Carola Pütz - Verlorene Seelen. Michael Wagner J.

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Название Carola Pütz - Verlorene Seelen
Автор произведения Michael Wagner J.
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847695493



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Sicher war es nur ein Zufall.«

      Sie schaute listig hinter dem Löffel hervor. Hatten sie es geschluckt?

      Es schien so. Die beiden Tischgenossen widmeten sich ebenfalls ihren Tellern. Doch hatte sich bereits der Keim des Zweifels in den Köpfen der beiden festgesetzt.

      »Also, ich denke, dat die hier wat vertuschen wollen, ganz ehrlich«, sagte Krawuttke. Sein Blick hatte etwas konspiratives an sich. Carola interpretierte ihn ganz richtig, er suchte nach einer Partnerin für seine Verschwörungstheorien. Sie musste das beenden, sonst würde sie den Mann nicht mehr los. Das spürte sie sehr deutlich.

      »Ach, ich habe vorhin beinahe einen positiven Schock bekommen, als ich mein Zimmer betreten habe. Das ist ja eine Pracht. Da kommt mein Zuhause gar nicht mit«, sagte sie lachend, »Ist das bei Ihnen beiden auch so prachtvoll?«

      Krawuttke antwortete nicht, doch Frau Schmitt-Wienand antwortete: »Ja, das ist mit der Grund, warum ich immer wieder hierher komme. Das Ambiente ist hier so einzigartig. Ich bin ganz verliebt in diesen Jugendstil.«

      Sie schenkte Carola ein bedeutungsvolles Lächeln, welches andeutete, dass sie verstanden hatte, warum sie plötzlich von ihrem Zimmer sprach. Dr. Pütz antwortete mit einem kleinen Zwinkern und stellte ihre Puddingschale beiseite.

      »Ich danke Ihnen beiden für die angenehme Gesellschaft beim Essen. Aber ich muss mich jetzt zurückziehen, meine Koffer erwarten mich.«

      Sie stand auf und schob ihren Stuhl an den Tisch. Mit einer kleinen Verbeugung und einem gehauchten ‚Gute Nacht‘, verabschiedete sie sich. Beim Hinausgehen bemerkte sie noch, dass sich um Dr. Clara von Hohenstetten eine Traube von Menschen versammelt hatte. Sie genoss die Aufmerksamkeit sichtlich.

      Kapitel 2

      Mit einem melodischen Klingeln wurde Carola aus ihren Träumen geholt. Den morgendlichen Weckruf, der die Kurgäste entweder zum Frühstück oder zu den ersten Anwendungen des Tages rief, empfand sie als zeitlich völlig unpassend. Sie verließ nicht gerne das weiche, mit üppigen Kissen ausgestattete Bett. Wundervoll hatte sie geschlafen. Sie streckte sich wie ein Kätzchen. Zwanzig Minuten später war sie nach einer kurzen erfrischenden Dusche bereits auf dem Weg in den Frühstücksraum. Um sich zu orientieren, ging sie einen anderen Weg als am Abend zuvor. Sie entdeckte dadurch einen schnelleren Weg, dieser führte sie durch einen länglichen, pavillonartigen Gang. Entlang dieses Ganges waren Gartenleuchten im Boden versenkt, die sowohl den Innenraum als auch den Außenbereich beleuchteten. Moderne Schiebegardinen sollten im Sommer die Hitze mildern, da der Gang beinahe vollständig verglast war.

      An der Rezeption standen Kurgäste, die sich nach etwas erkundigten. Sie erkannte niemanden. Alle hatten Handtücher dabei und trugen Bademäntel, sie hatten sich dort vor dem Frühstück zum Morgenschwimmen versammelt. Mit einem großen Hallo wurde plötzlich ein Mann begrüßt. Carola würde ihn später auch noch kennenlernen. Es war der Bademeister der Klinik, ein großer, vierschrötiger Mensch, mit Muskeln wie ein Preisboxer ausgestattet. Er führte sein Bad, wie er es gerne nannte, mit militärischer Strenge. Carola sagte später in einem Gespräch einmal, dass sie sich sicher sei, er würde morgens alle Wassermoleküle strammstehen lassen, bevor er dasselbe mit seinen Kurgästen machte. Trotzdem war er sehr beliebt, vor allem bei den weiblichen Gästen.

      Die Türe zum Speisesaal stand einladend weit geöffnet. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee zog ihr in die Nase, als sie den Saal betrat. Vorfreude. Einen frischen Kaffee trinken. Carola fühlte sich wie am ersten Tag an einem neuen, unbekannten Urlaubsort. Zeit für Entdeckungen. Sie hängte ihre Strickjacke über die Lehne des Stuhles, auf dem sie bereits beim Abendessen gesessen hatte. Ihr erster Weg führte sie zu den Gefäßen, die den so verführerischen Duft ausströmten. Kaffee. Vorfreude.

      Auf dem Weg dorthin wurde sie freundlich von einer jungen Frau gegrüßt. Carola grüßte ebenso freundlich zurück. Sie blickte auf das Buffet, welches wieder einladend an derselben Stelle wie am Vorabend aufgebaut war. Sie hatte die Kaffeetasse bereits in der Hand, als sie von der jungen, freundlichen Frau angesprochen wurde.

      »Guten Morgen, Sie sind sicher neu bei uns. Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Lara Kaiser. Ich bin hier die Diätassistentin. Mit wem habe ich die Ehre?« fragte sie und strahlte sie an.

      Carola griff nach der Kaffeekanne.

      »Guten Morgen, mein Name ist Carola Pütz. Sehr angenehm.«

      Der braune Saft floss in die Kaffeetasse.

      »Sie haben Ihren Diätplan sicher noch nicht erhalten, oder?«

      »Nein«, antwortete sie wahrheitsgemäß, aber noch ahnungslos. Im Tonfall der jungen Frau schwang aber schon eine leise Drohung mit. Sie ignorierte sie noch, bis der folgende Satz an ihr Ohr drang: »Kaffee ist für Sie nicht vorgesehen. So lange, bis der Arzt sie untersucht hat und uns signalisiert, dass es unbedenklich ist.«

      Sie legte ihren Kopf schief und machte ein scheinbar bekümmertes Gesicht.

      »Oh, Frau Kaiser, wirklich? Ist das so?«, fragte Carola. Die Tasse schwebte in ihrer Hand zwischen Untertasse und Mund. Frau Kaiser nickte und rollte mit ihren Kuhaugen.

      »Ach so, ja. Dann haben wir aktuell ein Problem. Ich bin morgens extrem schlecht gelaunt. Das Einzige, was da wirklich hilft, ist eine Tasse starker Kaffee. Denken Sie, dass Sie schlechte Laune verantworten können, junge Frau?«

      Lara Kaiser blickte sie ungläubig an. Carola nahm einen Schluck Kaffee. Eine klitzekleine Zornesfalte tauchte zwischen den Kuhaugen auf.

      »Frau Pütz, ich muss energisch protestieren. Die Patienten sind angehalten, sich an meine Anweisungen zu halten«, sagte sie. Carola befürchtete, dass sie jeden Moment mit dem Fuß auf den Boden stampfen würde.

      »Frau Doktor Pütz, bitte. Ich kenne meinen Körper, junge Frau. Was nicht heißt, dass ich Ihre Bemühungen nicht zu schätzen weiß«, antwortete Carola Pütz.

      »Sie müssen es ja wissen. Schließlich sind Sie hier als Patientin und ich als Ihre Unterstützung. Ich werde es so weitergeben. Noch einen schönen Tag«, sagte sie.

      Die Falte zwischen den Augen schien noch gewachsen zu sein. Sie drehte sich um, blieb abrupt stehen und reichte Carola ein Papier. »Hier ist Ihr vorläufiger Diätplan, Doktor Pütz.«

      Sie rauschte davon.

      Carola nahm einen weiteren Schluck aus der Tasse, der Kaffee war köstlich.

      »Jetzt haben Sie der Kleinen aber einen verpasst«, hauchte ihr jemand von der Seite ins Ohr. Sie drehte sich um. Neben ihr stand ein freundlich aussehender Mittsechziger. Er lächelte sie an. »Ach, ich vergesse ganz meine Manieren. Mein Name ist Theo Bartolomay, guten Morgen«, sagte er und machte eine tiefe Verbeugung.

      »Sehr erfreut, Carola Pütz«, sagte sie, und reichte ihm die Hand. »die ist neu hier, und jetzt haben Sie ihr den Tag versaut.« Er griff nach einer Tasse und bediente sich.

      »Das tut mir leid. Aber wie kann ich jemandem etwas verbieten, wenn ich seine Krankengeschichte gar nicht kenne?«, fragte sie.

      »Kamillentee«, sagte er mit einer Betonung, als hätte er ihr ein Staatsgeheimnis verraten.

      »Kamillentee?«

      »Ja, Lara Kaiser steht auf Kamillentee. Alle Neulinge bekommen ihn.«

      »Das klingt ja alles sehr engagiert und fürsorglich, aber einen Diätplan erstellt man besser erst nach erfolgter Untersuchung, oder?«, fragte sie den Mann, der gerade seinen Teller mit Brötchen volllud.

      »Fürsorglich. Ja so ist sie, die Kleine. Woher kommen Sie denn, Frau Doktor?«, fragte er. Ihre Frage beantwortete er nicht. Verschmitzt legte er unglaubliche Mengen von Wurst und Käse auf einen weiteren Teller.

      »Ich komme aus Frankfurt«, antwortete sie, nicht ganz bei der Sache. Ihr Blick wanderte über die Auslagen. Das Angebot