Название | Eine Partie Monopolygamie |
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Автор произведения | Kolja Menning |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752915013 |
»Das krieg ich schon hin«, sagt Melanie.
»Danke, Mel. Was täte ich nur ohne dich.«
Wir umarmen uns, und dann ist sie weg.
Nachdem wir abgeräumt haben, zeige ich Gwenael und Désirée mein neues berufliches Handy und das MacBook Pro. Gwenael fallen fast die Augen aus dem Kopf. Ehrfürchtig streichelt er über das Aluminiumgehäuse des Computers.
»Wenn ich groß bin, will ich auch bei Fair^Made arbeiten«, sagt Désirée.
»Mama?«, fragt Gwenael. »Kann ich dann dein altes Handy haben?«
Ich überlege. Gwenael ist der Einzige in seiner Klasse, der kein Handy hat.
»Warum eigentlich nicht?«, antworte ich. Wir können das während der Sommerferien testen. So kann ich mit den Kindern in Kontakt bleiben, wenn sie bei meiner Mutter sind.
Wir richten das WLAN auf dem MacBook ein und sehen uns ein paar kurze Videos auf YouTube an. Anschließend schicke ich die Kinder ihre Zähne putzen und checke meine Fair^Made-E-Mails. Viktoria hat erst vor ein paar Minuten eine Nachricht geschickt, in der sie um die Organisation eines dreißigminütigen Termins mit Lena Persson bittet. Der Betreff soll sein: »Summer brand campaign – last touches«.
Schnell tippe ich eine Antwort:
Von: [email protected]
Betreff: RE: Meeting with Lena
Hi Viktoria,
I’ll do that first thing in the morning. Do you need a room with a projector?
Best,
Clara
Ich starre einen Moment lang auf den Bildschirm. Die Mail ist sicher raus.
Als ich den Computer gerade zuklappen will, fällt mir noch etwas ein. Ich öffne den Browser und google »David König + Fair^Made«. Willkürlich wähle ich einen der vielen News-Beiträge, die Google mir anbietet.
Berliner Unternehmer David König unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen
Berlin, 21. Juni 2016. Der Gründer und Geschäftsführer von Fair^Made, einem jungen Berliner Unternehmen, das seit einigen Jahren im wachsenden Markt für nachhaltige Mode agiert, ist offenbar am Morgen zu Tode gekommen. Die genauen Umstände sind bisher nicht geklärt. Eine detaillierte Stellungnahme der Polizei steht aus, offenbar kann ein Mord jedoch nicht ausgeschlossen werden. »König David«, wie der Unternehmer auch liebevoll genannt wurde, gründete Fair^Made gemeinsam mit Lena Persson im Jahr 2012. Auch eine Stellungnahme der Unternehmensführung steht bisher aus.
Nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht und ihnen eine kurze Geschichte aus den griechischen Sagen vorgelesen habe, lese ich ein paar weitere Artikel über den Tod des Fair^Made-Gründers. Offenbar bestätigte sich schnell, dass es sich um einen Mord gehandelt hatte. Allerdings scheint der auch nach drei Jahren noch unaufgeklärt zu sein. Ein halbes Jahr nach Königs Tod wurde von S.I. Investments, dem Hauptanteilseigner der Fair^Made GmbH, Peter Sauer als Ersatz für David König eingesetzt. Viel mehr finde ich nicht.
Was ist da bloß passiert?, frage ich mich. Ein Mord?
Emil wacht an diesem Abend nicht mehr auf. Entsprechend früh ist er am nächsten Morgen wach und kommt um halb sechs bester Laune in mein Schlafzimmer.
»Bin schon angezogen«, verkündet er.
»Weil du dich gestern Abend nicht ausgezogen hast, du Schlingel«, sage ich schlaftrunken. Doch ich freue mich über den gemeinsamen Moment, zumal ich mich gar nicht mehr müde fühle.
Er klettert auf mein Bett und kuschelt sich an mich.
»War’s gut gestern mit Melanie?«, frage ich ihn.
»Geht so«, antwortet er.
»Was war denn nicht gut?«
»Sie wollte nicht zu Ende spielen«, erklärt er.
»Ich dachte, du warst so müde, dass du nicht weiterspielen konntest«, entgegne ich. »Warst du etwa dabei zu verlieren?«
»Ich war dabei zu gewinnen«, widerspricht er mir. »Aber dann wollte sie nicht mehr.«
»Hast du geschummelt?«
»Hab’ ich nicht. Sie wollte den Läufer ziehen. Aber das war eine dumme Idee. Also hab’ ich gesagt, ›Wenn ich du wäre, würd’ ich das nicht machen.‹ Da hat sie die Dame gezogen, aber das war noch dümmer. Ich konnte mit meinem Pferdchen Schach sagen und gleichzeitig ihre Dame bedrohen. Sie musste den König bewegen, also hab’ ich ihre Dame gefressen, und dann hatte sie keine Lust mehr. Sie hat gesagt: ›Du hast mir einen schlechten Rat gegeben!‹ Da bin ich in mein Zimmer gegangen, und sie ist in der Küche geblieben.«
»Und dann bist du eingeschlafen?«
Er nickt. Ich hinterfrage den Verlauf der Schachpartie nicht weiter.
»Wollen wir zusammen Frühstück machen?«, frage ich ihn stattdessen, denn das tut er gern.
Kapitel 9
Wir sind zu siebt beim von Viktoria angekündigten Neustarter-Training. Lena Persson, die Gründerin höchstpersönlich, heißt uns herzlich bei Fair^Made willkommen.
»You are all Germans, right?«, fragt sie, in die Runde blickend, und wir nicken wie artige Schulkinder.
»Dann machen wir das auf Deutsch«, sagt sie mit nur einem ganz leichten schwedischen Akzent. Und dann legt sie los:
»Wie ihr alle bereits wissen werdet, ist Fair^Made mehr als nur ein Unternehmen. Wie andere Unternehmen auch wollen wir, dass unser Business wächst und wir eine gesunde Profitabilität haben. Doch nicht um jeden Preis. Bei Fair^Made wollen wir einen Unterschied für die Welt machen. Und das würden wir niemals für etwas mehr Umsatz opfern. Sicherlich habt ihr darüber schon mit euren Teamleitern gesprochen. Heute möchte ich euch eine Einführung geben, wie wir das auch intern umsetzen. Wenn ihr Fragen habt, unterbrecht mich einfach, OK?«
Sie blickt in die Runde. Wieder nicken wir brav.
»Gut«, fährt Lena fort. »Kundenfokus ist ein äußerstes Gebot bei Fair^Made. Egal, ob ihr in Marketing, Design, Finance oder HR arbeitet, ihr solltet den Fair^Made-Kunden oder die Fair^Made-Kundin nie vergessen.«
Ein junger Kollege – ich glaube aus dem Finance-Team – hebt seinen Arm. Es ist tatsächlich wie in der Schule.
»Ja?«, ermutigt Lena ihn.
»Vorhin hast du Fair^Made als mehr als ein Unternehmen beschrieben. Wir legen auch Wert auf Soziales, wenn ich das richtig verstanden habe. Das kostet aber auch Geld. Wenn wir uns nun voll auf den Kunden fokussieren, wäre es nicht besser, dieses Geld zu investieren, um unseren Kunden ein besseres Produkt bieten zu können?«
Er sieht Lena fast herausfordernd an.
»Ausgezeichnete Frage«, findet Lena. »Das würde zutreffen, wenn unsere Vision, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen, losgelöst wäre von unseren Produkten. Tatsächlich ist sie aber ein integraler Bestandteil unserer Produkte. Unsere Kunden wollen und sollen sich gut fühlen, nicht nur, weil unsere Produkte angenehm zu tragen sind und sie darin gut aussehen, sondern auch, weil sie ein gutes Gewissen haben können. Macht das Sinn?«
Der Finanzler nickt.
»Gut«, sagt Lena und lächelt. »Also, wie setzen wir das intern um? Zuerst einmal durch Inclusion and Diversity. Es gibt zahlreiche Studien, die beweisen, dass heterogene Teams besser performen als homogene Teams.