Название | Brand und Mord. Die Britannien-Saga |
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Автор произведения | Sven R. Kantelhardt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862827725 |
War dieser Hoger gestern auch schon so groß?, wunderte sich Ceretic.
Dann standen sie sich gegenüber. Dünner Nebel wehte zwischen ihnen hin. Doch der zweite Mann war nicht Hoger! Er war tatsächlich größer und bedeutend jünger!
„Was soll denn das?“, fragte Ceretic verärgert. Vor Erstaunen vergaß er, dass vor Sonnenaufgang auf der Insel nicht gesprochen werden durfte.
Der andere holte stumm zum Schlag aus und Ceretic parierte mit seinem Schild. Sein Gegner sprang einen Schritt zurück. Langsam umkreisten sich Ceretic und der Fremde. Unvermittelt sprang Ceretic vor und stieß mit dem Schwert nach dem unteren Schildrand seines Widersachers. Scheppernd prallte die Klinge an dem rasch gesenkten Holz ab. Im Gegenzug hieb der Fremde mit voller Wucht von oben auf Ceretic. Ein großes Stück Lindenholz splitterte von seinem Schild ab und traf Ceretic an der Schulter. Vielleicht hätte er doch den eisenbeschlagenen Schild wählen sollen. Aber es blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken, denn sein Gegner schlug wieder zu und dann noch einmal. Ceretic merkte, dass er nicht den richtigen Rhythmus fand. Er wurde in die Defensive gedrängt und wehrte nur die Schläge seines Feindes ab. Und dieser schien sehr viel stärker als Hoger. Wieder flog eine Latte von Ceretics Schild auf den Kies.
Was würde nur Rowena sagen, wenn ich hier fiele?, schweiften seine Gedanken ab.
Der Gegner bemerkte es und schwang sein Schwert blitzschnell in einem Bogen nach unten. Ceretic reagierte einen Augenblick zu langsam. Die Schwertspitze beschrieb einen tiefen Kreis und traf Ceretic oberhalb des linken Knöchels. Der Schmerz riss ihn aus seinen Gedanken. Erschrocken schaute er auf seine karierte Hose, deren Saum sich dunkel färbte. Ein stechender Schmerz fuhr bis in seine Fußsohle. Der Knochen schien jedoch unverletzt, zumindest konnte er noch fest stehen.
Ceretic musste langsam etwas unternehmen. Im Geiste erinnerte er sich an seinen Lehrer Wulf. Er hatte ihn immer wieder aufs Kreuz gelegt, obwohl Ceretic damals schon viel größer und stärker war als der alternde Söldner. Nun war er es, der nicht mehr in Übung war und sein Gegner besaß sicherlich eine größere Ausdauer. Doch wie alle Barbaren hieb er mit seinem Langschwert wild um sich, statt einen einzigen gezielten Stoß zu führen.
„Eine Spanne Spitze ist mehr wert als zwei Ellen Schneide“, hatte Wulf behauptet, als er unter Ceretics wuchtigem Schlag abtauchte und ihm das Holzschwert schmerzhaft in die Rippen rammte. Dankbar erinnerte sich Ceretic nun an diese Lektion. Ja, Wulf hatte ihn Besseres gelehrt. Er trat einen Schritt rückwärts und täuschte vor, auf dem verletzten Bein einzuknicken.
„Jetzt nehme ich dich aus wie einen Fisch und werfe deine Eingeweide den Möwen zum Fraß vor“, höhnte der Fremde und hob sein Schwert zu einem letzten mächtigen Hieb.
Damit besiegelte er sein Schicksal. Ceretic drehte seinen Schild so, dass der ungefasste Holzrand mit der Maserung nach oben wies und das Schwert seines Gegners fraß sich tief hinein. Im gleichen Augenblick drehte er seinen Oberkörper mitsamt Schildarm und Schild nach links und riss die verkeilte Klinge des Ebbingemannen mit sich. Sein Gegner hielt den Griff der Waffe verzweifelt umklammert und stolperte einen Schritt nach vorn. Darauf hatte Ceretic gewartet. Er tauchte unter dem gegnerischen Schildrand durch und stieß sein Schwert in die Achselhöhle seines Widersachers. Heißes Blut wallte aus der Wunde und ein Schleier aus feinen Wassertröpfchen trübte schlagartig das kalte, blanke Eisen.
Schwer atmend richtete sich Ceretic auf, während der gefällte Hüne in einer rasch wachsenden Blutlache sein Leben aushauchte. Außer dem eigenen pfeifenden Atem hörte er nichts. Ceretic schwindelte. Er zwang sich, ruhiger zu atmen und bemerkte den metallischen Geruch des Bluts und was war da noch? Ach ja, der Geruch, wenn Staub nach langer Trockenzeit vom ersten Regen benetzt wird. Er schüttelte den Kopf. Dem Staub war es wohl gleich, ob er Menschenblut oder Regen trank.
Ceretic setzte sich in einigem Abstand zu dem Toten auf den Boden. Dann krempelte er vorsichtig seine blutgetränkte Hose hoch und untersuchte seine Beinwunde. Der Schnitt war ungemütlich tief, aber er konnte keine Knochensplitter in der Wunde erkennen. Er riss einen Streifen von seiner Hose und band ihn um die Wunde. Wenn er nicht den Brand bekam, sollte es in einigen Tagen wieder verheilt sein. Dann blickte er in Richtung Osten, wo die Sonne jeden Moment aufgehen würde.
Tavish kam – unter Missachtung des Verbotes, die Insel vor Sonnenaufgang zu betreten – auf ihn zugerannt. Ceretic winkte: er solle bleiben, wo er war; wegen des Schweigegebotes wollte er nicht laut rufen. Da blendeten ihn die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne.
„Alles gut, du brauchst nicht zu eilen“, rief er auf Britannisch.
Doch da war Tavish schon heran und umarmte seinen Gefährten und Meister wild. Dann sah er das Blut an der Hose. „Du bist verletzt?“, fragte er besorgt.
Ceretic winkte ab. „Nicht so schlimm, ich brauche nur an Land einen sauberen Verband, damit ich mir nicht den Brand hole. Aber sieh dir mal den da an.“ Dabei zeigte er auf den Toten. „Das ist nicht der alte Hoger.“
Tavish sah erstaunt zu dem Toten, der inzwischen reglos in seinem Blute lag. „Der war aber immer mit ihm zusammen. Hoger, dieser Feigling, hat einen seiner Männer geschickt. Was machen wir denn nun mit ihm?“
Ceretic zuckte die Achseln und ließ seinen Blick zur anderen Seite der Insel schweifen, wo das gegnerische Boot angelegt hatte. Doch da war kein Boot mehr.
VI. Abrechnung und Aufbruch
Beufleet, Juni 441
Swæn
Am Ufer warteten Witiko und Swæn angespannt auf den Ausgang des Kampfes. Endlich tauchte im Nebel die Silhouette eines Bootes auf.
„Das ist das Boot des Britanniers“, rief Swæn aufgeregt und dann sah er zwei lebende Gestalten. „Er hat es geschafft!“ Damit war Ordulf gerettet. Begeistert umarmte er den verdutzten Witiko. Er rannte dem Sieger aufgeregt entgegen und half, das Boot an Land zu ziehen.
„Das ist doch Kjeld, der junge Ebbingemanne, der Hoger zum Holmgang rudern sollte!“, wunderte sich Swæn, als er die Leiche gewahrte. „Wie kommt der denn hierher?“
„Hat er sich nach Hogers Tod etwa auf euch gestürzt?“, mutmaßte Witiko.
Ceretic unterrichtete sie in aller Kürze über das Vorgefallene und Hogers Flucht.
„Dieser Feigling hat seinen Knecht vorgeschickt und ist selbst getürmt! Ich muss sofort nach Dithmarschen zurückkehren, der Schuft sinnt sicher auf Rache und wird sich noch an unserem Hof vergreifen!“, rief Swæn erschrocken.
„Erst einmal muss er den Verlust von dreien seiner Krieger verschmerzen“, bemerkte Witiko beruhigend. „Da wird er nicht so schnell wieder zu einem Überfall bereit sein. Und jetzt lasst uns Horsa berichten.“
„Und Ordulf befreien!“, stimmte ihm Swæn zu.
„Lauft ihr schon vor, der Kerl hat mich am Knöchel erwischt und ich komme lieber etwas langsamer hinterher, damit die Wunde nicht wieder zu bluten beginnt“, wies Ceretic sie an.
Als die beiden Sachsen in Hengists Halle stürmten, warteten Horsa und weitere Krieger und Hofbewohner bereits voll Spannung auf den Ausgang des Kampfes. Schlagartig verstummte das aufgeregte Gemurmel. Alle Augen richteten sich gespannt auf die Neuankömmlinge.
„Hoger, der Schuft, hat überlebt und ist geflohen!“, rief Witiko atemlos in die Stille hinein.
Ein erstickter Schrei, gefolgt von einem dumpfen Poltern antwortete ihm aus dem hinteren Teil der Halle. In dem sich daraufhin ergebenden Durcheinander dauerte es einen Augenblick bis Swæn einen Überblick gewann. Eine der Frauen war ohnmächtig geworden.
„Was ist mit Rowena los?“, rief Horsa besorgt und drängte zu seiner am Boden liegenden Nichte. „Bringt sie sofort an die frische Luft. Gero und Worad, ihr fasst mit an.“
War das nicht dasselbe Mädchen, welches am Vortag die Schale mit der Milch hatte