Das Lachen der Yanomami. Nina Hutzfeldt

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Название Das Lachen der Yanomami
Автор произведения Nina Hutzfeldt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738031041



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hoffe, Sie haben gut geschlafen?« Christopher verschränkte die Arme auf dem Tisch und lächelte mich an.

      »Ja, doch, sehr gut.« Kokett strich ich mir eine meiner Korkenzieherlocken aus dem Gesicht.

      »Das ist gut, denn heute habe ich mir Zeit genommen, um Ihnen zu helfen. Ich brauche nur einige Informationen von Ihnen.«

      »Okay.« Ich war sprachlos.

      »Mm.«

      »Sag etwas, sag etwas«, flüsterte mir meine innere Stimme zu. »Ein fremder Mann bietet dir seine Hilfe an und du sitzt hier herum und überlegst noch?« Meine Gedanken spielten verrückt.

      »Ist alles in Ordnung?« Christopher legte den Kopf schief.

      »Oh je, jetzt fragt er schon«, drehten meine Gedanken sich weiter. Warum konnte ich mich jetzt nicht entscheiden? Wollte ich überhaupt, dass mich jemand bei meinem Vorhaben unterstützte? Ich war mir nicht mehr sicher. Allerdings hätte ich mir diese Frage ebenso gut sparen können. Gestern hatte ich die Weichen in der Hand gehabt und nun stellten sie sich von selbst. »Was immer Sie wissen wollen.«

      Ich verzog meine Lippen zu einem Lachen.

      »Das ist gut. Ich dachte schon, Sie hätten Ihre Meinung geändert.«

      »Aber nein.« Ich legte meine Hand auf die Brust und tat so, als hätte ich niemals daran gedacht, meine Meinung zu ändern. »Die Tasche und die Sachen meiner Mutter sind allerdings in meinem Zimmer.«

      »Das macht doch nichts. Wir können uns in zwei Stunden an der Bank unter dem Apfelbaum treffen. Sie bringen die Sachen mit und ich schaue, wie ich Ihnen helfen kann.«

      »Okay.« Ich nickte.

      Zwei Stunden später sah ich mit klopfendem Herzen Christopher am Treffpunkt auf der Bank sitzen.

      Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und seinen Kopf in die Wiege seiner Hand gelegt. Ich blieb stehen, um ihn genauer zu betrachten. Er sah wirklich gut aus, so wie er da saß und über den Rasen blickte.

      »Hallo, entschuldigen Sie meine Verspätung«, sagte ich und setzte mich neben ihn auf die Bank.

      »Kein Problem. Jetzt, da wir zusammen arbeiten, dachte ich, also ich bin Christopher.«

      Er reichte mir die Hand.

      »Ich bin Andrea.«

      »Sehr erfreut. Also, dann zeig mal, was du hast.«

      Ich reichte ihm den Karton, den er so behutsam öffnete, als wäre der Inhalt eine Bombe.

      »Wunderschön«, sagte er, nachdem er den Umschlag herausgenommen hatte. »Das Briefpapier ist einfach schön. Überhaupt war die Zeit damals ganz anders. Wer zum Teufel schreibt heute noch Liebesbriefe oder Ansichtskarten aus dem Urlaub? Ich muss gestehen, dass ich es selbst auch nicht tue.«

      »Lies ihn. Ich würde sagen, dass es nicht gerade ein Liebesbrief ist. Ich glaube, dass meine Mutter zu dem Zeitpunkt ziemlich sauer war.«

      »Okay.« Christopher öffnete den Umschlag und nahm den Brief aus dem Kuvert. Dann faltete er ihn auseinander und begann zu lesen.

      Angespannt saß ich neben ihm. Meine Hände waren triefend nass. Ich war neugierig auf seine Reaktion. Was würde Christopher über diesen Brief denken?

      »Ich muss dir recht geben. Ich glaube, dass deine Mutter verletzt war, vielleicht auch überfordert und deshalb diesen Brief geschrieben hat.«

      »Das könnte sein, denn ich war schon geboren. Eigentlich erzählt man dem Partner doch sofort von der freudigen Überraschung, oder?«

      »Ja.« Christopher legte seinen Daumen unter das Kinn. »Das mit den Eltern finde ich auch sehr interessant. Wenn ich darf, würde ich den Brief gerne für zwei Tage behalten. Ich recherchiere etwas und in zwei Tagen treffen wir uns zur gleichen Zeit wieder hier unter dem Baum.«

      »Okay.« Ich war etwas verwirrt. Was sollte ich in den zwei Tagen machen?

      »Entspann dich und genieße die Ruhe«, antwortete Christopher, als hätte er meine Frage gehört. »Erhol dich von dem Stress zu Hause.« Er stand auf, legte mir kurz eine Hand auf die Schulter und verschwand dann.

      Zwei Tage vergingen, in denen ich sämtliche Koppeln, Wege und jeden Winkel des Hotelgrundstücks erkundete. Ich hätte mich glatt als Fremdenführerin ausgeben können.

      Als ich in dem offenen Geräteschuppen nach einer kleinen Schaufel und einer Hacke Ausschau hielt, spürte ich wieder die Sehnsucht nach meiner Mutter. Wie oft hatte ich sie im Garten mit einer Schaufel erwischt. Sie konnte nicht genug von Blumen bekommen, besonders die Frühblüher hatten es ihr angetan. Immer wieder pflanzte sie neue Zwiebeln und erfreute sich an jedem Halm, der sich aus dem dunklen Gefängnis unter der Erde an die Oberfläche kämpfte.

      »Hallo, Miss. Was machen Sie da? Besucher haben da keinen Zutritt«, rief mir jemand zu.

      Als ich mich umdrehte, blickte Matthew mich aufgeregt mit großen Augen an.

      »Oh, das tut mir leid«, sagte ich und legte die Schaufel zurück aufs Regal.

      »Hey, Matthew. Ich mach das schon.« Christopher kam zu uns und schenkte mir einen vertrauten Blick.

      Mein Herz schmolz dahin. Was war das? Hegte ich irgendwelche Gefühle für Christopher?

      Matthew trat einen Schritt zurück und nickte Christopher zu. Vor wenigen Minuten hatte Matthew noch wie ein Mann gewirkt und nun war er wie ein kleiner Schuljunge, der von seinem Lehrer getadelt wurde.

      »Matthew hat recht. Besucher haben hier keinen Zutritt.« Christopher stemmte die Hände in die Hüften.

      »Ich weiß.« Ich senkte den Kopf. »Ich kann nicht den ganzen Tag herumsitzen und nichts tun. Die Erinnerungen an meine Mutter und all die Fragen zu meiner Vergangenheit machen mich verrückt. Außerdem kenne ich jetzt schon jeden Winkel dieser Gegend.«

      »Na dann, komm mit mir. Ich zeige dir etwas.« Christopher schloss den Schuppen und ging voraus. Wir umrundeten das Hotel und gingen direkt auf das kleine Haus neben der Auffahrt zu.

      »Sag mal, was ist das eigentlich für ein Gefühl, mit deiner getrennten Frau unter einem Dach zu leben?«, wollte ich wissen.

      »Eigentlich wohne ich nicht mehr im Hotel. Hier drüben ist mein neues Zuhause.« Er deutete mit dem Finger auf das Häuschen. »Es tut schon weh, zu sehen, wie Sophia mit Matthew zusammenlebt. Als hätte es eine gemeinsame Zeit mit mir nie gegeben.«

      »Wie bitte?« Ich verschluckte mich fast an meinem eigenen Speichel. »Sophia ist mit dem jungen Matthew zusammen? Sie ist doch bestimmt doppelt so alt wie er.«

      »Ja, das könnte hinkommen.« Christopher kratzte sich am Kopf.

      Ich merkte, wie unangenehm ihm das Thema war, und beschloss, nicht weiter nachzufragen.

      »Aber was soll ich machen? Wenn ich jetzt von hier wegziehe, hat sie gewonnen. Ich möchte ihr das Hotel nicht kampflos überlassen. Was würdest du an meiner Stelle tun?«

      »Ich weiß nicht. Ist es denn dein Haus?« Jetzt konnte ich nicht anders, um das Gespräch weiterzuführen.

      »Ja. Ich habe es damals gekauft. Wie konnte ich so dumm sein und meine Frau mit ins Grundbuch nehmen?«

      »Aber du konntest doch nicht wissen, dass eure Ehe sich so entwickeln würde.«

      »Nein. Aber was hätte ich machen sollen?«

      Er wirkte verzweifelt. Ich konnte nicht verstehen, warum er mir etwas so Persönliches anvertraute. Schließlich waren wir uns fremd. Anderseits dachte ich an meine eigenen Probleme. Er hatte mir ohne zu zögern seine Hilfe angeboten.

      »Ich würde einen Anwalt einschalten, die Scheidung einreichen und den Kaufvertrag des Hauses heraussuchen. Anhand der Unterschrift kann man doch erkennen, wer das Haus gekauft hat. Geht es ihr um das Haus oder ums Geld?«

      »Du meinst,