Название | Sein Horizont |
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Автор произведения | Con Riley |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960895015 |
Vielleicht hatte er die letzten geschäftlichen Updates seiner Schwester falsch gelesen, dachte Jude, als er sich an einem neuen, flauschigen Handtuch abtrocknete. Er bemerkte ein dezentes, auf den Saum gesticktes Anker-Emblem, das sich auch in der Mitte jeder neuen Wandfliese befand. Es sah stilvoll aus, das musste er zugeben, und nicht wie das heimelige Sammelsurium, das er in Erinnerung hatte. Die Geschäfte mussten besser laufen, wenn der Pub einen Koch und teure Upgrades wie diese Badumgestaltung bezahlen konnte.
Louise ging wieder auf dem Flur vorbei. Er öffnete die Tür, ein Handtuch um die Hüfte, und gestikulierte über die Schulter. »Warum hast du neue Badezimmerfliesen verlegt?«
»Lass uns morgen reden. Heute, meine ich.« Louise gähnte. »Ich gehe ins Bett. Mal sehen, ob ich vor dem Frühstück nicht noch ein paar Stunden Schlaf bekomme.« Sie unterdrückte ein weiteres Gähnen. »Wenn du sicher bist, dass du jetzt nichts essen willst, meine ich. Ich könnte dir etwas machen?«
»Nein. Nein, danke.« Judes Magen war wie verknotet, diese Heimkehr war schon anstrengend genug, ohne dass er erfuhr, dass seine Schwester sich an jemanden gewandt hatte, den er so sehr versucht hatte, aus seinem Kopf zu verdrängen. »Ich werde auch schlafen.« Er ging zurück ins Bad, um sich anzuziehen, die Boxershorts, die er anzog, klebten an seiner noch feuchten Haut, seine Beine waren im Vergleich zu der weißen Baumwolle tief karamellfarben gebräunt. Er kam heraus, rieb sich noch immer durch sein nasses Haar, während er den Flur zu seinem Schlafzimmer durchquerte und den schweren, schwarzen Türriegel anhob, gerade als Louise nach ihm rief.
»Nein, warte!«
Die Tür schwang auf und führte in ein Zimmer, das nichts mit dem zu tun hatte, in dem er seine ganze Kindheit verbracht hatte.
»Jude …«
Statt des Doppelbetts und des Schreibtischs, an die er sich erinnerte, war ein großzügiges Kingsize-Bett mit weißer Bettwäsche bedeckt. Seine Poster und die Pinnwand waren ebenfalls verschwunden, auch keine Spur von seinen College-Lehrbüchern. Stattdessen waren am Fußende des Bettes weitere dicke Handtücher zusammen mit einer Speisekarte gefaltet. Auch sie wies das Ankermotiv auf, das ihm zuerst im Duschraum aufgefallen war.
Jude trat auf Beinen, die sich wieder wie Gummi anfühlten, in diese alternative Realität. »Was ist das?« Er schnappte sich die Speisekarte und scannte sie von oben bis unten. »Kommen Sie und erleben Sie feines Essen mit freundlicher Genehmigung von ›Großbritanniens bestem neuen Koch‹, Rob Martin, während Sie im New Anchor wohnen«, las er. »New Anchor? Was ist daran neu, Lou? Und was soll das alles mit dem ›feinen Essen‹?« Er drehte sich rechtzeitig um, um zu sehen, dass Louise zusammenzuckte, also sprach er leiser, mit tiefer, eindringlicher Stimme. »Wir machen Pubessen, Lou. Pubessen, kein feines Essen mit freundlicher Genehmigung von Rob fucking Martin.« Jude wischte sich die Wassertropfen aus den Augen. »Weißt du, in den ersten paar Monaten, in denen ich weg war, hörte es sich so an, als würdest du dir jedes Mal, wenn wir miteinander sprachen, leise Sorgen ums Geld machen. Aber die Sommersaison ist fast da, und das ist unsere einzige Chance, richtig Geld zu verdienen. Das weißt du genauso gut wie ich. Deshalb bin ich zurückgekommen …« Er schaffte es gerade noch, die Worte wobei ich hätte suchen sollen zurückzuhalten, aber diese Schuld klammerte sich immer noch an ihn und erdrosselte ihn fast, als er fortfuhr. »Stell dir also meine Verwirrung vor, als ich feststelle, dass der halbe Pub umgestaltet wurde und dass du für einen Feinschmeckerkoch bezahlst, den wir nicht brauchen.« Vielleicht war es die Müdigkeit, die seine Kontrolle entgleiten ließ. »Verdammt noch mal, wenn du Geld für all das hast, warum brauchst du mich dann noch? Ich hätte …«
»Du hättest was?«, fuhr ihn Louise an. »Du hättest Tausende von Kilometern von zu Hause entfernt bleiben können, um deine Zeit mit einer sinnlosen Suche zu verschwenden.« Sie schlug sich eine Hand vor den Mund, die Stimme war gedämpft. »So habe ich das nicht gemeint.«
Jude durchquerte den Raum und zog sie in eine Umarmung, gegen die sie sich kaum wehrte. »Ich auch nicht. Scheiße. Es tut mir leid. Es ist nur … dieser Ort ist nicht so, wie ich ihn in Erinnerung habe, das ist alles.« Sogar die Meereslandschaft an der Wand über ihrer Schulter sah neu aus, wilde Spritzer von Ölfarbe, die irgendwie den inneren Sturm widerspiegelten, den er bei der Vorstellung der letzten Momente seiner Eltern empfand. Wie der Künstler mit so wenigen Pinselstrichen einen Sturm herbeigezaubert hatte, war beeindruckend, und wahrscheinlich so teuer, wie es sein musste, einen Koch wie Rob zu engagieren. »Warum hast du ihn eingestellt?«
Louises Rücken versteifte sich unter seinen Händen. »Ich habe ihn nicht gerade eingestellt, aber ich musste etwas tun.« Sie schluckte hörbar. »Wenn es hier ein Geschäft geben sollte, wenn du fertig bist mit der Suche nach … Nun, ich musste etwas tun; einige große Änderungen am Geschäft vornehmen. Ich musste es.«
Jude sagte: »Okay, okay«, obwohl ihre Antwort weit von der Realität dieses Geschäfts, wie er es kannte, entfernt war. In dem Moment, in dem die Sommertouristen für ihr fettiges Frühstück ankamen, bevor sie den Rest des Tages am Strand verbrachten, wäre das Lokal wie immer pleite gewesen. Jude küsste ihre Schläfe und nahm dann ihr kleines Kinn in seine Hand, ihre Haut war papierweiß gegen seine. »Lass uns schlafen gehen. Wir reden in ein paar Stunden weiter. Obwohl …« Er versuchte, sie zu necken, wie sie es früher getan hatten. »Ich bin mir nicht sicher, wie ich es verkraften werde, in diesem Maß an Luxus zu schlafen. Ich bin eher an winzige Mannschaftsquartiere gewöhnt, oder daran, an Deck zu schlafen. Solche Betten heben wir für Kunden auf.« Schon damals waren die Kabinen nicht so geräumig gewesen, die Aphrodite lag am kleineren Ende des Luxus-Segelchartermarktes.
»Nun, du schläfst auch nicht in dieser Kabine. Nicht, wenn ich in der Hoffnung lebe, dass ich bald ein paar zahlende Gäste bekomme.« Louise ergriff seine Hand, vielleicht immer noch in der Befürchtung, dass er verschwinden könnte. Sie führte ihn den Korridor entlang. »Ich habe alle Zimmer getauscht, damit ich möglichst viel Geld dafür verlangen kann. Du kannst die ausziehbare Matratze unter meinem Bett haben, bis wir geklärt haben, wo du von nun an schlafen wirst.« Ihr nächstes Gähnen war gewaltig. Jude zog die Ausziehmatratze heraus, während sie etwas Bettzeug suchte. »Ich bin todmüde. Wehe, du schnarchst noch.«
»Das warst immer du, nicht ich.« Es war so einfach, in das kindliche Gezänk zu verfallen, das er über die Jahre auf Segeltörns perfektioniert hatte, um Louise von ihrer Seekrankheit abzulenken.
Er legte sich hin. Louise blinzelte ihn eulenhaft an. »Ich bin froh, dass du zu Hause bist, Jude.«
»Ich auch. Obwohl es mir leidtut, deine Sommerpläne zu verderben mit deiner neuen Liebe«, er machte Anführungszeichen, »dem berühmten Feinschmeckerkoch Rob Martin.«
»Halt die Klappe«, sagte sie und lachte. »Du bist nur eifersüchtig, weil er den Wettbewerb gewonnen hat.« Dann fügte sie leiser hinzu: »Rob sagte, das hättest du, wenn du geblieben wärst. Gewonnen, meine ich. Außerdem ist er nicht meine neue Liebe.«
»Nein?«, fragte Jude. Er hielt den Atem an, nicht sicher, wie er ein Gespräch fortsetzen sollte, das einen Teil seines Lebens enthüllen könnte, den er von zu Hause ferngehalten hatte. »Bist du sicher?«, bohrte Jude nach. Er dachte an die Art, wie Rob sich im Bett umgedreht hatte, als sei er es gewohnt, den Platz mit seiner Schwester zu teilen. Rob könnte immerhin bi sein; die Gesellschaftsseiten der Sonntagszeitungen hatten ihn mit vielen Frauen abgelichtet. »Aber du magst ihn doch?«
»Natürlich.« Louises Arm baumelte von der Bettkante und stupste ihn an, als wolle sie überprüfen, ob er wirklich da war. »Aber nicht auf diese Weise. Ich bin nicht sein Typ.«
»Nein?«