Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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– Gar nicht, sag' ich! er ist fleißig und auch häuslich; 's ganze Jahr kommt er mir nicht ins Haus, ausgenommen, 's ist Christenlehr'. Ja, dasselb' muß ich sagen. Mein, wo wär' der Mensch, über den niemand was aufzubringen wüßt'; die Leut' reden gar viel, wenn der Tag lang ist. – So nimm doch ein Tasserl, du ungeschickte Schnepf', nein, wenn unsereines nicht alles selber angreift!«

      Und sie riß der Magd die Flasche aus der Hand, langte ein glänzendes Tellerchen aus dem Glaskasten, und stellte darauf die Weinflasche höflich und zierlich vor den Gast auf den Tisch.

      »Nein, das freut mich recht, Herr Doktor; 's vergeht schon völlig kein' Stund', wo ich nicht auf den Herrn Doktor denk', und wo ich nicht sag': Aber schau', der Herr Doktor hat uns halt dennoch ganz vergessen und kommt uns gar nicht mehr heimsuchen. Vor zehn Minuten hab' ich's noch gesagt; Annel, hab' ich's nicht gesagt, vor zehn Minuten grab? Und mit Verlaub, wie geht's denn der armen Haut, der Klara?«

      »Wohl besser, wohl besser,« sagte der Arzt, »aber ganz gesund wird sie sobald nicht, all' ihr Lebtag wird's ihr anhängen. Der Schlag ist eben ein Unglück, und er wiederholt sich nur zu gern.«

      »O mein Gott!« seufzte die Wirtin und schlug die Hände zusammen. »Das ist ein Elend für die Leut', sie erbarmen einen wohl rechtschaffen. Wenn nur die Einschicht-Res nicht dazu kommt, sag' ich allemal, die ist gleich da mit ihren Kräutern und Hexensachen, wenn so was ausbricht. Das von den drei Holzknechten werden der Herr Doktor wohl schon wissen?«

      »Drei Holzknechten?« fragte der Arzt, indem er trank und darauf ein saures Gesicht machte.

      So auffallend dieses Gesicht war, die Wirtin wollte es nicht bemerken, sie rückte ganz geheimnisvoll näher.

      »Ja, hören der Herr Doktor, das ist – Gott verlass' uns nicht – eine schauderhafte Geschichte. Mir hat's gestern ein Pechölträger erzählt; wenn er lügt, lüg' ich auch, aber ich mein', 's wird wahr sein. Gar nicht weiter soll's eins sagen, aber ich sag's auch nur dem Herrn Doktor, sonst keinem Menschen nicht; – drei Holzknecht hat sie umbracht.«

      »Wer?«

      »Nu ja, halt da oben das Hexenweib, die Einschicht-Res. Drei junge, starke Holzknecht'; was weiß ich, durch ein Trankel soll sie s' vergiftet haben. So hab' ich's gehört; mein, ich sag's halt nach. Wahrhaftig, bei der Zeit traut sich eins schier nicht auf der Welt zu sein.«

      So plauderte die Wirtin fort.

      Auf den Arzt schienen ihre Neuigkeiten weniger Eindruck zu machen, als sie es gewohnt war. Als er hierauf nach der Zechrechnung fragte, sagte sie:

      »Hätt' mir ein' Ehr' daraus gemacht, wenn ich hätt' dürfen aufwarten; aber wenn der Herr Doktor von der Zapfenwirtin schon nichts geschenkt haben wollen: neunundfünfzig Kreuzer alt's Geld, wenn ich bitten darf.«

      Er warf einen Gulden hin.

      »Behaltet den Kreuzer fürs Schwatzen.«

      Sein Gesicht war sauer, und doch funkelte des Weines größter Teil noch im Glase.

      »Vergelt's Gott! Und kommen der Herr Doktor nur recht gesund heim. Und fürs nächste Mal bitt' ich mir wohl wieder die Ehr' aus!«

      Als der Arzt auf dem Pferde fortgetrabt war und die Wirtin in der Gaststube Teller und Glas wegräumte, redete sie noch in einem fort, diesmal zum Annel, dem sie dartat, wie lästig ihr so ein Mensch sei, der da auf hohem Roß herumhopse und stolziere wie der Hahn im Teig, und einen Herrn spielen wolle, während er, recht besehen, doch nichts anderes sei als ein Guckhäusler in Rattenstein, der daheim bei Weib und Kind gewiß froh sein würde, wenn er zum Sonntag so einen Wein hätt'.

      Hast gesehen das G'sicht, das er geschnitten hat? Das Leiden Christi ist oben gestanden und der link' Schächer noch dazu. Und dabei hätt' er dem heiligen Antoni drei Wallfahrten versprochen, wenn er das Tröpfel rundweg hätt' trinken dürfen. So sind sie, die Hungerleider auf hohem Roß.«

      Dann rief sie den Davidl herbei und sagte, er möge den Wein austrinken, und sie warf ein Stück Zucker in das Glas.

      Der Davidl war heute besonders zerrauft und zerzaust. Er hatte eben mit einem Pecherbuben Händel gehabt. Die Spuren davon fanden sich so auffallend vor, daß die Zapfenwirtin sagte:

      »Leg' mir aber gleich das Sonntagshös'l an, mein Kind, und gib das der Annel zum Flicken.«

      »Das tu ich nicht!« schrie der Knabe trotzig und nagte an den Fingernägeln.

      »So soll dir die Annel helfen.«

      Aber der Magd schlug er ins Gesicht, und dann spuckte er in der Stube umher und polterte aus Zorn mit den Bänken.

      Der Forstjunge Herbert trat ein. Er lehnte sein Gewehr in die Ecke und begehrte ein Glas Schnaps.

      »Uj, grüß' dich Gott, Herbert,« rief ihm die Wirtin zu, »du kommst mir gar so selten unter mein Dach. Dein Vorfahr, der Gregor, ist nicht so stolz vorbeigegangen. Aber, daß ich's aufrichtig sag', dem Greg hätt' ein eisernes Sparbüchsel gar nicht geschadet, der Großteufel – aber na, das ist schon grob, sein Lebtag: Ein schlechtes Wort, eine graue Maus, wie's beim Ohr hinein, so beim Mund heraus! – Aber dasselb' ist richtig, der Herr Graf pensioniert seine Leut' mit dem Bettelsack, und just nicht mit dem vollen. Und daß ich frag', wie geht's dir alleweil, bist doch nicht gar krank gewesen?«

      »Immer gesund, wenn man das nicht zählt, was fehlt«, versetzte der Bursche. »Ihr wißt es wohl, Zapfenwirtin, daß mir der Haberturm schier ein Bein abgeschlagen.«

      »Kein Wort, bei meiner armen Seel', kein Wort«, beteuerte die Wirtin lebhaft, und ihre Äuglein funkelten vor Begierde nach einer wahrhaftigen Neuigkeit.

      »Als ob ich anders könnt', als meine Pflicht erfüllen,« sagte der Jäger bitter, »meinetwegen sollen sie alle Böcke und Hirsche niederbrennen, aber sehen darf ich's nicht. Ich muß den Wald und das Wild hüten, das hab' ich geschworen. Wenn der Haberturm ein Weib hätt', ginge er in der Nacht gleichwohl nicht mit der Büchs' herum. In seinem eigenen Hof hab' ich ihm das gesagt, darauf schleudert er mir den Haustiel an die Beine.«

      »Siehst du, siehst du,« drauf die Wirtin, »alleweil ist's mir vorkommen, dieser Haberturm ist ein Wildling! Und das ist ein rechter Jammer mit diesen Leuten, daß man nie weiß, wer und was sie sind, wo man sie hintun soll, bis sie nicht der Müh' wert was anstellen. Seinen jetzigen Jungen hat der Haberturm gar auf der Straßen aufklaubt. Mir träumt beim hellichten Tag, das ist ein Zigeunerkind oder noch was drüber, und ein stehender Traum ist selten ein Schaum.«

      Der Haberturmhof gab für die Zapfenwirtin stets unerschöpflichen Gesprächsstoff, von welchem sie indessen heute auffallend bald abwich, indem sie zum Jäger sagte:

      »Just früher ist der Bader von Rattenstein dagewesen; er kann an uns nicht vorübergehen, sagt er, und draußen im Tal bekam er halt nirgends das Trankel wie bei uns. Freilich, ein guter Tropfen ist's erst bei einem rechtschaffenen Wirt, und für einen solchen hab' ich mich mein Lebtag umtan. Der Bader ist bei der Heidepeterin oben gewesen; nicht drei Tag lebt sie mehr, sagt der Bader, 's kommt der Schlag und aus ist's.«

      »'s wär' ihr zu wünschen!« sagte der Jäger halb für sich.

      Die Wirtin sah ihn von der Seite an. Ist denn das ein so schlechter Mensch?

      »Wahrhaftig,« fuhr Herbert fort, »das arme Weib hat nichts Gutes auf der Welt. Diese Einöde ist ein unseliger Fleck Erde. Ihr all' miteinand' habt nichts als das Elend. Die Armut ist es nicht allein, mehr sind es ihre guten Kameraden, der Hader, der Neid, die Bosheit; 's gibt wenig Engel, aber viel Teufel hier – eine schauerliche Einöde. Wenn sie die Heidepeterin hinabsenken, so werf' ich eine Scholle Erde auf den Sarg und sage: Gott sei Dank! Es sollte gar kein anderes Wort gesprochen werden, wenn sie einen von der Einöde begraben.«

      Die Schänkin schwieg eine Weile und machte sich bei dem Gläserkasten zu schaffen, endlich entgegnete sie:

      »Da laß ich jeden bei seiner Meinung.«

      Als der Jäger davongehen wollte, vermißte er das Gewehr. Der Davidl hatte sich damit heimlich aus der Stube gemacht.

      Und