Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | |
Серия | C.F. Müller Lehr- und Handbuch |
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Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811472297 |
2. Zurückstellung von Baugesuchen (§ 15 Abs. 1 BauGB)
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Ein weiteres Instrument zur Sicherung der Bauleitplanung stellt die Möglichkeit der Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 Abs. 1 BauGB dar. Die Gemeinden können beantragen, die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Veränderungssperre nicht beschlossen wird, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, oder dass sie noch nicht in Kraft getreten ist. Mit der Zurückstellung kann insbesondere die Zeit bis zum Wirksamwerden der Veränderungssperre nach § 14 BauGB überbrückt werden[589]. Anders als die Veränderungssperre, die als Satzung erlassen wird, ist die Zurückstellung ein Verwaltungsakt[590]. Dieser wird auf Antrag der Gemeinde durch die Baugenehmigungsbehörde erlassen[591]. Liegen die Voraussetzungen für eine Zurückstellung vor, ist die Genehmigungsbehörde verpflichtet, dem Antrag stattzugeben[592]. Während die Veränderungssperre die materiellrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens bedingt, führt die Zurückstellung lediglich zur Aussetzung der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens[593]. Die Zurückstellung setzt voraus, dass zu befürchten ist, dass die Zulassung des Vorhabens die Durchführung der Planung jedenfalls wesentlich erschweren würde, was anhand objektiv feststellbarer Tatsachen festzustellen ist[594]. Ein Beurteilungsspielraum kommt den Gemeinden diesbezüglich nicht zu[595]. Ein gewisses Prognoseelement ist jedoch gleichwohl enthalten[596].
1. Zwecke
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Die Gemeinden sind in der Stadtentwicklung in vielfältiger Weise auf die Kooperation mit privaten Akteuren angewiesen. Das zentrale Instrument der Stadtentwicklung, die Bauleitplanung, das im Kern als Auffang- und Angebotsplanung konzipiert ist, reicht häufig nicht aus, um der Stadtentwicklung die gewünschte Richtung zu geben. In vielen Fällen bedarf es detaillierter Absprachen mit Investoren, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Häufig geht auch der Anstoß für einen Entwicklungsprozess von einem Vorhabenträger aus, der ein bestimmtes Projekt verwirklichen möchte. Es ist offensichtlich, dass ein auf einseitiges hoheitliches Handeln ausgerichtetes Instrumentarium der Realität einer auf Kooperation angewiesenen Stadtentwicklung nicht allein gerecht werden kann. Das BauGB reagiert auf die Notwendigkeit, mit privaten Akteuren zu kooperieren, insbesondere auch mit den Regelungen der §§ 11 f. BauGB. Während § 12 BauGB ein auf eine spezielle Planungssituation zugeschnittenes Instrumentarium zur Verfügung stellt, schafft § 11 BauGB mit dem Instrument des städtebaulichen Vertrags ein allgemeines Instrument zur Gewährleistung von Kooperationen im Bereich der Stadtentwicklung. Die Regelung ist seit 1998[597] im BauGB enthalten. Aber auch bereits vor der ausdrücklichen Aufnahme in das BauGB war die Möglichkeit des Abschlusses städtebaulicher Verträge anerkannt[598]. Dem entspricht, dass § 11 Abs. 4 BauGB ausdrücklich feststellt, dass die Regelung keinen abschließenden Charakter hinsichtlich der möglichen Gegenstände städtebaulicher Verträge hat. Somit kommt der Regelung insgesamt vor allem auch symbolische Bedeutung im Sinne einer Hervorhebung dieses Instruments durch den Gesetzgeber zu. Städtebauliche Verträge stellen zugleich eine praktisch wichtige Ausprägung der durch die §§ 54 ff. VwVfG geregelten öffentlich-rechtlichen Verträge dar[599], sind aber auch als zivilrechtliche Verträge denkbar[600] oder können öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Elemente kombinieren[601]. Soweit es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt und das BauGB keine spezielleren Regelungen trifft, finden dementsprechend die allgemeinen Regelungen der §§ 54 ff. VwVfG Anwendung und darüber hinaus gemäß § 62 S. 1 VwVfG auch die Regelungen des BGB.
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Städtebauliche Verträge sind für die Steuerung der Stadtentwicklung von großer Bedeutung. Die Bauleitplanung, als zentrales Instrument der Stadtentwicklung kann die gewünschte städtebauliche Entwicklung allein nicht gewährleisten, wenn es an der erforderlichen gesellschaftlichen Dynamik, die gleichsam nur noch in die richtigen Bahnen zu lenken ist, fehlt[602]. Dementsprechend bedarf es in vielen Fällen der Setzung von weitergehenden Anreizen. Hierbei können Verträge ein wesentliches Instrument darstellen. Dies vor allem deshalb, weil andere Instrumente, die einen „Vollzug“ der in den Bauleitplänen angelegten städtebaulichen Entwicklung gewährleisten können, wie etwa städtebauliche Gebote, nur sehr beschränkt zum Einsatz kommen können. Nicht zu übersehen ist jedoch auch der durch die Kooperation erheblich gesteigerte Einfluss Privater auf die Stadtentwicklung. Hier besteht durchaus die Gefahr, dass dieser Einfluss unter ökonomischem Druck zu groß wird[603].
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Zugleich werden städtebauliche Verträge auch genutzt, um die planerische Konzeption um Elemente anzureichern, die allein mit den Mitteln der Bauleitplanung nicht zu erreichen sind. Dies etwa, weil die angestrebten Ziele nicht zu den städtebaulichen Erfordernissen im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB[604] gehören oder es an entsprechenden Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan nach § 9 Abs. 1 BauGB fehlt[605]. Auf diese Weise ermöglichen städtebauliche Verträge – auch in Verbindung mit dem Instrumentarium des § 12 BauGB – die Herstellung von Lösungen, die auf die jeweilige städtebauliche Situation individuell zugeschnitten sind. Ein weiteres wesentliches Motiv für den Abschluss städtebaulicher Verträge ist die Möglichkeit, private Investoren, die von der Bauleitplanung profitieren, an den entstehenden Kosten stärker zu beteiligen.
2. Gegenstände
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§ 11 Abs. 1 BauGB enthält zunächst eine – deklaratorische – Ermächtigung der Gemeinden zum Abschluss städtebaulicher Verträge und umreißt dann beispielhaft die möglichen Gegenstände. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BauGB regelt sogenannte Planvorbereitungsverträge. Hierbei werden zumeist einem Vorhabenträger bestimmte Schritte in der Planvorbereitung übertragen, die dieser auf eigene Kosten vornehmen lässt[606]. Die äußerste Grenze der Übertragung der Planung kennzeichnet § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 letzter Hs. BauGB, wonach die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren bestehen bleibt. Die Planungshoheit der Gemeinde darf somit nicht angetastet werden, insbesondere bleibt sie für die Abwägung der Belange zuständig. Außerdem sind alle förmlichen Beschlüsse, etwa über die Planaufstellung oder über den Bebauungsplan, von der Gemeinde selbst zu fassen.
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§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB erfasst solche Planverwirklichungsverträge, mit denen die Gemeinden die zielgenaue Verwirklichung ihrer städtebaulichen Ziele erstreben. Als Gegenstände nennt das Gesetz beispielhaft: die Steuerung der Grundstücksnutzung, auch durch Befristungen und Bedingungen[607], die Durchführung des naturschutzrechtlichen Ausgleichs[608], die Berücksichtigung baukultureller Belange, die Deckung besonderer Wohnbedarfe und in bestimmten Fällen den Erwerb angemessenen Wohnraums. Soweit es sich um Verträge handelt, mit denen die Kommunen Zwecke verfolgen, die sich in der Bauleitplanung als Festsetzungen in einem Bebauungsplan niederschlagen könnten, ist dies unproblematisch. Die Beispiele zeigen jedoch, dass Kommunen mit städtebaulichen Verträgen auch Ziele anstreben können, die außerhalb der Reichweite der Bauleitplanung liegen. So wären Festsetzungen in Bebauungsplänen, die den Eigentümer zum Bau sozial geförderten Wohnraums verpflichteten oder die das Ziel des Erwerbs angemessenen