Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | |
Серия | C.F. Müller Lehr- und Handbuch |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811472297 |
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Eine weitere Voraussetzung der planungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 30 BauGB ist, dass die Erschließung gesichert ist, was voraussetzt, dass sie voraussichtlich bis zur Fertigstellung des baulichen Vorhabens funktionsfähig ist[651] und auf Dauer zur Verfügung steht[652]. Die Erschließung eines Grundstücks soll eine gefahrlose, geordnete bauliche Nutzung ermöglichen. Dafür ist ein Anschluss an das öffentliche Straßen- und Wegenetz, die Möglichkeit ordnungsgemäßer Abwasserbeseitigung sowie die Versorgung mit Wasser und Elektrizität erforderlich[653]. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gilt der Grundsatz der planmäßigen Erschließung. Die Erschließungsanlagen sind gemäß der Festsetzungen herzustellen[654]. Grundsätzlich besteht kein Rechtsanspruch auf Erschließung gemäß § 123 Abs. 3 BauGB. In besonderen Konstellationen kann jedoch die Gemeinde zur Erschließung verpflichtet sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn durch den Erlass eines Bebauungsplans eine Bebauung nach §§ 34 und 35 BauGB verhindert wird und die fehlende Erschließung die Wirkung einer unbefristeten Veränderungssperre entfaltet[655]. Eine Verpflichtung zur Erschließung besteht gemäß § 124 Abs. 3 S. 2 BauGB weiterhin dann, wenn die Gemeinde das zumutbare Angebot eines Dritten ablehnt, die vorgesehene Erschließung vorzunehmen[656].
2. Das Korrektiv des § 15 Abs. 1 BauNVO
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Ein auf den Einzelfall bezogenes, im Rahmen der Zulässigkeit des konkreten Vorhabens zu prüfendes Korrektiv ergibt sich aus § 15 Abs. 1 BauNVO[657], der eine Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme darstellt[658]. Die Regelung ist auch im Hinblick auf die Erteilung von Ausnahmen[659] nach § 31 Abs. 1 BauGB und auf faktische Baugebiete nach § 34 Abs. 2 BauGB anwendbar[660]. Sie trägt dem Gedanken Rechnung, dass planerische Festsetzungen, zumal wenn sie das System der BauNVO adaptieren, nicht jeden Nutzungskonflikt antizipieren können. Demgemäß schränkt § 15 Abs. 1 BauNVO die Wirkung der vermittels der BauNVO in die Bebauungspläne aufgenommenen Festsetzungen (Rn. 47 ff.) wieder ein. § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO dient der Aufrechterhaltung der gebietstypischen Prägung[661]. Die Regelung trägt dafür Sorge, dass die Eigenart des Baugebiets gewahrt wird[662], wenn dieses etwa durch eine ungleichmäßige Ausnutzung der verfügbaren Nutzungsarten[663] faktisch in einen anderen Gebietstyp umzuschlagen droht[664]. Zentrale Bedeutung kommt schließlich auch § 15 Abs. 1 S. 2 BauGB zu. Danach können gemäß der Festsetzungen eines Bebauungsplans an sich zulässige Anlagen im Einzelfall unzulässig sein, wenn von ihnen unzumutbare, bodenrechtlich erhebliche[665] Belästigungen oder Störungen ausgingen oder sie selbst solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt sein könnten[666]. Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit ist die Eigenart des Baugebiets, wobei aber nicht nur auf die abstrakte Eigenart der Gebietskategorien der BauNVO, sondern auch auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen ist[667].
3. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan (§ 30 Abs. 2 BauGB)
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Gemäß § 30 Abs. 2 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Somit steht der vorhabenbezogene Bebauungsplan dem qualifizierten Bebauungsplan hinsichtlich der Zulässigkeit der Vorhaben gleich. Der Unterschied liegt darin, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan den Qualifikationsmerkmalen des § 30 Abs. 1 BauGB nicht genügen muss, gleichwohl aber die städtebauliche Situation, anders als der einfache Bebauungsplan nach § 30 Abs. 3 BauGB, abschließend regeln kann.
4. Der einfache Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB)
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Soweit lediglich ein einfacher Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB vorliegt, ihm also die qualifizierenden Merkmale des § 30 Abs. 1 BauGB fehlen, steuert auch dieser die Zulässigkeit des Vorhabens, soweit seine Festsetzungen reichen. Im Übrigen gelten – je nach Zuordnung des Gebiets zum Innen- oder Außenbereich – die §§ 34 und 35 BauGB ergänzend. Zusätzliche Bedeutung gewinnt der einfache Bebauungsplan durch die Regelungen des § 9 Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 2c BauGB, die in Gebieten, die nach § 34 BauGB zu beurteilen sind, die Aufstellung von thematisch (Einzelhandel, Vergnügungsstätten, Störfallbetriebe) beschränkten Bebauungsplänen erlauben.
III. Ausnahmen und Befreiungen (§ 31 BauGB)
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Bauleitpläne beruhen auf Prognosen über zukünftige Entwicklungen. Diese Zukunftsgerichtetheit geht mit der Unsicherheit einher, dass nicht jede städtebauliche Entwicklung vorhersehbar und damit planbar ist. Dementsprechend ist es notwendig, dass der Gesetzgeber die Pläne für Abweichungen im Einzelfall öffnet. Anderenfalls müssten die Pläne zur Gewährleistung einer sinnvollen städtebaulichen Entwicklung häufig angepasst werden, was wiederum ihre Lenkungsfunktion grundsätzlich infrage stellen würde. Bei der Ausgestaltung dieser Öffnung im Einzelfall kommt es entscheidend darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis zu schaffen zwischen dem Wunsch nach einer im Einzelfall Gerechtigkeit herstellenden Flexibilisierung einerseits und der Notwendigkeit der Erhaltung der Steuerungsfunktion des Plans andererseits[668].
1. Ausnahmen
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Die erste Öffnung stellt die Zulassung von Ausnahmen in § 31 Abs. 1 BauGB dar. Danach kann ein Vorhaben, das den im Bebauungsplan getroffenen Standardfestsetzungen nicht entspricht, zugelassen werden, wenn die Ausnahme im Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen ist[669]. Bei einer Ausnahme handelt es sich dementsprechend um ein planimmanentes Institut[670]. Die planende Gemeinde hat bei der Aufnahme der Ausnahme bereits an besonders gelagerte Fälle gedacht, denen es zu begegnen gilt. Es handelt sich somit um plantypische Sondersituationen. Die Zulassung von Ausnahmen entspricht mithin der planerischen Grundentscheidung[671]. Die äußerste Grenze für ihre Zulassung ergibt sich aus dem Begriff der Ausnahme; die Abweichung darf nicht zur Regel werden[672]. Des Weiteren darf die Zulassung der Ausnahme den Gebietscharakter nicht gefährden[673].
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Die Möglichkeit, Ausnahmen zuzulassen, ergibt sich standardmäßig bereits aus den entsprechenden Regelungen der Gebietstypen in den §§ 2 bis 9 BauNVO. Diese sehen neben den im jeweiligen Abs. 2 genannten Standardnutzungen in Abs. 3 jeweils auch bereits Ausnahmen vor. Weitere Ausnahmemöglichkeiten ergeben sich aus § 14 Abs. 2 BauNVO[674]. Die Ausnahmeregelungen werden ebenso wie die Standardfestsetzungen gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO zum Inhalt der Bebauungspläne. Gemäß § 1 Abs. 6 und 7 BauNVO lassen sich die jeweiligen Ausnahmekataloge modifizieren.
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Die Entscheidung über die Ausnahme steht im Ermessen der Zulassungsbehörde[675] und unterliegt den allgemeinen Ermessensbindungen[676]. Sie ergeht im Einvernehmen mit der Gemeinde nach § 36 BauGB[677]. Die Entscheidung über die Ausnahme hat Planungscharakter[678], da sie gleichsam die „Feinjustierung“ der planerischen Grundentscheidung darstellt. Damit ist die Behörde in ihrer Entscheidung auf die Berücksichtigung städtebaulicher Gründe beschränkt[679].
2. Befreiung
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Anders als die Ausnahme ist die in § 31 Abs. 2 BauGB geregelte Befreiung (Dispens) ein planexternes Institut[680] zur Bewältigung von Sondersituationen, die der Plangeber nicht vorhersehen konnte. Sie dient der Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit und der Flexibilisierung zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Vorhaben, die zwar den Festsetzungen