Название | Die letzte gute Tat |
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Автор произведения | Ralf Peter Paul |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991078951 |
Behrens war fassungslos. Das hätte er von den Spaniern nie gedacht. Nun war er entschlossen, dieser hilflosen Frau zur Seite zu stehen und machte ihr ein Angebot.
„Wenn Sie mir Ihr Vertrauen schenken, dann fahre ich dorthin und versuche mein Bestes. Nur wenn es unterwegs irgendein Problem gibt, mein Spanisch ist nicht besonders …“, gab Behrens zu bedenken.
Manouch beugte sich in ihrem Rollstuhl weit nach vorne, als wollte sie Behrens etwas ins Ohr flüstern.
„Würdest du das wirklich für mich tun? Natürlich habe ich Vertrauen zu dir, außerdem bist du der Neffe deines Onkels. Du sollst auch nicht alleine reisen. Ich hatte schon vor einigen Tagen mit Lucias Sohn Fabio gesprochen, er würde gerne einmal nach Südspanien fahren und dich sicher begleiten. Gleich morgen kann ich mit ihm darüber reden. Selbstverständlich übernehme ich alle Kosten und eine Belohnung gibt es obendrauf.“
Beide Gesichter strahlten, als hätten sie den Hauptgewinn in der „Sorteo de Navidad“, der spanischen Weihnachtslotterie, geholt.
„Max, jetzt möchte ich noch etwas wissen: Warum hat dich dein Onkel als Flo vorgestellt?“
Diese Frage machte Behrens verlegen. Er musste sie schon einige Male beantworten, denn auch sein Vater rief ihn gelegentlich so. Natürlich wollte er gegenüber Manouch nicht unhöflich sein und offenbarte sich.
„Ich heiße eigentlich Florian, aber schon in der Schule haben sie mich wegen meiner geringen Größe Flo, nach dem Tier mit ‚h‘, genannt. Das wollte ich nicht mehr und deshalb sage ich allen Menschen, die ich kennenlerne, mein Name sei Max.“
„Und warum gerade Max?“, fragte Manouch weiter.
„Max ist kurz und gut zu merken. Außerdem gab es einmal einen Filmhelden, der gegen richtig böse Menschen kämpfen musste, nachdem diese seine Familie ermordet hatten. Er hat sie gerächt und alle getötet“, erzählte Behrens mit leuchtenden Augen.
„Jetzt bist du mein Held und rächst mich. Das werde ich dir nie vergessen. Lass uns darauf trinken und bitte sag nicht mehr ‚Sie‘ zu mir, wir sind doch jetzt enge Verbündete!“, bot Manouch Behrens an und reichte ihm die Hand.
Sie saßen noch bis weit nach Mitternacht zusammen, schmiedeten Pläne und verwarfen diese im nächsten Moment wieder. Sie mussten feststellen, dass der Alkohol keinen klaren Gedanken mehr zuließ und verabredeten sich für den nächsten Abend. Bis dahin würde Behrens auch mit seinem Onkel gesprochen haben und Manouch mit Lucia und Fabio.
Das Versprechen
Donnerstag, 14. November 2019
Das Klingeln des Handys holte Behrens aus seinen Gedanken; es war seine Mutter.
„Florian, ich warte schon die ganze Zeit auf deinen Anruf. Was hat die Polizei gesagt?“
„Thea ist nicht einfach vermisst. Die haben Thea entführt und verlangen 10.000 Euro Lösegeld“, stotterte Behrens.
„Mein Junge, du bist ja ganz aufgelöst. Und wer sind überhaupt ‚Die‘? Was wird die Polizei jetzt unternehmen?“
„Ich habe bei der Polizei nur die Vermisstenanzeige aufgegeben und als ich nach Hause kam, lag ein Brief im Kasten. Das Geld habe ich schon von der Bank abgehoben. Später rief mich ein Mann an und gab mir Anweisungen“, erklärte Behrens.
„Was für ein Mann und welche Anweisungen? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen! Willst du wirklich keine Polizei einschalten?“
Behrens’ Mutter wurde ungeduldig und bedrängte ihren Sohn mit weiteren Fragen.
„10.000 Euro scheint mir für eine Entführung zu wenig. Das ist sicher nur die erste Rate. Sie werden weiteres Geld von dir verlangen. Konntest du die Stimme erkennen?“
„Die Stimme war mir fremd, aber der Anrufer schien mich zu kennen. Er sprach mich mit ‚Max‘ an und wusste von meinem Hang zur Pünktlichkeit. Am Ende des Gesprächs sagte er etwas ganz Seltsames: Ich soll so cool sein wie einst bei Manouch.“
„Manouch, das ist doch schon Jahre her. Wie kann er etwas davon wissen? Du hast doch mit niemandem darüber gesprochen, oder?“, erkundigte sie sich.
Er beantwortete die Frage nicht, sondern sagte seiner Mutter, dass er sich jetzt fertig machen müsse, um pünktlich an der Bushaltestelle zu sein. Er versprach ihr, sie später anzurufen.
Dabei beschlich ihn ein schlechtes Gewissen, denn er hatte das Versprechen gebrochen, niemals mit einem Menschen über die Geschehnisse in Calpe und Manouch zu sprechen.
Am Vorabend des Geburtstages von Thea sah er sich genötigt, ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Es war ihm wichtig, seine zukünftige Frau hinsichtlich seiner Vergangenheit nicht im Unklaren zu lassen. Erst danach konnte sie wirklich entscheiden, ob sie seine Frau werden mochte.
Und nun kannte dieser Joe zumindest den Namen Manouch.
Behrens konnte nicht verhindern, zu mutmaßen, was der Entführer seiner Thea angetan haben musste, um an diese Informationen zu gelangen. Er wehrte sich dagegen, diesen Gedankengang weiterzuverfolgen.
„Es wird einen erklärbaren Grund dafür geben. Vielleicht hat Thea nur eine Begebenheit aus meinem Aufenthalt in Spanien erwähnt“, versuchte sich Behrens einzureden.
Die Mission
Calpe, Oktober 2013
Am nächsten Morgen sprach Behrens mit seinem Onkel über das gestrige Treffen mit Manouch und sein Vorhaben, nach Estepona zu fahren.
„Irgendwer muss doch dieser alten Dame helfen. Hast du eigentlich von dem Diebstahl gewusst?“, wollte Behrens von seinem Onkel wissen.
„Ich und halb Calpe haben es gewusst.“
„Und niemand war bereit, ihr zu helfen, auch du nicht? Was sind das nur für Freunde?“, empörte sich Behrens.
Nando nahm den offenen Vorwurf seines Neffen wahr und fühlte sich ungerecht behandelt.
„Wenn du das machen willst, dann mach es, doch verurteile niemals einen Menschen, wenn du nicht alle Details kennst! Dir steht es nicht zu, mich zu beurteilen. Ich bin Manouch nichts mehr schuldig!“
Sein Onkel hatte recht. Behrens merkte, dass er zu weit gegangen war. Doch bevor er sich entschuldigen konnte, hatte sich Nando von ihm abgewandt und das Haus verlassen. Behrens ließ sich das kurze Gespräch wieder und wieder durch den Kopf gehen, ohne die wahren Hintergründe für die gereizte Reaktion seines Onkels zu erkennen.
Es brauchte den ganzen Vormittag, bis er sich darüber klar wurde, dass es zur Wiederherstellung eines harmonischen Miteinanders eine zeitnahe Aussprache zwischen ihnen beiden geben musste. Womöglich würde er dann auch mehr über die Beziehung seines Onkels zu Manouch erfahren. Vielleicht sollte er sie zuerst dazu befragen, schließlich würde er sie heute noch sehen.
Da sie keine konkrete Uhrzeit ausgemacht hatten, konnte sich Behrens noch etwas von dem gestrigen Abend erholen und machte es sich auf dem Sofa bequem. Bei Beginn der Dämmerung verließ er das Haus und wenige Minuten später stand er vor Manouchs Tür. Lucia öffnete ihm wie gewohnt und ließ ihn herein. Er ging gleich zum Wohnzimmer durch, wo die Schweizer Lady bereits auf ihn wartete.
„Ich habe dich eigentlich schon etwas früher erwartet, aber vielleicht war die Cola im Rum nicht mehr gut“, zog Manouch ihren Gast auf.
Behrens ließ die kleine Neckerei über sich ergehen und lächelte sie an, bevor er zum Thema kam.