Название | Eine Partie Monopolygamie |
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Автор произведения | Kolja Menning |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752915013 |
Ich nicke, überwältigt von all dem.
»Gut«, findet Viktoria und lächelt wieder. »Hier sind wir auch schon.«
Wir treten in ein Großraumbüro, in dem etwa die Hälfte der Schreibtische unbesetzt ist. Auf fast allen stehen ein oder zwei Monitore, vereinzelt sehe ich Packungen mit Teebeuteln, die ein oder andere Topfblume, ein paar Poster, in der hinteren Ecke die Nationalflaggen unterschiedlicher Länder. An den Wänden hängen Whiteboards, auf denen Unterschiedliches geschrieben steht.
»Das ist mein Platz«, erklärt Viktoria und deutet auf einen Schreibtisch, der nicht anders ist als alle anderen.
»Und hier sitzt du«, fährt sie fort und zeigt auf den Schreibtisch direkt neben ihrem, wo einzig ein großer Bildschirm steht. Anschließend stellt sie mich ein paar Leuten vor, die in der näheren Umgebung sitzen. Da sind Leute aus Russland, den USA, Spanien, Italien und natürlich Deutschland. Schnell wird mir klar, dass die meisten noch weit unter dreißig sind und ich komme mir vor wie eine Oma.
Neben dem Marketing-Team sitzt hinter einer Schrankwand das Finance-Team.
»Wir finden es praktisch, dass Marketing und Finance so nah beieinander sitzen«, erklärt mir Viktoria. »Wir wollen immer Geld ausgeben, Finance achtet darauf, dass wir damit nicht übertreiben.«
Sie lacht, als hätte sie einen Witz gemacht, und etwas unsicher lächele ich auch.
»Das Finance-Team hat montags morgens immer sein Teammeeting, deswegen ist jetzt niemand da«, fährt meine neue Chefin fort.
Wir gehen weiter.
»Auf der anderen Seite von Finance findest du das Category Management«, geht meine Führung weiter. »Wir fassen da den Einkauf und die Qualitätssicherung in einem Team zusammen. Das hier ist Patricks Schreibtisch. Patrick leitet das Category Management, ist aber vermutlich im Moment bei Lieferanten.«
Mein Blick fällt auf den Playmate Calendar 2019, der unübersehbar neben Patricks Schreibtisch an der Wand hängt.
»Solltest du je Lust haben, den Playboy zu lesen, frag Patrick«, sagt Viktoria trocken, als sie meinen Blick sieht.
»Wenn ich meine Probezeit bestanden habe, werde ich darüber nachdenken«, sage ich, und auf Viktorias Gesicht erscheint wieder dieses verhohlene Grinsen, das ich schon aus dem Interview kenne.
Die im Category Management anwesenden Kollegen stellen sich vor, erklären mir, was sie bei Fair^Made tun, und heißen mich willkommen.
»Ah, da ist ja auch Anna!«, sagt Viktoria plötzlich. »Hey Anna, kann ich dir jemanden vorstellen?«
Eine junge Frau mit dunklem Haar kommt mit wogendem Busen auf uns zu.
»Clara, dies ist Anna. Anna ist Patricks Executive Assistant. Sie leistet großartige Arbeit«, sagt Viktoria und schenkt der jungen Frau ein warmes Lächeln. »Anna hat mich überzeugt, dass wir auch im Marketing jemanden wie sie brauchen könnten. Anna, dies ist Clara. Unsere neue ExAs.«
Ich schüttele Anna die Hand und komme nicht umhin zu bemerken, dass wir wohl kaum unterschiedlicher sein könnten. Anna ist allerhöchstens fünfundzwanzig, ihr Gesicht ist weich, ihre Kleidung teuer und ihre Absätze sind so hoch, dass ich nicht darauf laufen könnte. Mir zwingt sich der Eindruck auf, dass sie aus einem gut betuchten Elternhaus kommen muss und die Blase des Wohlstands, die sich auch im modernen Berlin immer mehr ausbreitet, noch nie verlassen hat. Kurz: Ich wette, dass sie das echte Leben – oder zumindest das, was ich als solches bezeichne – nicht kennt.
»Willkommen im Team!«, sagt Anna mit sanfter Stimme und lächelt mich freundlich an. »Gut, dass du da bist. Es wird Zeit, dass Vicky jemand unter die Arme greift.«
Wir besuchen das Design Team, ein Team, das sich mit Business Intelligence befasst – auch wenn ich nicht verstehe, was diese Leute tun – und schließlich das Human Resources Team, wo mich Viktoria an Valentina Alonso übergibt.
Nachdem wir ein paar Formalitäten erledigt haben, stellt mir Valentina im Detail die Mitarbeiter-Benefits von Fair^Made vor. Anschließend begeben wir uns zum IT-Helpdesk.
»Oli will help you with your equipment«, stellt Valentina mich einem jungen Mann vor, der als erster Mitarbeiter von Fair^Made wie ein waschechter Berliner aussieht. Die Seiten seines Schädels sind rasiert, er trägt einen Ring in der Nase, unter dem schwarzen T-Shirt lugen tätowierte Arme hervor und er lächelt nicht, als er mich sieht.
»Moin«, sagt er stattdessen in einem Ton, der bestenfalls als gleichgültig bezeichnet werden könnte. Er ist mir sofort sympathisch.
»Hi«, erwidere ich und lächle. »Ich bin Clara.«
»Haste ooch ‘n Nachname?«
»Nussbaum. Clara Nussbaum.«
»Na, wat nu? Nussbaum oder Clara Nussbaum?«
»Ich bin sicher, das kriegst du raus«, entgegne ich. Mit solchen Leuten kann ich umgehen.
»Schon jut. Also, ‘n Computer willste? Ach, und ‘n Telefon ooch, steht hier. Bist wohl ‘ne janz Wichtige, wie?«
Das glaube ich kaum, denke ich.
»Muss wohl so sein«, sage ich.
»Na jut«, meint Oli. »Also, hier steht, empfohlen: MacBook Pro, aber wenne unbedingt ‘ne Windows-Maschine willst, jeht dit ooch.«
Ein MacBook Pro??
»Also?«, fragt er.
»Das MacBook ist in Ordnung«, erwidere ich.
»Jute Wahl. Und dazu ‘n iPhone oder lieber Android? Da hätt’ ick im Moment nur ‘n Sony. Is’ aber ‘n jutet Jerät.«
»Was empfiehlst du mir denn?«, frage ich und sehe ihm an, dass er sich geschmeichelt fühlt, dass mich seine Empfehlung interessiert.
»Also, ick denk’ du solltest dit iPhone nehmen«, sagt er, nachdem er mich einen Moment lang gemustert hat.
»Dann nehm’ ich das Sony«, entgegne ich und lächle unschuldig.
Und da verzieht sich auch sein Gesicht zu einem Grinsen.
In den nächsten zwanzig Minuten richtet Oli mir auf dem Computer und dem Smartphone mein Fair^Made-E-Mail-Postfach ein, installiert auf dem Sony irgendwelche Apps und erzählt von Verschlüsselungen, wovon ich kaum etwas verstehe.
»Noch Fragen?«, will Oli schließlich wissen.
Ich schüttele den Kopf, um mir jetzt noch keine Blöße zu geben.
»Jut. Dann bekomm’ ick hier und hier ‘n Autogramm«, sagt er und legt mir zwei Formulare hin.
Ich unterschreibe.
»Allet klar, dann jehört deen Auto jetzt also mir.«
»Was?«
»Junge Frau«, sagt er, und ich muss innerlich lachen. Die Anrede wird bei Fair^Made wohl Seltenheitswert behalten. »So schnell kannste dit jar nich’ jelesen haben. Man sollte immer lesen, wat man unterschreebt.«
»Ich habe aber gar kein Auto«, entgegne ich.
»Ach«,