Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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trag' den Leuten auf, und Milch dazu; ist ein kräftiges Essen.«

      Ein kräftiges Essen fürwahr und für kräftige Esser, denn der Zwieback war nichts anderes als altes, gedörrtes Schwarzbrot, das nur mit Eisenhacken zerkleinert werden konnte und erst durch langes Aufweichen in der Milch genießbar wurde.

      Und siehe, es ereignete sich öfter und öfter, daß dem guten Haberturm etwas Menschliches zustieß, so daß die unzufriedenen Knechte schon davon sprachen, die Vorratskammer zu erbrechen.

      Vor mehreren Jahren, als der Haberturm einmal auf Holzhandel aus war, brachte er einen hübschen Knaben mit heim. Dieser war der Sohn einer Dienstmagd; der Haberturm nahm ihn aus »reiner Barmherzigkeit« und übte an ihm Ziehvaterstelle. Vielleicht wollte er ihn zu seinem Nachfolger machen.

      Rudolf, wie der Junge hieß, war lebhaft in der Arbeit, anstellig und flink und immer munter. Er hatte sich mit seiner Umgebung bald vertraut gemacht, und wo es im Hofe, auf dem Felde oder im Walde was zu tun gab, da war er dabei, und alles wußte er so anzufassen, daß es ihm gelang, so daß der Altknecht sagte:

      »Der Kleine ist ein rechter Saggra, da spielt er sich herum mit dem Zeug, und es wird was fertig.«

      Rudolfs weiße Zähne waren die einzigen, die auch mit dem Zwieback fertig wurden.

      Eines Tages, als der Haberturm grämig vom Zapfenwirt heimkam, sagte der Knabe:

      »Vater, ich möcht' Euch wohl schön um was bitten!«

      »Gib Fried'! Ich bin nicht aufgelegt, will jetzt schlafen gehen!« entgegnete der Bauer unwirsch, aber des anderen Tages fragte er doch: »Rudolf, was hast mich denn gestern bitten wollen?«

      »Vater, der Tag ist lang, und die Steinarbeit ist schwer, unsere Leut' sind alle fleißig und richten was aus.«

      »Sei nur still, Bub', ich kenn' deine Flausen schon,« unterbrach der Bauer, »du möchtest dich im Hause überflüssig machen und zu Heidepeters Schulmeister 'nüberlaufen, wie du's heimlich schon getan hast. Gelt, daß ich alles erfahr' und errat' – gelt! Aber, ich sag' dir's, Bub, denk' mir an das Zeugs nicht! – Schau, Rudolf, wenn ich meine Pflüge und Mistgabeln politieren wollt', du tätst mich hellicht auslachen, und ein gelehrter Bauer ist geradeso wie eine politierte Mistgabel. Weißt, die Buchstaben bauen kein Feld an und stocken keinen Wald ab; die bleiben im Bücherstaub hocken und verduseln die Zeit. Was meinst, daß aus Heidepeters Gabriel wird. Ein Garnichts wird aus ihm: zum Bauer ist er zu gescheit, zum Herrn zu dumm. Ein Garnichts ist auch wer, meinst?«

      »Ich hab' Euch nur bitten wollen wegen was anderem,« sagte Rudolf schüchtern, »wenn Ihr nicht daheim seid, da geht's verkehrt zu – die Leut' haben kein rechtes Essen. Da bitt' ich Euch, daß Ihr mich das Kochen lehrt, dann will ich's schon besorgen.«

      »Ja, du junger Spatz wirst das Kochen lernen!« lachte der Haberturm; aber in den nächsten Tagen, wenn der Knabe neben ihm am Herde stand, redete er in einem fort: »So, Rudolf, jetzt schau, so macht man das, so rührt man das Mehl, so zerläßt man das Schmalz, so kocht man die Suppe ein, und das muß diese Form haben, und diese Farbe und diesen Geruch, und dazu nimmt man einen, oder zwei, oder drei Löffel voll von dem, oder dem –«

      Und als hierauf dem Haberturm wieder einmal was Menschliches zustieß, da kochte Rudolf das Mahl, und die Knechte lachten und sagten:

      »Jetzt mag der Bauer ausbleiben, solang' er will; wenn er nur zu Weihnachten kommt, um uns den Jahrlohn auszuzahlen.«

      Und Rudolf war froh in sich hinein und aus sich heraus, und er sang und jodelte, wo er ging und stand.

      Und er ging doch manchmal zum Heidepeter hinüber und lernte mit Gabriel und der kleinen Regina, und zu Hause übte er sich, nachts, wenn die anderen schliefen. Dann kam wieder Gabriel in den Haberturmhof, und sie setzten sich in der Hinterschupfe auf die Hanselbank und schrieben einander kleine Briefe.

      Dann wieder erzählte Rudolf seinem Freunde im Vertrauen, daß er nicht bloß Lesen und Schreiben lerne, sondern auch eine andere Wissenschaft – das Kochen.

      »Dich hat Gott zum Hausmutterl erschaffen,« sagte Gabriel lustig, »wenn ich Heidebauer werde, ich nehm dich!«

       * * *

      Und was hatten die zehn Jahre im Heidehause getan?

      Dem Peter hatten sie eine erkleckliche Anzahl grauer Haare gebracht, und Klara hatten sie, gottlob! doch nicht mit sich genommen. Der Tod war wohl mehrere Male ums Haus herumgeschlichen; einmal um Mitternacht hatte er just vor dem Fenster die Sense gewetzt, und der Uhu hatte geschrien auf den Tannen. Da lag Klara im Bett, blaß und still, und der Peter stand daneben und hielt ihr, sich selbst den Atem versagend, ein Stück Spiegelglas vor den Mund.

      Und das Spiegelglas wurde ein wenig trüb – eine stille Botschaft, daß die Tage der Trübsal dem armen Weibe noch nicht vorüber.

      »Gottlob!« wie der Peter stets sagte, »wenn sie auch mühselig ist, wenn sie auch herumhumpeln muß mit der Krücke, weil ich sie nur noch hab'! Was tät' ich denn, wenn mein Weib nicht wär'! Die Zung' ist ihr freilich schwer seit dem Schlagfall, aber wir verstehen sie schon.«

      Klara hatte in diesen zehn Jahren die Ihren wohl tausendmal starr angeblickt und gestammelt:

      »Mich deucht, 's ist nicht mehr so licht auf der Welt wie eh'dem; ich seh' wohl alles noch, aber die Sonn' will nimmer so hell scheinen, und mir ist's, als wollt's allweg dämm'riger werden.«

      War denn die Gesundheit nicht mehr zu erlangen?

      Wo in der Umgegend ein Arzt zu erfragen gewesen war, da hatte ihn der Peter aufgesucht. Gut wird's wohl recht langsam werden, hatten alle gesagt – so hoch waren sie studiert. Der Peter verkaufte ein Fahrnis um das andere und bezahlte die Medizin.

      Da war einmal die alte Kleesam-Kathi gekommen, und die hatte von einem Wunderdoktor erzählt, der weit draußen hinter dem Gebirge lebte. Der Peter band sich einen Laib Brot auf den Rücken und ging tagelang.

      Es war zur frühen Sommerszeit; die Natur prangte in reicher Kraftfülle, jedes Pflänzlein am Wege atmete junges Leben – und Peter suchte die Gesundheit für seine Gattin. Allweg trug er den breiten Hut in der Hand und betete; mit den fremden Menschen konnte er ja nicht reden, der liebe Gott allein verstand ihn. Der liebe, Gott, zu dem er gebetet in den Tagen seines Glückes, und der stets seine Zuversicht war zur Zeit der Drangsale.

      »Gelt, du mein himmlischer Vater!« rief er oft, »'s ist nicht dein Ernst, daß ich so in das Elend soll kommen; du willst mich nur probieren, ob ich nicht verzage. Bin ja mit allem zufrieden, nur einen Gefallen tu mir, wenn's dir nicht gar zu hart ist, meine Klara laß mir noch ein Eichtel!«

      Als er endlich zum Wunderdoktor kam und ihm sein Anliegen klagte, nahm dieser eine Prise zwischen die zwei Finger und, noch bevor er schnupfte, sagte er:

      »Wird nichts nutzen, Bauer, ihr vertut umsonst Euer Geld. Geht nur gleich heim, daß Ihr Euer Weib noch beim Leben trefft. Wenn Ihr schnupft, so warte ich mit einer Prise auf.«

      Aber der Heidepeter schnupfte nicht, er ging wieder gegen sein Gebirgsland und ging Tag und Nacht.

      Und als er zu seinem Hause kam, schimmerte ein Öllicht durch das Fenster, und in der Vorlaube lag eine Leiche.

      Der alte Schulmeister, seit seiner Verbannung gebeugt, lange schon mühselig, war eines Morgens in seiner Oberstube nicht mehr aufgestanden. Regina hatte ihm die Suppe gebracht und gelispelt:

      »Herr Schulmeister! Herr Schulmeister! – Was Warmes hab' ich da!«

      Und da er sich nicht rührte und sie ihn näher ansah, ließ sie die Schale fallen, stürzte davon, kollerte beinahe die Stiegen hinab, eilte wortlos an der Mutter, die auf einem Holzblocke saß, vorüber und hinaus in den Stall, wo Gabriel Streu legte.

      »Gabriel!« stieß das Mädchen fast atemlos heraus, »tu jetzt die Gabel weg und erschrick nicht. Der Schulmeister ist gestorben.«

      Gabriel lehnte die Gabel an die Wand und setzte sich auf den Futterkarren. Er sagte kein Wort, er starrte auf die grünen Reiser