Die Seepriesterin. Dion Fortune

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Название Die Seepriesterin
Автор произведения Dion Fortune
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783741881206



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der bisher nur mit dem Fuß ein wenig gekratzt hatte, bewegte sich plötzlich auf den Hinterbeinen und tanzte eine Gigue.

      Die beiden Damen waren ganz aus dem Häuschen, und nun praktizierten sie es mit aller Gewalt. Der Tisch erwies sich jedoch als zu schwerfällig, weshalb sie sich eine Planchette besorgten, und es war die Planchette, die zum ersten Mal von der Höhle in Bell Knowle sprach.

      „Wenn ihr diese findet“, schrieb die Planchette, „dann habt ihr den Schlüssel zu allem.“

      Natürlich war Miss Morgan die Zweite erschüttert, als sie erfuhr, wie ich zu der Höhle gekommen war.

      Ich erzählte ihr alles, was ich aus archäologischer Sicht wusste. Bell Knowle bedeutete wirklich Bell oder Bael Knowle, der Hügel des Sonnengottes, wo man zu Ehren Bels in alten Zeiten die Beltanefeuer am Vorabend des Maifestes, des Beltane, abgebrannt hatte. In den letzten Jahren war dieser Brauch durch eine alte Dame wieder aufgelebt, und man hatte sogar den Pfarrer dazu gebracht, seinen Segen zu geben, allerdings wusste er nicht, was er tat!

      Die Planchette hatte ganz deutlich gesagt, dass die Seehöhle auf einen Fluss hinausging und bei Hochwasser überflutet würde, aber Miss Le Fay Morgan, die sich das gestern alles angesehen hatte, wusste nicht, dass der Fluss sein Bett im dreizehnten Jahrhundert verlegt hatte und jetzt ,anders als früher, an der gegenüberliegenden Seite von Bell Knowle herauskam und auf seinem neuen Weg ein blühendes Kloster unter sich begraben hatte. In der Überlieferung hieß es, die Mönche wären ein ausschweifender Haufen gewesen. Als sie in dunkler Nacht ein rauschendes Fest feierten, soll der Fluss sein Bett verschoben und das Grundstück verschlungen haben. Miss Morgans Augen leuchteten erneut so eigenartig wie Lampen, als sie das hörte, denn eins der Wesen, das durch die Planchette gesprochen hatte, behauptete, ein ertrunkener Mönch zu sein. In gesprächiger Laune machte ich ihr den Vorschlag, sie einmal bei niedrigstem Tidenstand in einem Boot mitzunehmen und ihr den Platz zu zeigen, und sie nahm das Angebot an. Allerdings fragte ich mich, wie ich das Scottie und der Familie beibringen sollte.

      Offenbar hatte sich die Planchette nicht mit Auskünften zurückgehalten, und von ihr stammte auch die Information über den River Naradek. Ein anderes Wesen, das sich ‚Mondpriester‘ nannte, schrieb mit der Planchette Buchstabe für Buchstabe:

      „Der Fluss wurde nach dem ursprünglichen River Naradek auf dem untergegangenen Kontinent genannt, von Atlantern, die sich haben retten können, und die diese Gegend zu ihrem Hauptquartier gemacht haben.“

      Er fuhr fort mit den Worten einer alten Hymne an den Sonnengott, die so endete:

      „Schwebe hinab, meine Seele, zum River Naradek, bring sie zum Leben, zum Licht und zur Liebe.“

      Miss Morgan warf den Kopf zurück und intonierte mit tiefer vibrierender Stimme, halb singend, halb summend, und da war es um mich vollends geschehen. Von nun an konnte sie mit mir machen, was sie wollte. Sie brauchte nicht mehr zu sagen „Glaub es, oder glaub es nicht“, denn tief in mir spürte ich mit seltsamer Gewissheit, dass das, was sie erzählt hatte, der Wahrheit entsprach.

      Und das ist die Geschichte von Vivian Le Fay, der ehemaligen Gesellschafterin von Miss Morgan der Ersten, die bis in die Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts zurückgeht.

      Über die Planchette hatten sie mehrere Freunde auf der Astralebene gefunden. Später ließ mich Miss Le Fay ihre Aufzeichnungen sehen, und sie waren überzeugend; denn wer sollte wohl solch einen arbeitsaufwändigen Betrug begehen, und warum? Und sie machten weiter, lange, nachdem Miss Morgan die Erste gestorben und Miss Le Fay im Besitz ihres Vermögens war. Später gab Miss Le Fay die Planchette auf und ersetzte sie durch eine Kristallkugel. Von diesem Zeitpunkt an waren ihre Notizen natürlich keine Beweise mehr, allerdings enthielten sie Voraussagen, die äußerst bemerkenswert waren.

      Das erste Wesen, das sich die Kommunikationsmöglichkeiten zunutze machte, war der ertrunkene Mönch, der sehr begierig darauf war, zu Wort zu kommen. Er wollte offenbar rechtfertigen, weshalb die See die Abtei überflutet hatte, und deutlich machen, dass die Mönche kein ausschweifender Haufen gewesen waren, wie es in der Überlieferung geheißen hatte. Sie hätten nach Originalrezepten experimentiert, und eins dieser Experimente wäre schiefgegangen; es wären also keine ‚normalen‘ Ausschweifungen gewesen, die zu der Katastrophe geführt hätten.

      Weiter erzählte er – und das konnte ich sogar bestätigen: Unsere Gegend war das Zentrum einer alten Zivilisation gewesen. Einer der Mönche (heute würde man ihn als Medium bezeichnen) hatte eine Reihe seltsamer Träume gehabt, weshalb sie begonnen hatten, in der Vergangenheit und der Unendlichkeit der Zeit herumzustochern, dort, wo kein Christ hingehen durfte. Die Sache hatte sie so fasziniert, dass sie wie berauscht gewesen waren, und der alte Arzt war der Schlimmste von allen – geradezu verrückt danach. Der kleine Mönch, der mit seiner Geschichte zu uns durchdrang, war niemand Besonderes, nur einer von vielen, und fürchtete sich bei den Sitzungen sehr. Er gab nicht mehr preis, als er musste, und er hielt den Kontakt einzig und allein deshalb aufrecht, um in den Genuss von Messen zu gelangen, die für seine Seele gelesen werden sollten, damit seine Ruhelosigkeit ein Ende hätte.

      So erwirkte Miss Morgan die ersten Messen für die ganze Gesellschaft und musste zu ihrer Überraschung feststellen, dass der Priester ihrer Kirche dafür offen war. Natürlich muss man für Messen bezahlen, aber Miss Le Fay sagte, das wäre nicht der einzige Grund gewesen. Der Priester schien eine Menge zu verstehen, ohne dass man ihm viel erklären musste.

      Sie waren nicht traurig, als sie von dem kleinen Mönch nichts mehr hörten, denn er plapperte nur über seine Sünden und hätte ihnen ohnehin nichts von den Dingen erzählt, die sie wirklich interessierten. So stellten sie den Kontakt mit ihm ein und suchten jemand anderen, und dieses Mal zogen sie einen großen Fisch an Land, der für sie beinahe eine Nummer zu groß war. Jedenfalls landeten sie bei einem Wesen, das behauptete, der Geist zu sein, der mit dem alten Abt durch das Medium des Mönches gesprochen hatte.

      Dieses Wesen nannte sich ‚Mondpriester‘, und glaubt mir, er war tatsächlich ein großer Fisch. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich traf ihn später. Für ihn waren die alten Sünden unwichtig, er war daran interessiert, den alten Kult wieder zum Leben zu erwecken und seine Arbeit wieder aufzunehmen.

      So entschlossen sich die beiden guten Frauen, ihm zu helfen. Gott weiß warum – das Bild des überfluteten Klosters vor Augen –, aber diese übersinnlichen Geschichten haben eine außergewöhnliche Faszination an sich, ähnlich wie Alkohol, und mir ging es jetzt nicht anders.

      Miss Morgan war schon ziemlich alt, und Miss Le Fay, nach ihren eigenen Angaben, kein Küken mehr. Einige Zeit danach begann die alte Dame zu kränkeln und musste Tag und Nacht versorgt werden, sodass es keine Möglichkeit für weitere Kontakte mehr gab, aber die alte Miss Morgan nahm Miss Le Fay das Versprechen ab, sobald sie frei wäre, die Verbindung wieder aufzunehmen und vererbte ihr das Geld unter dieser Bedingung, obwohl diese Klausel natürlich nicht im Testament auftauchte. Und dann war dank meines unglücklichen alten Herrn kein Geld mehr zum Vererben übrig, und alle Pläne mussten aufgegeben werden. Nun jedoch, da die Dinge wieder besser liefen, wollte Miss Le Fay die Kontakte wieder aufnehmen, und ich sollte ihr dabei helfen. Sie behandelte die ganze Angelegenheit wie einen Geschäftsabschluss. Sie wollte einen Besitz kaufen und sanieren, aber ich war sicher, sie hatte noch ein paar Trümpfe in der Hand, die sie jetzt noch nicht auf den Tisch legen würde.

      Miss Morgan die Zweite nahm ihre kümmerliche Habe und ging auf den Kontinent, wie es viele alte Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen vor ihr getan hatten, weil drüben das Leben billiger war. Sie nahm ihre Planchette mit, besorgte sich eine Kristallkugel, und der Mondpriester tauchte auch wieder auf. Die Arbeit ging, zumindest in der Theorie, weiter, wenn auch nicht in der Praxis.

      Dann geschah etwas Merkwürdiges: Miss Le Fay, oder Miss Le Fay Morgan, wie ich sie jetzt nennen sollte, schon im Herbst des Lebens stehend, trieb sich allein in den romanischen Ländern herum in einer Art und Weise, wie es sich für ein junges Mädchen nicht schickte. Wie sie jedoch bald herausfand, lohnte sich der Aufwand nicht: Die Männer rannten hinter ihr her und wurden mehr als lästig, vor allem, wenn Miss Le Fay Morgan den Abend mit der Planchette und dem Mondpriester verbracht hatte. Als sie mit der Kristallkugel zu arbeiten begann, wurden die Dinge unerträglich,