Eine Partie Monopolygamie. Kolja Menning

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Название Eine Partie Monopolygamie
Автор произведения Kolja Menning
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752915013



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hätte ich gern eine Kugel Zitrone im Hörnchen, bitte«, sagt er, und es bricht mir das Herz, weil ich weiß, was in seinem Kopf vorgeht. Ich weiß, dass er sich einschränkt, weil er Angst hat, dass ich mehr Geld ausgebe, als vernünftig ist.

      Ehe ich intervenieren kann, hat die Eisverkäuferin ihm sein Eis bereits gereicht.

      »Und für Sie?«

      Ich überlege, was Gwenael wohl gern als zweite Sorte genommen hätte. Ich vermute Mango. Also wähle ich Mango. Eine Kugel im Hörnchen.

      Kurz darauf sitzen wir gemeinsam auf einer Bank in einem Park und lecken unser Eis. Wir lassen einander probieren, und ich achte darauf, dass Gwenael mehr von uns bekommt als wir von ihm.

      »Bist du sicher, dass wir nicht zu viel Geld ausgegeben haben?«, fragt er mich irgendwann.

      Ich muss lächeln.

      »Ich fange nächste Woche eine neue Arbeit an. Dann werden wir auch mehr Geld haben«, überbringe ich ihnen endlich die große Nachricht.

      »Putzt du noch eine andere Wohnung?«, will Désirée wissen.

      Ich schüttele den Kopf. »Ab nächsten Montag höre ich auf, die Wohnungen anderer Leute zu putzen. Ich habe einen Job bei Fair^Made gefunden.«

      »Einen was?«, fragt Emil.

      »Wo?«, will Désirée wissen.

      »Ein Job, das heißt eine Arbeit«, erklärt Gwenael.

      »Und was ist Fair^Made?«, hakt Désirée nach.

      »Ist das ein Unternehmen?«, fragt Gwenael.

      Ich nicke. »Fair^Made macht und verkauft Kleidung.«

      »So wie H&M oder Unkilo?«

      »Uniqlo«, korrigiert sie Gwenael. »›Un kilo‹ heißt › Kilo‹ auf Spanisch.«

      »So ähnlich«, sage ich. »Aber Fair^Made achtet besonders auf die Umwelt und ist viel kleiner als H&M oder Uniqlo.«

      »Das ist nicht schlimm«, findet Emil. »Ich bin auch noch klein.«

      »Arbeitest du dann in einem Büro?«, fragt Gwenael.

      Ich nicke.

      »Putzt du dann das ganze Büro?«, will Emil wissen.

      »Nein, nein«, beruhige ich ihn. »Ich werde an einem Schreibtisch sitzen und hauptsächlich an einem Computer arbeiten.« Denke ich.

      »Oh, voll cool!«, ruft Désirée aus. »Kann ich da mal mitkommen? Meine Freundin Janine geht manchmal in das Büro von seinem Papa, und da gibt’s Coca Cola umsonst!«

      »Ihrem Papa«, korrigiert Gwenael, doch Désirée achtet nicht auf ihn.

      »Ich weiß noch nicht, ob das geht«, antworte ich ausweichend. Zumindest während der Probezeit will ich meinen neuen Kollegen nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ich eine alleinerziehende Mutter von drei kleinen Kinder bin.

      »Wenn ich Geburtstag habe, im Frühling, wünsch’ ich mir auch einen Computer«, meint Emil nachdenklich.

      Zum Glück ist bis dahin noch etwas Zeit, denke ich.

      »Mama?«, beginnt Gwenael vorsichtig.

      »Ja?«

      »Wenn du dann mehr verdienst ... Können wir dann irgendwann mal nach Griechenland fahren?«

      »Au ja! Zu Zeus und Hera auf den Olymp!«, ruft Désirée begeistert.

      »Und zu den Olympischen Spielen«, fügt Emil hinzu.

      Sie sehen mich erwartungsvoll an.

      »Nicht sofort«, beeilt Gwenael sich hinzuzufügen. »Vielleicht in ein paar Jahren, wenn wir genug gespart haben.«

      Ich lächele. Griechenland. Seit ich die verrückte Idee hatte, den Kindern hin und wieder aus den griechischen Sagen vorzulesen, ist das Gwenaels Traum. Und damit der seiner Geschwister. Ich träume übrigens schon sehr lange davon.

      »Ich hoffe es«, antworte ich.

      Melanie kommt nach dem Abendessen. Ich bitte die Kinder, allein ins Bett zu gehen, und setze mich mit Melanie in die Wohnküche. Sie ist mindestens so aufgeregt wie ich, stellt mir tausend Fragen, die ich nicht beantworten kann.

      »Bis wie viel Uhr wirst du denn dann arbeiten?«, fragt Melanie irgendwann.

      »Ich denke, bis sechs«, erwidere ich.

      »Und die Kinder?«

      »Eine Nachbarin hat angeboten, mir zu helfen.«

      »Oh, gut«, findet Melanie. »Wenn du willst, kann ich nach der Arbeit auch mal kommen und auf sie aufpassen.«

      Dieses Angebot überrascht und rührt mich zugleich. Melanie macht normalerweise keinen Hehl daraus, dass sie mit Kinder nicht so gut umgehen kann. Ich überlege kurz.

      »Wenn du das in der ersten Woche hin und wieder machen könntest, wäre ich dir unendlich dankbar«, sage ich schließlich.

      Bei Frau Jones hätte ich ein schlechteres Gewissen, wenn ich die alte Dame zwei, drei Stunden mit drei Kindern alleinlassen würde. Wenn sie Emil von der Kita abholt und eine halbe Stunde auf die Kinder achtet, bis Melanie von der Arbeit kommt, wird das nicht zu anstrengend.

      »Ich kann das auch häufiger machen«, meint Melanie.

      »Es ist nur noch eine Woche Schule«, erkläre ich. »Dann sind erst mal Sommerferien, und die Kinder werden drei Wochen lang bei meiner Mutter sein.«

      »Praktisch«, findet Melanie. »Dann kannst du dich voll und ganz auf den neuen Job konzentrieren.«

      So sehe ich das auch.

      Zweiter Teil:

       Die andere Seite

      »Hello from the other side«, singt die britische Sängerin Adele in ihrem 2015 erschienenen Song »Hello«. Ich mag dieses Lied. Und die Textzeile »Hello from the other side« passt ausgezeichnet zu dem, was ich im Moment empfinde. Ich stehe im Begriff, die Welt von Fair^Made, die Welt von Menschen wie Viktoria König, eine Welt, in der man sich auf jeden neuen Tag freuen kann, weil er unzählige Chancen birgt, zu betreten.

      Ich komme aus einer ganz anderen Welt.

      Aus einem anderen Universum.

      Von der anderen Seite.

      Dort hören die Parallelen zwischen dem Liedtext und mir allerdings auch auf. Das Lied handelt von entfremdeten Beziehungen und Nostalgie. Melodie und Harmonien vermitteln das mindestens ebenso gut wie der Text.

      Ich hingegen bin aufgeregt, ja, geradezu euphorisch! Dass ich auf der anderen Seite nur eine kleine Assistentin sein werde, ist nebensächlich. OK, es wird nur ein kleiner Schritt für die Menschheit sein. Doch es ist ein riesiger Sprung für mich. Ich stehe im Begriff, aus dem Schatten ins Licht zu treten.

       Kapitel 7

      Viktoria König empfängt mich persönlich. Mehr noch als in meiner Erinnerung ist sie in meinen Augen die perfekte Businessfrau. Schlank, elegant, das Haar hochgesteckt, sodass es weder zu informell noch zu streng aussieht. Über ihre Brüste spannt sich ganz leicht eine helle Bluse, deren oberste zwei Knöpfe offen sind, sodass zwar der Ansatz ihres Dekolletés sichtbar ist, aber kaum tiefere Einblicke möglich sind. Wie beim Interview ist sie dezent geschminkt, und als sie mir die Hand reicht und mich anlächelt, werden ihre strahlend weißen Zähne sichtbar. Ich bin sehr froh, dass ich mich heute Morgen entschieden habe, trotz des bei Fair^Made gepflegten legeren Kleidungsstils meine beste Kleidung zu tragen.

      »Hallo Clara! Ich freue mich, dass du da bist!«, begrüßt sie mich herzlich, und ich stelle fest, dass sie mich nun duzt.

      »Ich freue