Название | Brand und Mord. Die Britannien-Saga |
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Автор произведения | Sven R. Kantelhardt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862827725 |
Beufleet, Juni 441
Ordulf
Kurz nach Sonnenaufgang öffnete eine kleine rothaarige Magd die Tür zu Ordulfs Gefängnis.
„Weißt du, wie es ausgegangen ist?“, bestürmte er sie sogleich.
Das Mädchen grinste frech. Das Grinsen kannte er irgendwoher. Wo nur hatte er sie schon gesehen? Doch das war jetzt zweitrangig.
„Wie ist was ausgegangen?“, fragte sie zurück.
„Ach, komm schon, du dummes Ding. Der Holmgang natürlich! Wer hat überlebt? Hoger oder der Britannier?“
„Ich glaube beide“, antwortete sie nach kurzem Nachdenken und grinste schon wieder.
„Es geht um mein Leben du, du …“ Ihm fehlten die Worte.
Sie setzte eine strenge Miene auf. „Komm jetzt mit zu Horsa, dann wirst du alles erfahren, du Raufbold.“
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und gab die Tür frei. Erstaunt, doch bereits ziemlich erleichtert, folgte Ordulf ihr. Wenn man nur eine Magd schickte, um ihn zu holen, dann gab es offenbar keinen Grund mehr seine Flucht zu befürchten, oder? Warme Dankbarkeit zu dem Mädchen wallte in ihm auf, obwohl sie ja gar nichts zu seiner Rettung beigetragen hatte.
Als sie kurz darauf in die Morgensonne hinaustraten, warteten Horsa und mehrere Krieger bereits unter der alten Linde im Zentrum der kleinen Siedlung. Beim Nähertreten entdeckte Ordulf den riesigen roten Schnurrbart des Britanniers. Uuoden hatte also seine Unschuld bestätigt!
Gleich daneben standen sein Bruder Swæn und Horsa. Vor Horsa auf dem Boden lag … Ordulf sah genauer hin. Es handelte sich zwar um einen Toten, aber etwas stimmte nicht. Das war gar nicht Hoger. Es war einer der jungen Ebbingemannen, die versucht hatten, ihn zu ersäufen. Der einzige außer Hoger, der das bisher nicht mit seinem Blut bezahlt hatte. In der Ecke stand der einäugige Halvor.
„Die Götter haben entschieden“, begann Horsa. „Ceretic, unser nun doppelt geachteter Freund aus Britannien, hat die Wahrheit bewiesen, während Hoger nicht nur ein Lügner, sondern auch ein Feigling ist.“ Horsa blickte ernst zu der Leiche, die zu seinen Füßen lag. „Er hat einen Knecht an seiner statt in den Kampf geschickt und ist selbst geflohen, als der Britannier ihn erschlug. Damit hat er nicht nur unseren Frieden gebrochen, sondern auch den heiligen Holmgang entweiht und Uuoden beleidigt. Vorerst ist er seiner gerechten Strafe entkommen. Vorerst.“ Dann wandte er sich an Ordulf. „Du bist frei, der Britannier hat deine Unschuld bewiesen.“ Schließlich drehte er sich mit finsterer Miene in Halvors Richtung. Das Gesicht des verwundeten Ebbingemannen war bleich wie ein Laken. Ordulf fragte sich, ob aus Angst oder in Folge der Verletzung und des Blutverlustes.
„Was habt ihr getan?“, grollte Horsa. „Ihr habt vorsätzlich meinen Frieden gebrochen und mir eine Lügengeschichte aufgetischt!“
„Der Häuptling Hoger hat es so befohlen“, jammerte der Angesprochene und wand sich ängstlich unter Horsas vernichtendem Blick.
„Lass ihn leben, er hat seine Strafe schon erhalten“, riet da der Britannier.
Swæn stimmte ihm sofort zu: „Es ist heute genug Blut geflossen und wir wollen die Fehde mit den Ebbingemannen nicht unnötig anheizen.“
Horsa sah ihn erstaunt an, dann richtete sich sein Blick auf Ordulf. „Und was sagst du?“
Ordulf zuckte mit den Schultern. „Wenn er es schon mit zwei Gefährten nicht schafft mich zu ersäufen, dann wird er es alleine bestimmt nicht wieder wagen. Nun sieht er ja, wohin das führt“, bemerkte er spöttisch grinsend.
Horsa verzog den Mund zu etwas, von dem Ordulf sich nicht sicher war, ob es ein saures Grinsen oder eine missbilligende Grimasse darstellte. „Du hörst, dass deine Gegner dir das Leben schenken wollen. Dann will ich dir die Möglichkeit zur Bewährung geben – im Kampf gegen die Pikten. Aber ich warne dich. Ich werde ein Auge auf dich haben, also pass gut auf, dass du dich nicht noch einmal an deinen neuen Gefährten vergehst. Beim geringsten Anlass werde ich es mir anders überlegen.“ Er blickte den Ebbingemannen noch einen Augenblick lang fest an. Dann nickte er. „Das Gericht ist beendet.“
Beufleet, Juni 441
Ceretic
Während Horsa sein Urteil fällte, suchten Ceretics Blicke nach Rowena. Strafte sie ihn nun mit aufgesetztem Desinteresse? Oder hatte er am Ende tatsächlich ihre Zuneigung verspielt? Aber nach dem Abend am Fleet – das konnte doch nicht sein! Der bloße Gedanke schmerzte ihn stärker als die Wunde am Fuß. Panik keimte in ihm auf.
Endlich, nach einer schieren Ewigkeit, beendete Horsa das Gericht. Ceretic ließ die dankbaren Brüder stehen und lief los, um Rowena zu suchen. Da tauchte Gutha zwischen den Gebäuden des Hofes auf. „Gutha“, rief er, der Verzweiflung nahe. Die rothaarige Magd drehte sich um und lief auf ihn zu.
„Komm sofort mit. Vielleicht lässt sich ja doch noch einrenken, was du kaputt gemacht hast!“, fauchte sie und zog ihn am Ärmel mit sich fort. Ceretic wusste nicht, wie ihm geschah, doch die resolute Magd zerrte ihn zielstrebig auf eine der einfachen Katen zu. „Da siehst du, dass ich recht habe“, rief sie triumphierend, als sie die Tür aufriss und Ceretic hineinschubste. Drinnen saß Rowena mit rot geweinten Augen auf einem Schemel. Als sie zu ihm aufblickte, zeichnete sich zuerst ungläubiges Staunen und dann das strahlendste Lächeln, welches Ceretic je erblickt hatte, auf ihren Zügen ab.
„Du lebst tatsächlich“, jauchzte sie und warf sich an seinen Hals.
Beufleet, Juni 441
Ordulf
Frei! Der Albtraum war vorüber. Ordulf fühlte sich wie neu geboren. Er fiel Swæn in die Arme. Jener berichtete all das, was sich in den letzten zwei Tagen zugetragen und was er selbst bisher über den Verlauf des Holmgangs in Erfahrung gebracht hatte. „Doch wo ist der Held, wo ist Ceretic?“, endete er.
Beide schauten sich suchend um. Ordulf griff nach dem kleinen Bronzekreuz, welches er nun selbst um den Hals trug. „Er lief hinter der kleinen rothaarigen Magd her, das habe ich noch gesehen“, bemerkte er. Beide Brüder machten sich auf die Suche und bald entdeckten sie die junge rothaarige Magd hinter einer Scheune.
„Hallo du“, sprach Ordulf sie an. „Weißt du, wo der Britannier, mein Retter, ist? Er ist dir doch gerade hinterhergelaufen?“
Das Mädchen wurde rot. „Dein Retter steht vor dir“, behauptete sie.
Ordulf verstand nicht richtig. „Ja, ja, du hast mich heute Morgen aus der Kammer gelassen, aber das hatte ja wohl keine Bedeutung. Wenn Ceretic nicht beobachtet hätte, wie die Ebbingemannen mir auflauerten, befände ich mich nun am Grunde des Moores! Also, wo ist er, du kleiner Naseweis?“
Das Mädchen schürzte beleidigt die Lippen und Ordulf fiel bei diesem Anblick wieder ein, wo er sie zuerst gesehen hatte. Sie war es gewesen, die ihn an ihrem Ankunftstage draußen auf der Weide geneckt hatte. Das Mädchen mit dem blauen Blumenkranz. Doch im selben Augenblick öffnete sich eine Tür der kleineren Hütten und Ceretic erschien. Beim Anblick der Brüder seufzte er enttäuscht, aber sogleich strafften sich seine Züge wieder.
„Ich gratuliere dir zu deiner Freiheit“, sprach er Ordulf freundlich an.
„Und ich danke dir von ganzem Herzen! Du allein hast mich gerettet!“
Hier schnaufte das Mädchen schon wieder verärgert, aber Ordulf beachtete sie nicht weiter. Wer konnte schon erraten, warum Mädchen sich manchmal so aufführten? Ceretic trat vollends vor die Hütte und verschloss sorgfältig die Türe hinter sich.
„Lass uns sehen, ob wir irgendwo etwas zu trinken finden“, schlug er vor. „Ich könnte nach der ganzen Aufregung eine Stärkung gebrauchen.“ Dabei zog er den verdutzten Ordulf am Ellenbogen in Richtung des Langhauses. Swæn beeilte sich, auf die andere Seite des Helden zu kommen und so zogen die drei ab und ließen