Die Bewohner von Plédos. Richard Oliver Skulai

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Название Die Bewohner von Plédos
Автор произведения Richard Oliver Skulai
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991312833



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von Pessian holen?“, fragte Traula. „Wie wollt ihr das denn bewerkstelligen?“

      „Wir werden versuchen, ihn über den Turm von Gorkan zu erreichen“, sagte Kuno Weißhaar.

      „Über den Turm von Gorkan? Aber der ist doch eine Legende! Und falls er früher einmal existiert haben sollte, so ist er vor Jahrtausenden zerstört worden.“

      „Das ist er nicht. Die Bewohner von Gorkan haben ihn damals nur mit einer Chamäleonfarbe bestrichen. Weiß der Teufel, wie sie in den Besitz einer solchen Farbe gekommen sind! Aber der Turm existiert noch. Und wir werden ihn finden.“

      „Und das wäre wieder eine Wissensfrage, in der wir euch Kyruppen voraus sind. Wir sind eben doch die Schlausten!“

      „Sei du doch ruhig!“, zwitscherte Gran.

      Äffchen schnitt eine Grimasse zurück.

      „Wir würden selbst diese Aufgabe für euch erledigen“, sagte Traula. „Leider aber liegt Gorkan in Íoland, das von Menschen bevölkert ist. Und Kyruppen werden von Menschen nicht gerade willkommen geheißen. Darum müsst ihr es für uns tun. Aber versprecht uns, zu uns zurückzukehren, wenn ihr die Kristalle gefunden habt. Ihr müsst es wohl tun, denn wir sind die Einzigen, die eine Linse besitzen, die von verschiedenen Seiten kommende Sonnenstrahlen vereinigen kann.“

      „Die Schwierigkeit besteht hauptsächlich darin, dass es beinahe unmöglich ist, dass Sonnenstrahlen gleichzeitig von verschiedenen Seiten durch alle sieben Kristalle fallen“, sagte Kuno Weißhaar.

      Aber Äffchen legte den Zeigefinger an den Mund und machte ein leises „Pssst“. Es ahnte nämlich, dass die Kyruppen sie nicht würden gehen lassen, wenn sie ihnen die Hoffnung auf das Lebenselixier nahmen.

      Am Nachmittag nahmen die Kyruppenköniginnen Idan und seine Gefährten auf einen Streifzug durch die Stadt mit. Sie wurden von einer Eskorte gewöhnlicher Kyruppen, die als Diener fungierten, begleitet.

      Alle Kyruppen, die den Goldenen Drei auf der Straße begegneten, grüßten sie mit einem hohen, sirrenden, ehrfürchtig klingenden Gesang und tanzten einige Male um sie herum. Auch die kleinen Kyrüppchen, kaum dem Säuglingsalter entwachsen, denen man kaum zutraute, reden zu können, vollführten mit heller Stimme flötend unbeholfene Tänze um die Goldenen Drei. Idan bemerkte, dass viele Kyruppen sich auf einem merkwürdigen Rollbrett fortbewegten, auf dem sie mit ihrem mittleren Bein standen, während sie sich mit den seitlichen Beinen abstießen. Sie erreichten hierbei hohe Geschwindigkeiten. Auch die Vorüberrasenden verlangsamten ihre Fahrt und huldigten den Königinnen. Übrigens waren alle Kyruppen bis auf die Goldenen Drei blass silbern bis bläulich und allenfalls bräunlich gefärbt. Keine von ihnen erreichte das Gold der Königinnen. Und alle waren von großer Ehrfurcht erfüllt, als die Eskorte vorüberschritt.

      „Was machen sie da?“, fragte der kleine Idan.

      „Sie erweisen uns die gebührende Ehre“, erwiderte Traula.

      „Gebührende Ehre – warum?“

      „Weil wir hier die Königinnen sind. In anderen Ländern gibt es einzelne Könige. Das halten wir für Unsinn! Königtum lässt sich nur in verschiedenen Personen praktizieren, nicht in einer einzigen.“

      „Ich frage mich aber, ob es überhaupt nötig ist, einen König oder mehrere Könige oder Königinnen zu haben“, versetzte Idan.

      „Wie meinst du das?“, fragte Goa ein wenig barsch.

      „Ich meine das so: Könige regieren zwar, aber am Ende müssen sich ja auch die Könige nach einem Gesetz richten, das die Mehrheit des Volkes sich ausgedacht hat. Und ob dieses Gesetz richtig ist, das ist die Frage! Nehmen wir doch zum Beispiel den Schlangenmenschenkönig Schlankerli. Der wollte uns töten lassen. Und das begründete er so: „Diese drei Sslawiner müssen hingerisstet werden! Ssappelqualen sind vorgesehen für sie! Den jungen Burssen hätte iss ssonen lassen, aber das Gesetss sieht es nisst vor! Ssöne Sseiße! Sseiß Gesetss!“ Dabei wusste der kleine Idan die Lispelstimmen der Schlangenmenschen so trefflich nachzuahmen, dass den Kyruppen vor Lachen die Tränen in die Augen traten.

      „Wer soviel Witz hat wie ihr, dem sind wir auch etwas schuldig“, sagte Traula später. „Ihr dürft euch einige Linsen nehmen, mit deren Hilfe ihr in der Lage sein werdet, zu beurteilen, wer euch böse oder gut gesonnen ist. Aber die eine große Linse, die die Lichtstrahlen der sieben Kristalle bündeln und vereinigen kann, wird euch noch vorenthalten bleiben. Die werdet ihr dann erhalten, wenn ihr die sieben Kristalle gefunden habt und hierher zurückkehrt!“

      Äffchen schwieg und Kuno Weißhaar nickte den Goldenen Drei dankbar zu, denn er wollte die Kyruppen im Hinblick auf ihr großzügiges Angebot nicht verstimmen. Aber der kleine Idan war noch immer nicht zufrieden.

      „Ihr habt noch nicht die Frage beantwortet, warum Königinnen und Könige notwendig sind“, sagte er.

      „Sie sind notwendig, weil die Geschöpfe unvollkommen sind und jemanden brauchen, zu dem sie aufblicken können“, erwiderte Gran. „Geschöpfe können eben alles nur in gebrochenem Zustand wahrnehmen, haben daher über alles eine unterschiedliche Meinung und brauchen daher jemanden, zu dem sie aufblicken können und der für sie Einheit und Gesetz repräsentiert.“

      „Würde es aber nicht genügen, wenn sie alle zu Gott aufblicken würden?“, fragte Idan.

      Traula stieß ein sirrendes Lachen aus. „Gott? Gott ist ein wenig zu groß für sie! Sie können ihn nicht hören, sie können ihn nicht begreifen! Darum müssen Klügere, als sie es sind, an seiner Stelle den göttlichen Willen verkünden.“

      „Aber woher wissen die Geschöpfe denn, ob diese Leute wirklich so viel klüger sind als sie?“

      „Das ist eine Frage der Wissenschaft“, antwortete Goa. „Man kann eben nachprüfen, was ein Klügerer sagt. Wenn es richtig ist, vertraut man ihm.“

      „Aber es könnte auch etwas sein, was alle anderen glauben zu kennen“, versetzte der kleine Idan. „Und es könnte sein, dass diese angeblich Klügeren nur deshalb gewählt und anerkannt werden, weil sie genau das sagen, was die anderen hören wollen.“

      Kuno Weißhaar stieß einen leisen Zischlaut aus und gab Idan durch Handzeichen zu verstehen, dass er die Kyruppen nicht verärgern solle. Er wünschte nicht, die vielen versprochenen Linsen aufs Spiel zu setzen. Aber der kleine Idan ließ sich nicht von seiner Frage abbringen.

      „Könnte es nicht sein, dass unvollkommene Geschöpfe genau solche Könige bekommen, die zu ihnen passen?“

      „Wir werden nicht gewählt“, verteidigte sich Traula. „Demokratie funktioniert nicht. Das Volk kann nicht lehren, es muss belehrt werden. Und darum sind wir da. Die Nachfolge erfolgt durch Erbrecht. Zu diesem Zwecke paart sich jede Königin einmal im Leben mit einem der klügsten und kräftigsten Kyruppenmänner unserer Wahl. Wir kennen natürlich genau die Bedingungen, unter denen ein Mädchen gezeugt werden wird, und richten uns streng nach denselben. Selbst wenn das einmal schief gehen sollte und ein Junge geboren wird, ist das nicht weiter schlimm, und wir werden es auf eine weitere Paarung ankommen lassen. Die als Nebenprodukte erzeugten Jungen werden freilich eine besondere Erziehung am königlichen Hof genießen und später in ausgezeichnete Ämter eingesetzt.“

      „Wie kommt es, dass ihr so versessen auf Petersilie seid?“, fragte der kleine Idan weiter.

      „Wir sind nicht versessen auf Petersilie“, erwiderte Traula entrüstet. „Nie kämen wir auf den Gedanken, sie zu verspeisen. Vielmehr ist es der überaus wundersame Geruch dieser Pflanze, der uns zu Kunst und Wissenschaft inspiriert. Aber dafür seid ihr Menschen gänzlich unzugänglich.“ Weiter sagte die Königin nichts, und sie sprachen während des ganzen Spazierganges kein Wort mehr.

      Nach weiteren drei Tagen erhielten die Reisenden Bescheid, dass sie nun genug der Ehre erfahren hatten und wieder abreisen müssten. Als Abschiedsgeschenk erhielten sie eine einzige Linse, die ihnen die seelische Verfassung möglicher Feinde sichtbar machen sollte. Diese Linse, so meinte Traula, sollte ausreichend sein.

      „Wer zu