das freut, daß uns der Herr Doktor auch einmal heimsucht. Hans, geschwind dem Herrn Doktor sein Roß in den Stall; schütt' ihm von dem besten Hafer ein! Nein, das kann ich mir denken, daß so ein weites Hereinreisen da in die Einöd lästig sein wird. Mit was kann ich dem Herrn Doktor aufwarten? Da oben bei diesem Dalkerdbauern haben der Herr Doktor so nicht einmal soviel Jausen kriegt, als eins im Aug' erleiden könnt', das sind soviel geizige Leut'. Ei beileib', sie hätten's schon, und der Heidegrund ist rechtschaffen gut; wie oft hab' ich zu meinem Mann gesagt, du, hab' ich immer gesagt, wenn wir diesen Grund hätten, in fünf Jahren wären wir steinreich. Aber so! der Heidepeter versteht halt nichts anzufassen, der läßt lieber 's Gras auf dem Kornacker wachsen, eh' er um ein Stündl früher aufsteht; er ist einmal ein Dalkerd und bleibt ein Dalkerd.«

      »Mir scheint,« sagte der Chirurg, in der Gaststube Platz nehmend, »es sind gute, fleißige Leut', und soviel man bei uns in Rattenstein weiß, ist der Heidepeter ein braver Mann.«

      »Ei, das wohl,« versetzte