Название | Brand und Mord. Die Britannien-Saga |
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Автор произведения | Sven R. Kantelhardt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862827725 |
„Was sollen wir nur tun? Du musst bald übers Meer und mir wird es das Herz aus dem Leibe reißen, dich ziehen zu lassen. Wenn nur mein gestrenger Vater und diese Prophezeiung nicht wären, wie glücklich könnten wir werden.“
„Er wird sich fügen, ja sogar fröhlich zustimmen“, entgegnete Ceretic und klang optimistisch. „In Britannien gilt ein tapferer Mann nicht wenig und wenn ich diesen Auftrag recht ausrichte und deinen Vater und seine Krieger gegen die Pikten führe, wird mich der Hochkönig reich belohnen. Vielleicht erhebt er mich in den Ritterstand oder gibt mir sogar einen Platz an seiner Tafel und in seinem Rat. Dann kann ich getrost um dich werben.“
Er küsste sanft den Rücken ihrer Hand. Sie sank an seine Brust.
„Ach Ceretic, wenn doch dieser Abend niemals enden müsste.“
„Bleib nur standhaft und vertrau mir, bis ich wiederkomme – als Vortigerns Vertrauter und für Hengist ein genehmer Werber. Diesen Winter schon oder im nächsten Frühjahr“, beteuerte Ceretic abermals. Vorsichtig setzte er sich, Rowena noch immer fest in seinem Arm.
„Ich muss nun los, die Sonne ist untergegangen und die letzte Dämmerung flieht geschwind“, bemerkte er, nachdem sie eine Weile so gesessen hatten.
„Du kannst mich jetzt nicht verlassen“, jammerte sie.
„Aber ich muss. Für König und Vaterland und auch unsere Zukunft“, entgegnete er sanft und wand sich aus ihren Armen.
„Nicht!“, rief sie und zog ihn zu einem Kuss wieder herunter an ihren Mund.
V. Der Zorn der Götter
Beufleet, Juni 441
Ordulf
Ordulfs Gesichtsfeld verengte sich, ein dumpfer Schmerz hämmerte in seinen Schläfen und sein Körper verkrampfte sich. Da stieß er mit seiner Linken im Matsch an etwas Hartes und schürfte sich den Finger auf. Nur der brennende Schmerz ließ ihn überhaupt erkennen, dass er etwas scharfkantiges gefunden hatte, alle weniger intensiven Gefühle wurden von der Luftnot überdeckt, die drohte seinen Kopf zu zersprengen. Er bekam das scharfkantige Ding zu fassen und mit einem letzten Aufbieten aller Kräfte schlug er in die Richtung, wo er zuvor den Bart getastet hatte.
Der Aufschlag war hart und die Rückseite des Gegenstandes schnitt ihm in den Daumenballen, aber der Druck auf seinen Hals verschwand augenblicklich. Ordulf bäumte sich auf und atmete tief ein. Mit der Luft kehrte auch seine Wut zurück. Vor ihm beugte sich gerade einer seiner Angreifer über den blutigen Kopf desjenigen Peinigers, den er geradewegs ins Gesicht getroffen hatte. Er wandte Ordulf seinen ungeschützten Hinterkopf zu. Das war ein Fehler. Ein zweites Mal traf Ordulfs Waffe auf Knochen. Diesmal hörte er ein hässliches Knirschen und der Gegner fiel auf seinen verletzten Kameraden. Ihr Blut mischte sich im Schlick. Hoger, denn den erkannte Ordulf nun, riss erschrocken den Mund auf, doch seine Stimme versagte und kein neues „To jodute“ erscholl. Aber da kamen bereits mehrere Männer die Uferböschung herab gestürzt. Sie waren durch Hogers ersten Ruf alarmiert worden.
In Ordulfs Ohren rauschte es. Die Wut war ebenso rasch verflogen, wie sie ihn überfallen hatte. Teilnahmslos sah er zu, wie unter dem Geschrei Hogers und der anderen Ebbingemannen, die offenbar ihre Sprache wieder gefunden hatten, mehrere Männer auf ihn zuliefen, ihn packten und unsanft in die Höhe rissen.
Dann zerrte man ihn durch das Gedränge der Krieger in Richtung des Lagers. Er berappelte sich so weit, dass er wieder selber laufen konnte. Der Mann hinter ihm stieß ihm unsanft einen Speerschaft in den Rücken.
Schließlich stand Ordulf zum zweiten Mal an diesem Tage vor Horsa. Inzwischen verstand er wieder, was um ihn herum vorging.
Hoger trat vor und verneigte sich. „Dieser hinterhältige Mörder hat sich unter deine Krieger geschlichen!“, schnaubte er mit mühsam unterdrücktem Zorn. „Er hat einen meiner Männer ermordet und einen weiteren geblendet. Ich verlange Gerechtigkeit.“
Ordulf setzte zu seiner Verteidigung an, aber einer der Ebbingemannen schlug ihm so hart ins Gesicht, dass seine Oberlippe aufplatzte. Der salzige Geschmack von Blut vermischte sich mit dem ebenfalls salzigen des Schlicks.
Horsa blickte diesmal gar nicht sanft und freundlich. „Zeigt mir die Opfer“, knurrte er.
Weitere Krieger legten einen leblosen Körper vor ihn auf den Boden. Eine hässliche Wunde klaffte im Schädel. Geronnenes Blut, Schlick und Hirnmasse klebten zwischen den Haaren. Ein weiterer Mann trat taumelnd vor. Einer der Männer riss ihm unsanft die blutige Hand herunter, die er auf sein Gesicht presste. Einige der umstehenden Krieger zogen scharf die Luft ein, als sie in die leere Augenhöhle des Mannes starrten. Der Verletzte stöhnte und wäre gestürzt, wenn ihn nicht einer seiner umstehenden Kameraden aufgefangen hätte.
„Dieser Mann ist hinterrücks mit einem Dolch über den unbewaffneten Rodewin hergefallen und hat ihn erschlagen. Und wenn Halvor hier sich nicht im letzten Moment zur Seite gedreht hätte, hätte er auch ihn erstochen. So blendete ihn der Dolch lediglich“, verklagte Hoger Ordulf erneut.
„Das ist nicht wahr! Mein Bruder war unterwegs, um unser Pferd zu tränken. All seine Waffen hat er bei unserem Zelt gelassen“, mischte sich nun Swæn ein.
Horsas Blick wanderte zu Ordulfs linker Hand. Vielsagend zog er die Brauen hoch. Ordulf folgte seinem Blick und erschrak, als er erkannte, was seine Linke noch immer umklammert hielt: einen rostigen Dolch!
„Wohl ist alles wahr, was ich sage. Ich und Kjeld hier haben es von weitem gesehen und haben sogleich das ‚To jodute‘ gerufen“, unterbrach ihn Hoger unwirsch.
„Ein Toter und drei Lebende, die deine Schuld beschwören, einer davon geblendet. Und du selbst hältst noch das Mordwerkzeug in der Hand! Was sagst du dazu?“, wandte sich Horsa nun voller Ernst an Ordulf.
„Sie haben mich mit Dreck beworfen und als Schwein beschimpft …“, begann Ordulf.
„Wir haben ihn einen Swæn genannt, so heißt sein Geschlecht ja wohl. Und wer würde so einen verrückten Hitzkopf auch noch reizen?“, rief Hoger dazwischen. „Im ganzen Gau sind die Swænen als Unruhestifter bekannt. Frag nur die anderen Dithmarschen“, fügte er triumphierend hinzu.
„Das ist eine Lüge“, rief Swæn dazwischen. Doch ein finsterer Blick von Horsa brachte ihn zum Schweigen.
„Das betrifft uns hier auch nicht. Aber“, fuhr er mit drohend zusammengezogenen Brauen an Ordulf gewandt fort, „ich habe euch erst heute Mittag ermahnt, dass alle Geschlechterfehden hier bei uns zu ruhen haben und du hast es akzeptiert.“ Er holte tief Luft und schaute, als hätte er gerade auf eine verdorbene Frucht gebissen. „Du hast nun einen meiner Männer, denn ihr alle seid nun meine Männer, erschlagen und einen weiteren so verletzt, dass er ein Auge verloren hat. Du weißt, welche Strafe dich nach unserem Recht erwartet. Das dürfte auch euch streitlustigen Dithmarschen nicht unbekannt sein.“
Ordulf wusste es. Man würde ihn zuerst blenden, zumindest ein Auge, als Ausgleich für die Wunde, die er diesem ebbingemannischen Dreckskerl zugefügt hatte und dann im Moor versenken. Vielleicht war Horsa auch gnädig und würde ihn zuerst erdrosseln und erst dann blenden, das war alles, was er hoffen durfte.
Zum zweiten Mal an diesem Tag schaute Ordulf dem Tod ins Auge. Vermutlich würden sie zur Sühne an die Götter auch noch Hilda opfern, fuhr es ihm durch den Kopf. Und die konnte am allerwenigsten dafür. Düster lutschte er an seiner aufgesprungenen Lippe. Die Situation war aussichtslos. Diesmal war er mit seinem Hitzkopf an die Falschen geraten. Was würde nur sein Bruder Swæn denken? Er kannte Ordulfs Jähzorn und würde insgeheim alles glauben, was Hoger ihm vorwarf. Hatte er nicht damals auf Wolderichs Hof angekündigt, die Ebbingemannen zu erschlagen? Und nicht nur Horsa, auch sein eigener Vater hatte ihn ausdrücklich ermahnt, mit keinem der anderen Sachsen Streit anzufangen. Aber er war es ja auch gar nicht gewesen. Wollte das denn niemand erkennen?
„Wir haben uns dir anvertraut, nun schaffe uns Gerechtigkeit“, drängten sich Hogers Worte in Ordulfs Gedanken. „Halvor soll ihn blenden.