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ermutigen, zuzuhören und Fragen zu stellen. OK?«

      Als wir wieder im Büro sind, setzen wir uns gemeinsam an meinen Computer.

      »Pass auf«, sagt Viktoria, »jetzt zeige ich dir das Wichtigste. Wir werden dir auf deinem Computer auch mein E-Mail-Postfach einrichten. Damit bekommst du Zugang zu all meinen Mails und vor allem meinem Kalender. Ich erwarte nicht, dass du alle meine E-Mails liest, dazu wirst du auch gar keine Zeit haben. Darfst du aber schon.«

      Sie lächelt. »Deswegen ist das Thema Vertraulichkeit so wichtig. Über das, was du in meinen E-Mails liest, darfst du mit niemandem außer mir reden. Solltest du bemerken, dass ich potenziell wichtige E-Mails nicht öffne oder beantworte, bin ich dir dankbar, wenn du mich darauf aufmerksam machst. Es kann durchaus sein, dass mir hin und wieder mal was durchrutscht. Aber dein Hauptaugenmerk sollte auf meinem Kalender liegen. Ich werde auch weiterhin einige Termine selbst erstellen – aber die Organisation aller größeren Termine, ob intern oder extern, ist ab sofort deine Verantwortung. Das mag sich leicht anhören, ist es aber nicht immer, denn ich habe zu viele Termine. Außerdem ist mir sehr wichtig, dass ich jeden Tag dreißig Minuten für eine Mittagspause habe – nicht vor zwölf und nicht nach zwei – und keine Meetings vor 8 Uhr und nach 20 Uhr. Das Allerwichtigste ist, dass ich jeden Tag zwei Stunden ohne Meetings habe, um selbst produktiv zu sein. Ausnahmen sind Tage, an denen ich auf Dienstreise bin oder Ganztagesworkshops habe. Es wird immer wieder Leute geben, die unbedingt sofort Zeit mit mir brauchen. Selbst wenn das Peter ist – wenn ich keine Zeit habe, bitte ich dich, keine Termine zuzulassen, ohne mit mir Rücksprache gehalten zu haben. Alles klar?«

      Ich nicke.

      »Gut«, fährt sie fort. »Reisen. Sobald eine Reise feststeht, solltest du dich um die Organisation kümmern. Dabei ist erste Priorität Nachhaltigkeit. Nur wenn eine Zugreise aufgrund der Entfernung nicht möglich ist, fliege ich. Im Zug fahre ich zweiter Klasse, geflogen wird nur Economy.«

      Wieder nicke ich.

      »Es gibt jede Woche zwei wichtige Meetings«, kommt Viktoria zum nächsten Thema. »Erstens: das Marketing-Team-Meeting jeden Mittwoch um 10 Uhr. In dem Meeting sehen wir auf die Geschäftszahlen der vergangenen Woche und kommentieren sie, außerdem werden Updates zu wichtigen Projekten oder Kampagnen gegeben. Hin und wieder wird auch die ein oder andere persönliche Ankündigung gemacht. Du solltest unbedingt teilnehmen und ich ermutige dich, dies aktiv zu tun. Das zweite wichtige Meeting ist das Executive Leadership Meeting, ELM. Mittwochabend 18 Uhr bis 19 Uhr. Dieses Meeting ist für dich nicht relevant, aber es darf auf keinen Fall etwas anderes parallel liegen. Ausnahmen sind Urlaub oder Dienstreisen, die ich selbst entscheide.«

      »Selbstverständlich«, sage ich.

      »Gut. Für den Rest des Tages empfehle ich dir, dich mit all diesen Themen so vertraut wie möglich zu machen. Morgen hast du eine Einführung zum Arbeiten bei Fair^Made mit Lena. Wir legen sehr viel Wert darauf, dass bei Fair^Made jeder Mitarbeiter – oder ›Fair^Maker‹, wie wir uns nennen – weiß, welche Werte wir haben, welche Verhaltensweisen wir schätzen und welche nicht. Letztendlich sind wir alle ein großes Team. Wir verfolgen unsere Mission gemeinsam. Deswegen lässt es sich Lena auch nicht nehmen, diese Trainings selbst zu machen. Es ist auch eine Gelegenheit, unsere Gründerin persönlich kennenzulernen. Das hat daher allerhöchste Priorität. OK?«

      Ich nicke.

      »Noch ein grundsätzlicher Tipp«, sagt Viktoria. »Hilfsbereitschaft ist zwar eins der obersten Gebote für jeden Fair^Maker – dennoch, je besser du im Unternehmen verdrahtet bist, desto leichter wird dir Vieles fallen. Sei also offen für andere und nimm dir Zeit, um ein Netzwerk zu bauen. Auch über das Marketing hinaus. Organisier dir gelegentlich ein Lunch oder eine Kaffeepause mit Kollegen. Fast alle hier sind auch sehr nett.«

      Sie lächelt, und ich nicke erneut.

      Es ist 18 Uhr, als Viktoria von diversen Terminen zurückkehrt.

      »Du bist immer noch da«, stellt sie fest und schenkt mir ein Lächeln. »Du solltest nach Hause gehen. An den ersten Tagen sind es immer so viele Eindrücke, da braucht man Pausen und auch Zeit, alles zu verarbeiten.«

      »Es ist sehr nett, dass du das sagst«, erwidere ich. »Danke. Es sind wirklich viele Informationen, aber ich bin froh, hier zu sein.«

      »Ich bin sicher, wir werden sehr gut zusammenarbeiten«, meint Viktoria.

      Woher sie das wissen will, weiß ich nicht. Und auch wenn der erste Tag gar nicht so schlecht war, habe ich meine Zweifel. Ob ich dem allen hier gewachsen bin, muss sich erst noch zeigen.

       Kapitel 8

      Als ich nach Hause komme, spielen Gwenael und Désirée auf dem Fußboden Schach. Melanie steht in der Küche und schneidet Brot.

      »Hallo Mama!«, ruft Désirée, steht auf und läuft auf mich zu.

      Gwenael folgt ihrem Beispiel. Ich schließe sie in die Arme.

      »Wo ist denn Emil?«, frage ich.

      »Eingeschlafen«, erklärt Gwenael. »Schon bevor ich vom Fußball gekommen bin.«

      »War er so müde?«, frage ich Melanie, nachdem ich sie begrüßt habe.

      »Wir haben Schach gespielt, und dann ist er ins Zimmer gegangen«, erzählt sie. »Und als ich irgendwann nachgesehen habe, hat er geschlafen.«

      »Wer hat denn gewonnen?«, will Désirée wissen. »Manchmal wenn er verliert, schmollt er, und dann kann es schon mal passieren, dass er einschläft.«

      »Ich wette, er hat gewonnen«, meint Gwenael.

      Ich werfe einen schnellen Blick auf Melanie.

      »Wir haben nicht zu Ende gespielt«, sagt Melanie spitz. Ich vermute, sie ist beleidigt, dass Gwenael ihr offenbar nicht zutraut, einen Fünfjährigen im Schach zu schlagen.

      »War sonst alles OK?«, wechsle ich das Thema.

      »Alles bestens«, sagt Melanie etwas zu schnell. »Ich war gerade dabei, Abendbrot zu machen. Gwenael meinte, ihr würdet abends oft Brot essen, aber es ist nicht viel da, was man drauf tun könnte. Nur Butter und Frischkäse.«

      »Wir essen dazu oft Gurke und Maggi, das haben wir doch schon erklärt«, mischt sich Désirée ein.

      »Willst du zum Essen bleiben?«, frage ich Melanie.

      Sie schüttelt den Kopf. »Wir gehen heute Abend in ›das Lokal‹«, klärt sie mich auf. »Ein Freund von Anton hat einen Tisch für acht reserviert.«

      Das Lokal, denke ich. Nett.

      »Aber ich will unbedingt hören, wie dein erster Tag bei Fair^Made war«, fährt sie fort. »Jetzt sag schon! Wie ist sie, diese Viktoria König?«

      Ich übernehme das Brotmesser, während Melanie sich an unseren alten Esstisch setzt. Gwenael und Désirée kehren zu ihrem Schachspiel zurück.

      »Sie ist ... wirklich nett«, beantworte ich Melanies Frage.

      »Du sagst das, als würde es dich überraschen«, stellt sie fest. »Oder als würde es dir nicht passen.«

      Wenn ich ehrlich bin, trifft wohl beides zu. Ich hatte Angst vor der Begegnung mit Viktoria. Trotz des zur Schau gestellten Idealismus während des Interviews hatte ich eine knallharte Karrierefrau erwartet. Diese Erwartung hat Viktoria zumindest am ersten Tag enttäuscht. Sie scheint erfolgreich und nett zu sein. Und von einer fast schon lästigen Perfektion.

      »Und der Job?«, fragt Melanie weiter.

      »Kann ich noch nicht sagen«, erwidere ich vorsichtig. »Es ist sehr viel auf einmal. Aber es ist auch aufregend. Ich hoffe, ich schaffe das.«

      »Morgen zur gleichen Zeit?«, fragt mich Melanie später zum Abschied.

      »Wenn’s dir nichts ausmacht – das wäre wirklich super nett von dir«, antworte ich. »Aber morgen werden Désirée und Gwenael