Название | Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang |
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Автор произведения | Johann Gottfried Herder |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066398903 |
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Es macht allemal einen sonderbaren Eindruck auf mich, wenn ich einen großen Gelehrten oder sonst einen wichtigen und gesetzten Mann sehe, dabei zu denken, daß doch einmal eine Zeit war, da er den Maikäfern ein Liedchen sang um sie zum Auffliegen zu ermuntern.
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Meine Fragen über die Physik könnten vielleicht den Titul bekommen: Vermächtnisse. Man vermacht ja auch Kleinigkeiten.
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Subjektivität. Wie viel anders sieht nicht schon der Alte die Welt an, als der Jüngling» Wahrlich eine Harmonika ist kaum mehr von einer Maultrommel unterschieden, als ein schönes Mädchen in den Augen eines gefühlvollen Jünglings, und denen eines dünnhaarigen zahnlosen Greises.
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Ohne mündliche Inspektion, wie jenes Mädchen sagte, läßt sich hiervon nicht urteilen.
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Eine verfängliche Frage fast wie die: ob Zwillinge Stiefgeschwister sein können.
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Freilich wenn man die Jugend in das ungewisse Alter verlegen will, so (muß) man ganz gewiß etwas von dem Alter in die Jugend verlegen.
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Berg-Rat; Tal-Rat könnte man einen Aufseher über die Brunnen nennen.
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Aus dem Zittern, wenn man schwach wird, sollte man fast glauben, (daß) die Wirkung unsres Willens auf unsern Körper stoßweis geschähe, und die Stetigkeit in den Bewegungen sich zum Zittern verhalte, wie das Polygon zum Kreis oder der krummen Linie (ich verstehe mich). Man kann in jedem Alter glaube ich witzig sein, nur geht es damit nicht mehr in einem so steten Strom wie in der Jugend, man zittert auch da, sammelt man die Bemerkungen und nimmt die Zwischen-Räume weg, so kann der Leser die Abnahme der Kräfte nicht bemerken. Ich mag tun was ich will, so kann ich es ohne Zwischen-Räume nicht. Ich zittere überall. Zittern ist Anstrengung mit Ausruhen mit schnellen Abwechselungen verbunden.
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Als er am Kirchhofe vorbei ging, sagte er: Die da können nun sicher sein, daß sie nicht mehr gehenkt werden, das können wir nicht.
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Vor einigen Tagen las ich wieder, daß ein Prediger im Lüttichischen, wo ich nicht irre, der 125 Jahre alt gestorben ist, von dem Bischofe sei gefragt worden, wie er es angefangen habe so alt zu werden. Ich habe mich, sagte er, des Weins, der Weiber und des Zorns enthalten. Hier ist, wie mich dünkt, nur die große Frage: wurde der Mann so alt, weil er sich jener Gifte enthielt, oder weil (er) ein Temperament besaß, das es ihm möglich machte sich jener Gifte zu enthalten? Ich glaube es ist unmöglich nicht für das letzte zu stimmen. Daß sich mit jenen Giften jemand das Leben verkürzen kann, und zwar sehr stark, ist kein Beweis, daß man sich das Leben dadurch verlängert, daß man sich ihrem Gebrauch entzieht. Wer das Temperament nicht hat, würde, wenn er sich des andern Geschlechts enthielte, gewiß sein Leben damit nicht verlängern. Eben so ist es mit der Sage, daß die wahren Christen immer rechtschaffene Leute sind. Es hat lange rechtschaffene Menschen gegeben, ehe Christen waren, und gibt gottlob! auch da noch welche, wo keine Christen sind. Es wäre also gar wohl möglich, daß die Leute gute Christen sind, weil das wahre Christentum das heischt, was sie auch ohne dasselbe würden geworden sein. Sokrates wäre gewiß ein sehr guter Christ geworden.
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Wir haben nunmehr 4 Prinzipien der Moral:
1) ein philosophisches: Tue das Gute um sein selbst willen, aus Achtung fürs Gesetz;
2) ein religiöses: Tue es darum, weil es Gottes Wille ist, aus Liebe zu Gott;
3) ein menschliches: Tue es weil es deine Glückseligkeit befördert, aus Selbstliebe;
4) ein politisches: Tue es, weil es die Wohlfahrt der großen Gesellschaft befördert, von der du ein Teil bist, aus Liebe zur Gesellschaft, mit Rücksicht auf dich. (Dieses alles nicht πμ Reichs-Anzeiger. № 133.1797. (Düvel)). Sollte dieses nicht alles dasselbe Prinzip sein, nur von andern Seiten angesehn? Ein Ausdruck desselben kann dasselbe besser für gewisse Klassen von Menschen repräsentieren. Ich sehe nicht ein, warum man nicht gewissen Menschen-Klassen dieselbe Sache unter einem andern Bilde verständlich machen sollte, wenn er nur bei wachsender Erkenntnis ein besseres findet, oder eines, das seinem Steigen angemessen ist. Ja es ist mir sogar ein Fall gedenkbar, da der menschliche Geist sich noch ruhig findet, und ruhig ansehen kann, daß alles nichts ist, wenn er nur durch diese Stufen der höchsten Anstrengung zu dieser Kenntnis gelangt ist. Schwache zum Nachdenken nicht aufgelegte Menschen, die solche Kenntnisse auf Treu und Glauben antizipierten, wären verloren, und daher rührt vieles Unheil in der Welt.
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Wer willens ist seine Kinder zu Huren und Spitzbuben zu erziehen, und so etwas kann zuweilen nützlich sein (besser), der muß hauptsächlich Sorge tragen sie mit den Anfangsgründen bekannt zu machen ehe die Kinder erfahren, daß es Laster sind.
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Die Dintenflecke flogen in seiner ganzen Stube herum, ohne sich je wegzubegeben, wenn sie sich einmal niedergelassen hatten.
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Am 24. Julii 1797. gegen halb drei Uhr des Nachmittags wurde mir mein siebentes Kind, ein Knabe, sehr glücklich geboren. Ich war sehr bewegt. An demselben Tage erhielt ich einen Brief von meinem Bruder datiert: Gotha den 20. Julii, worin er mir von dem kleinen Knaben den er von dem Tischler Paul adoptiert hat, obgleich der Vater noch lebt, sagt daß es eines der schönsten Kinder sei, die er je gesehen habe, und er fände es, wie manche Römer, angenehmer anderer Leute Kinder zu erziehen, als sich die Mühe zu nehmen selbst welche zu machen. – Hier will ich ihn beim Wort halten. Ich will ihm Kinder genug zu erziehn geben, die er nicht gemacht hat, und gegen die er mehr Verbindlichkeiten hat, als gegen die von dem Tischler Paul, Meine eigenen, die Ich, sein Bruder, selbst gemacht habe. Meines Bruders Brief enthielt einige vortreffliche Erinnerungen an unsres unvergeßlichen Vaters Sterbe-Tag, wegen des Datums. Mein Brief an ihn, worauf der seinige die Antwort war, war den 17ten Julii, den Sterbe-Tag meines Vaters, datiert, (er starb den 17. Julii 1751.) Mein lieber Bruder wird sich meiner armen Kinder gewiß annehmen, wenn es ihm gehörig vorgestellt, und er zugleich an unsere Mutter erinnert wird.
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An eben diesem Tage ersoff der Branntweinschenke Conradi, in Brunnenwasser. Das Wasser, das seine vermaledeite Industrie gänzlich vom Schenktisch der Musen-Söhne zu verdrängen rastlos bemüht war, hat sich an ihm gerochen.
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Endlich wurde er in einer Schulhöhle den (wilden) Terzianern vorgeworfen, und, wie man sagt, von ihnen aufgefressen.
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Jemanden mit einem Tränen-Fläschchen zu vergleichen.
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Es wäre wohl der Mühe wert ein Leben doppelt oder dreifach zu beschreiben, einmal wie ein allzu warmer Freund, dann wie es ein Feind, und dann wie es die Wahrheit selbst schreiben würde.
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Wollen Sie nicht Ihren wertesten Hut niederlegen? (πμ)
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Man fängt seine Testamente gewöhnlich damit an, daß man seine Seele Gott empfiehlt. Ich unterlasse dieses mit Fleiß, weil ich glaube, daß solche Rekommendationen wenig fruchten, wenn sie nicht durch das ganze Leben vorausgegangen sind, solche Rekommendationen sind Galgenbekehrungen; eben so leicht als unwirksam.
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Ich habe oft stundenlang allerlei Phantasien nachgehängt, in Zeiten, wo man mich für sehr beschäftigt hielt. Ich fühlte das Nachteilige davon in Rücksicht auf Zeitverlust, aber ohne diese Phantasien-Kur,