Melea. Alexandra Welbhoff

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Название Melea
Автор произведения Alexandra Welbhoff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903861749



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kam nur mit euch, weil ihr nicht lockergelassen habt“, sagte Respa.

      Geralt kam heran und legte eine Hand auf die Schulter der alten Respa.

      „Die Frauen können den Lagerraum nutzen und sich ausruhen. Dort liegen allerhand Decken, und in einer Truhe sind noch einige Kleidungsstücke.“

      Matt trat vor und fragte: „Hast du Waffen an Bord, Geralt?“

      „Ich glaube, unten sind noch ein paar Speere. Ich werde sie holen, nachdem ich die Frauen einquartiert habe. Also, meine Damen. Folgt mir bitte!“

      Geralt öffnete die Luke zum Unterdeck und stieg die steile Treppe hinab. Diese führte in einen dunklen, nach Fisch stinkenden Raum. Eine Weile hantierte er in einer Ecke, bis schließlich das warme Licht einer Öllampe den rechteckigen Raum erhellte. Er hängte die Lampe in eine Halterung unter der Decke, wo sie hin und her pendelte. Respa kam zuerst herein, gefolgt von Livilia, die Getica stützte. Susan trug ihre kleine Tochter auf dem Arm und Matt seinen Sohn, den Abschluss bildete Melea.

      Sie blieb unter dem Türrahmen stehen und beobachtete, wie sich die Frauen einfach irgendwo an die Wand setzten und dort still verharrten. Geralt kramte derweil in einer Truhe und brachte einige Kleidungsstücke zum Vorschein. Er legte sie auf eine Hängematte und durchforstete einen Berg mit Hanfsäcken und anderen Sachen, bis er erleichtert aufatmete.

      „Ah, da sind sie ja. Komm mal her, Matt.“

      Matt nahm einige Kurzspeere entgegen, die sie auch zum Fischen benutzten.

      „Verteile sie an die anderen, ich komme gleich nach oben“, sagte Geralt.

      Matt ging vor seiner Frau in die Hocke und gab ihr sowie seinen beiden Kindern einen Kuss. Als er an Lea vorbeieilte, bedachte er sie mit einem seltsamen Blick. Das entging Geralt nicht, ebenso wenig wie die furchtsamen Blicke der Frauen, die ebenfalls zu Lea schauten. Nur die alte Respa blickte eher bewundernd auf sie. Geralt seufzte innerlich.

      „Macht es euch bequem, dort liegen noch einige Decken“, sagte er.

      Er ging zu Lea und lächelte sie aufmunternd an.

      „Kommst du bitte mit mir?“

      Lea folgte ihm in seine Kajüte, wo sie sich zunächst umsah, nachdem er Licht gemacht hatte. An der Wand vor ihr standen ein Schreibtisch und ein Stuhl. Die rechte Seite füllte ein Bett aus, auf dem einige Felle und Decken lagen, und an der linken Wand stand eine mittelgroße Holztruhe mit Eisenbeschlägen. Der Raum maß vielleicht vier Meter in der Breite und fünf in der Länge, und dementsprechend gab es noch genug Bewegungsfreiheit. Leas Blick fiel auf Geralt, der sich soeben daranmachte, das Schloss der Truhe zu öffnen. Dabei fluchte er leise vor sich hin, bis es endlich aufsprang und er den Deckel anheben konnte. Einen Moment lang kramte er darin und drehte sich schließlich zu ihr um. Er reichte ihr ein längliches Bündel und meinte: „Ich möchte, dass du den an dich nimmst und auch trägst.“

      Lea nahm es zögerlich entgegen, öffnete die Verschnürungen und schlug den Stoff zurück. Ehrfürchtig zog sie den langen Dolch aus einer Lederscheide. Diese bestand aus gehärtetem Leder, auf der ein schönes Bild eingebrannt war. Unter einem großen Kirschbaum mit ausladenden Ästen stand ein äsender Hirsch, der sie anzusehen schien. Der Dolch mit der leicht gekrümmten Klinge war ein absolutes Meisterwerk. Geralt bemerkte ihre Faszination und erklärte: „Der Griff besteht aus Hirschhorn, und die Klinge wurde aus Zwergen-Erz geschmiedet. Was die Schriftzeichen auf der Klinge bedeuten, kann ich dir leider nicht sagen. Das musst du selbst herausfinden, er gehört dir.“

      Lea bestaunte immer noch den Dolch, der so lang war wie ihr Unterarm. Die Klinge schimmerte blaugrau und war rasiermesserscharf, wie sie leider rasch feststellte. Sie schob sich den blutenden Daumen in den Mund und Geralt nahm ihr den Dolch aus der Hand, um ihn in die Scheide zurückzustecken.

      „Dass er sehr scharf ist, brauche ich dir ja jetzt nicht mehr zu erklären“, sagte er lächelnd.

      Er nestelte an den Riemen herum, die an der Scheide befestigt waren, und deutete auf ihr Bein.

      „Darf ich?“

      Lea nickte und beobachtete, wie er den Dolch seitlich an ihrer rechten Wade festband.

      „Ich würde dich gerne etwas fragen.“

      Geralt erhob sich und sah in ihre moosgrünen Augen, in denen die winzigen goldenen Sprenkel im Licht der Öllampe funkelten.

      „Dann frag“, sagte Lea nach einigen Herzschlägen, da ihr sein durchdringender Blick unangenehm wurde.

      „Mich würde interessieren, wie du das mit dem Hai angestellt hast.“

      Lea seufzte leise.

      „Wenn ich das selbst begriffen habe, werde ich es dir erklären.

      Versprochen.“

      Geralt sah sie noch einen Moment forschend an, nickte dann und wandte sich wieder seiner Truhe zu. Er nahm noch einige Bündel heraus, die er auf den Schreibtisch legte. Dann kam er wieder auf Lea zu.

      „Darf ich mal?“

      Er zog sie in den Raum hinein, da sie nach wie vor im Durchgang stand, und schloss die Tür. An der Wand dahinter hing eine Schwertscheide mitsamt Schwert. Er nahm es herunter und legte es sich um.

      „Lea, ich möchte, dass du hier bleibst und zumindest versuchst, etwas zu schlafen. Du kannst dich hier wie zu Hause fühlen.“

      Er schob sie zum Bett, bis sie sich zwangsläufig darauf setzen musste, und hockte sich vor sie.

      „Und mach dir bitte keine Gedanken um die anderen, sie werden sich schon wieder beruhigen. Ich meine, nun ja … wann sieht man schon mal eine junge Frau, die anscheinend mit einem ausgewachsenen Bullenhai befreundet ist? Und sich auch noch mit diesem unterhält. Mir ist fast das Herz stehengeblieben. Aber du hast Getica das Leben gerettet, und das haben sie auch gesehen. Glaube mir, die Vernunft wird siegen. Sie werden aufhören, dich so anzusehen.“

      Er streichelte sanft über ihre Wange.

      „Ich muss jetzt nach oben, bitte schlaf ein wenig.“

      Geralt erhob sich, drückte Lea einen Kuss auf die Stirn und nahm die Sachen vom Tisch.

      „Danke“, sagte sie leise.

      „Du musst mir nicht danken.“

      „Geralt?“

      Er wandte den Kopf zu ihr.

      „Ja?“

      Ihre Stimme bebte leicht.

      „Dieses Wesen, das Getica und mich töten wollte …“

      Geralt sog scharf die Luft ein und unterbrach sie.

      „Was denn für ein Wesen?“

      „Es hatte Getica über Bord gezogen, und ich bin ihr daraufhin hinterhergesprungen.“

      Geralt hockte sich wieder vor sie und legte die Bündel zur Seite.

      „Bei den Göttern! Ich dachte, sie wäre aus dem Boot gefallen und durch die Strömung unter Wasser gezogen worden?“

      „Dieses Wesen … es hatte lange Fangarme, wie die eines Kraken.“

      „Du meinst, ein Riesenkalmar hat sie aus dem Boot geholt?“

      Lea schüttelte den Kopf und schloss die Augen, während sie zitternd durchatmete.

      „Was dann?“

      „Du wirst mir wahrscheinlich nicht glauben. Ich kann ja selbst kaum glauben, was ich da unten gesehen habe.“

      „Natürlich werde ich dir glauben. Also, erzähl! Was ist passiert?“

      „Ich tauchte Getica hinterher und bekam ihre Hand zu fassen. Doch als ich sie zu mir ziehen wollte, durchfuhr ein heftiger Ruck meinen Arm, und ich wurde mit ihr in die Tiefe gezogen. Dabei fiel mir auf, dass sich irgendwas um ihre Körpermitte gewickelt hatte. Es leuchtete fahl, und ich zog mich