Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | |
Серия | C.F. Müller Lehr- und Handbuch |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811472297 |
Die Planerhaltungsregelungen des §§ 214 f. BauGB funktionieren gleich einem Filter. Zunächst ordnet § 214 Abs. 1–3 BauGB auf der ersten Stufe die Unbeachtlichkeit einer Reihe möglicher Fehler in der Bauleitplanung an. Solche Fehler, die nach Maßgabe dieser Regelung noch beachtlich sind, unterliegen – mit Ausnahme der Fehler des § 214 Abs. 1 Nr. 4 BauGB – im nächsten Schritt den Rügefristen des § 215 BauGB. Dementsprechend können nur die beachtlichen und rechtzeitig geltend gemachten Fehler die Bauleitpläne in ihrer Rechtswirksamkeit beeinträchtigen. In diesem Fall steht jedoch weiterhin das ergänzende Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB zur Verfügung, um die Rechtswirksamkeit der Pläne auch rückwirkend herzustellen.
a) Verfahrens- und Formfehler (§ 214 Abs. 1 BauGB)
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Im Einzelnen erklärt § 214 Abs. 1 BauGB zunächst alle Verstöße gegen Verfahrens- und Formvorschriften im Hinblick auf Flächennutzungs- und Bebauungspläne im Grundsatz für unbeachtlich, um dann in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–4 BauGB Ausnahmen von diesem Grundsatz zu eröffnen[536].
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§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB ist insofern bemerkenswert, als diese Regelung wohl am deutlichsten den mit dem Europarechtsanpassungsgesetz Bau 2004 verfolgten Ansatz einer Qualifizierung des Abwägungsgebots auch als verfahrensrechtliche Anforderung zum Ausdruck bringt[537]. Der Sache nach regelt § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB die Behandlung von Fehlern auf der zweiten und dritten Stufe des Abwägungsgebots, also von Abwägungsdefiziten und Abwägungsfehleinschätzungen. Hierfür erhebt die Regelung auch einen Ausschließlichkeitsanspruch, wie § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB zeigt. Die Beachtlichkeit von Abwägungsfehlern wird durch § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB in dreierlei Hinsicht eingeschränkt. Zunächst setzt sie voraus, dass wesentliche Punkte in der Abwägung nicht richtig erfasst wurden[538]. Mit dieser Regelung knüpft der Gesetzgeber an die bereits zuvor geltende Abwägungsdogmatik an, die objektiv geringwertige oder nicht schutzwürdige Belange als unbeachtlich behandelt[539]. Weiter sind Mängel nur beachtlich, wenn sie „offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen“ sind. Damit nimmt sie Bezug auf die Formulierung des § 214 Abs. 3 BauGB, wonach Fehler im Abwägungsvorgang nur beachtlich sind, wenn sie „offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind“[540]. Nach der ständigen Rechtsprechung ist ein Abwägungsmangel nicht nur dann offensichtlich, wenn er leicht erkennbar oder evident ist. Offensichtlichkeit liegt vielmehr vor, wenn der Fehler zur „äußeren Seite“ des Abwägungsvorgangs gehört, das heißt auf objektiv fassbaren Sachumständen beruht[541]. Irrelevant sind dem gegenüber die „inneren“ Beweggründe, wie Motive und subjektiven Vorstellungen der entscheidenden Personen, die keinen Eingang in die Planungsunterlagen gefunden haben[542]. Schwierigkeiten bei der rechtlichen Beurteilung spielen für die Offensichtlichkeit ebenfalls keine Rolle[543].
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Bedenklich ist die Voraussetzung, dass der Fehler das Ergebnis des Verfahrens beeinflusst haben muss. Die Rechtsprechung verlangt hier, dass die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung ohne den Fehler anders ausgefallen wäre[544]. Das bedeutet zwar einerseits, dass ein positiver Kausalitätsnachweis nicht erforderlich ist. Andererseits soll aber auch die bloß abstrakte Möglichkeit eines anderen Entscheidungsergebnisses nicht genügen, um die Beachtlichkeit des Fehlers zu begründen[545]. Die Möglichkeit eines anderen Ergebnisses muss sich durch die konkrete Beurteilung der behördlichen Vorgehensweise etwa anhand der Planunterlagen im jeweiligen Einzelfall belegen lassen[546]. Allerdings ist die Vorstellung, die fehlerhafte Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung eines Belanges könne isoliert auf ihre Ergebnisrelevanz untersucht werden, mit dem theoretischen Konzept der Abwägung kaum vereinbar[547].
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§ 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB regelt dann die Beachtlichkeit von Fehlern insbesondere im Bauleitplanverfahren. Dabei fällt zunächst auf, dass Fehler im Bereich der frühzeitigen Beteiligungen der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 BauGB und der Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 1 BauGB generell unbeachtlich sind[548]. Fehler in der förmlichen Beteiligungsphase nach §§ 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 BauGB werden durch § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB hingegen für grundsätzlich beachtlich erklärt. Allerdings macht der Gesetzgeber in der internen Unbeachtlichkeitsklausel des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 2 BauGB wiederum eine Reihe von Rückausnahmen[549].
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§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB nimmt Verletzungen über die Begründung der Bauleitpläne von der Unbeachtlichkeit aus[550]. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB schreibt schließlich vor, dass in jedem Fall wirksame Beschlüsse über die Bauleitpläne und die gegebenenfalls erforderliche Genehmigung vorliegen müssen. Im Übrigen verlangt die Vorschrift, dass der mit der Bekanntmachung der Bauleitpläne verfolgte Hinweiszweck erreicht werden muss. Die Fehler nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB sind gemäß der Wertung des Gesetzgebers offenbar die schwerwiegendsten, da sie von der Rügefrist des § 215 BauGB nicht umfasst werden[551].
b) Materiell-rechtliche Fehler (§ 214 Abs. 2–3 BauGB)
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Im Unterschied zu § 214 Abs. 1 BauGB, der allein formell-rechtliche Fragen betrifft, regeln § 214 Abs. 2 und 3 BauGB die Beachtlichkeit materiell-rechtlicher Fehler. § 214 Abs. 2 BauGB erklärt bestimmte Fehler im Verhältnis von Flächennutzungsplan und Bebauungsplan für unbeachtlich. § 214 Abs. 3 BauGB behandelt Abwägungsfehler. Bemerkenswert ist zunächst die Verweisung des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB. Hier kommt ebenso wie in § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zum Ausdruck, dass das Abwägungsgebot auch eine verfahrensrechtliche Dimension hat, zugleich erkennt der Gesetzgeber durch die Bezugnahme auf den Abwägungsvorgang jedoch scheinbar auch den Fortbestand dieser Kategorie an (siehe dazu oben Rn. 162 ff.). Praktisch dürfte die Regelung nur noch für Fehler auf der vierten Stufe des Abwägungsgebots in Form der Disproportionalität zum Tragen kommen. Abwägungsfehler auf den übrigen Stufen dürften durchweg bereits als beachtliche Verfahrensfehler nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu behandeln sein, was gemäß § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB eine Anwendung des § 214 Abs. 3 BauGB ausschließt. Weiterhin beschränkt § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB die Beachtlichkeit von Fehlern auf solche, die „offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind“[552]. Das Kriterium der Offensichtlichkeit zielt auf die „äußere Seite“ des Abwägungsvorgangs, das heißt, der Fehler muss sich aus objektiv fassbaren Sachumständen ergeben[553]. Ein Einfluss auf das Abwägungsergebnis ist anzunehmen, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung ohne den Fehler anders ausgefallen wäre[554].
c) Fehler bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung
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§ 214 Abs. 2a BauGB schließlich knüpft an Fehler an, die im Zusammenhang mit dem im Jahr 2007 eingeführten Bebauungsplan der Innenentwicklung stehen[555]. Mit dieser weitreichenden Heilungsvorschrift werden die nicht unerheblichen Unsicherheiten, die die Anwendung des § 13a BauGB mit sich bringt, zum Teil kompensiert. Dieser Mechanismus – die Formulierung schwierig zu handhabender Anforderungen bei gleichzeitiger weitreichender Erklärung der Unbeachtlichkeit von Fehlern – ist grundsätzlich zu kritisieren. Hier entzieht sich der Gesetzgeber der Aufgabe der Schaffung sachgerechter in der Praxis handhabbarer Instrumente[556].
2. Rügefristen des § 215 BauGB
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§ 215 Abs. 1 BauGB regelt eine einheitliche Rügefrist für den größten