Melea. Alexandra Welbhoff

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Название Melea
Автор произведения Alexandra Welbhoff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903861749



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      „Wir werden dir alles erklären, aber Lea braucht unbedingt einen Heiler, und wir müssen zur Königin.“

      Celvin rannte zu den Wagen und rief: „Lea! Lea, wo bist du?“

      Sander zeigte auf den hinteren Wagen, woraufhin Celvin darin verschwand. Kurz darauf sprang er wieder heraus und rannte zu den Toren. Dort sprach er mit einem Mann zu Pferd, der wenig später davonpreschte. Celvin stieg ebenfalls auf sein Pferd.

      „Ich bringe euch zum Palast!“

      Die Insassen der beiden Kutschen wurden ziemlich durchgeschüttelt, da Celvin ein hartes Tempo vorgab. So gelangten sie schnell zum Palast, und nun standen die Kalmarer vor dem Hauptgebäude.

      Die Fassade war in Grau gehalten, wie der gigantische Felsen, in den der Palast und die beiden Nebengebäude hineingebaut waren. Das Hauptgebäude ragte mehrere Meter heraus, sodass es aussah, als wäre es aus dem Felsen gewachsen. Weiße Balkone entlang der ersten und zweiten Etage hoben sich von dem tristen Grau ab und verliefen über die gesamte Breite von etwa dreißig Metern. Über den Balkonen gab es weitere drei Etagen. Zwischen den breiten Fensterfronten hatten Steinmetze fantastische Figuren in den Stein gemeißelt, tierische sowie menschliche.

      Rion konnte sich nur schwer vom Anblick des Palastes lösen. Er war noch nie hier gewesen, und ihm waren bereits die Stallungen riesig erschienen, an denen sie vorhin vorbeifuhren. Aber dieser Anblick raubte ihm schier den Atem.

      Kopfschüttelnd sah er zum Eingang, der über zwei riesige Flügeltüren verfügte, und fragte sich, ob hier Riesen ein und aus gingen.

      „Welcher normale Mensch braucht Türen von vier Metern Höhe?“, murmelte er.

      Die beiden Wachen rechts und links der Tore trugen silberglänzende Rüstungen und schwarze Umhänge. Sie waren mit Schwertern und Hellebarden bewaffnet. Bestimmt gaben sie eine imposante Erscheinung ab, doch neben den Toren wirkten sie ein wenig verloren, wie Rion fand.

      Geralt wartete auf Celvin, der soeben sein Pferd an einen Stallburschen übergab und zu ihnen kam.

      „Wie geht es weiter?“

      Celvin deutete mit dem Kopf zum Eingangsportal, aus dem gerade sechs Soldaten der Königsgarde traten. Die Männer nahmen auf der Treppe Aufstellung. Kaum standen sie, kamen zwei ältere Männer mit einer Bahre herunter.

      Geralt wollte zu Rion, als die Männer die Trage neben ihm ablegten, doch Celvin hielt ihn zurück.

      „Keine Sorge! Sie gehören dem Heilerorden an und werden Lea direkt zu Helimus bringen. Er ist der Oberste und wird sich persönlich um sie kümmern.“

      Während ein Heiler auf Rion einsprach und ihn dazu bewegte, Lea auf die Trage zu legen, sprach der andere mit Respa und Mo.

      „Sind die Heiler wirklich so gut, wie man in der Stadt munkelt?“, fragte Geralt leise.

      „Besser! Glaub mir, Lea wird wieder auf den Beinen sein, noch bevor die Sonne untergeht.“

      Als die Heiler die Bahre aufhoben, musste Celvin Geralt erneut festhalten.

      „Lass sie ihre Arbeit tun, Geralt!“

      Lea wurde die Stufen hinaufgetragen. Oben angekommen, blieben die Männer vor einer hochgewachsenen Frau stehen. Sie machten Anstalten, die Trage abzusetzen, aber die Frau winkte ab und beugte sich über Lea. Sanft legte sie eine Hand auf ihre Stirn und sprach dabei mit den Heilern. Allerdings sehr leise, sodass die Kalmarer nichts mitbekamen. Kurz darauf eilten die Männer in den Palast.

      Geralt stand vor den Stufen und bewunderte die schöne Frau, die dort oben stand. Ihre glatten schwarzen Haare reichten bis zur schlanken Taille, und die großen tiefblauen Augen schienen alles zu erfassen, was um sie herum geschah. Als sie ihn

      ansah, zupfte jemand energisch an seinem Hosenbein, woraufhin er nach demjenigen schlug.

      „Geralt!“, herrschte ihn eine leise Stimme an.

      Doch er schaute lächelnd zu der Frau, da sie schmunzelte, was sie jedoch zu verbergen versuchte. Er kam nicht dazu, sich zu fragen, warum sie das tat, da er einen harten Schlag in die Kniekehle bekam. Unweigerlich fiel er auf ein Knie und blickte sich irritiert um, weil alle auf dem Boden knieten.

      „Idiot“, raunte Celvin neben ihm.

      „Erhebt Euch, bitte. Wer führt Eure Gruppe und wird mir berichten?“, fragte Nalia mit lauter und klarer Stimme.

      Die Kalmarer standen auf. Bis auf zwei traten alle anderen zurück.

      „Nun gut! Wie lauten Eure Namen?“

      Rion kniff verwundert die Augen zusammen, da die Königin Geralt und ihn abwechselnd ansah, und sah sich nach rechts und links um.

      „Na wunderbar“, murmelte er. Laut sagte er dann: „Mein Name lautet Rion, und der Mann neben mir heißt Geralt.“

      Nalia nickte den beiden lächelnd zu.

      „Ihr werdet mit mir kommen. Die anderen folgen bitte meinen Bediensteten. Sie werden Euch zu den Gasträumen im Nebengebäude führen. Sagt ihnen, was Ihr benötigt, sei es Kleidung, Nahrung oder ein Bad.“

      Rion und Geralt eilten die Stufen empor, denn die Königin wandte sich direkt nach ihren Worten ab und verschwand im Palast. Zwei ihrer Leibwachen blieben direkt hinter ihr, die übrigen vier folgten Rion und Geralt.

      3

      Es ging durch lichtdurchflutete Säle. Treppen aus weißem und schwarzem Marmor führten auf Galerien, die von Statuen in menschlicher oder tierischer Gestalt getragen wurden. Auch sonst gab es Statuen zu bestaunen. Einige von ihnen stellten Wesen dar, die weder Rion noch Geralt jemals gesehen hatten. Staunend und mit immer größer werdenden Augen folgten sie der Königin durch einen langen Flur.

      An der linken Wand hingen riesige Gemälde und Wandteppiche. Zu ihrer rechten Seite kam alle fünfzehn Meter eine Tür. Die Zwischenräume waren weiß getüncht, und bis auf Feuerschalen gab es keinerlei Wandschmuck, Statuen oder Derartiges. Was auch nicht nötig war, denn die Türen vereinnahmten einen sofort. Auf dem Weg zur nächsten Tür hätte man sowieso keinen Blick für etwas anderes gehabt. Selbst nachdem sie die Türen weit hinter sich gelassen hatten, schwirrten die unglaublichen Bilder noch in Rions Kopf herum.

      Einige Abzweigungen, Treppen und Flure später erreichten sie dann schließlich einen großen Raum.

      Es gab einen riesigen Schreibtisch, der vor einer Fensterfront mit bodentiefen Fenstern stand. Einige Schritte rechts davon stand ein Tisch mit zwölf schweren Eichenstühlen. Zehn Meter weiter befand sich ein Kamin, in dem man bequem ein Schwein hätte rösten können. Davor standen mehrere bequeme Sessel und ein tiefer Tisch.

      „Kommt mit!“

      Geralt und Rion sahen sich kurz an, bevor sie der Königin zur Kaminecke folgten.

      „Nehmt bitte Platz und bedient Euch, während wir auf einen weiteren Gast warten.“

      Die beiden setzten sich nebeneinander und begutachteten die Speisen, die auf dem Tisch standen. Es gab verschiedene Obstsorten, Brot, Fleisch und außerdem zwei Karaffen mit Wasser und Wein. Geralt schenkte ihnen Wein ein und nahm sich eine Hühnerkeule.

      Rion trank seinen Becher in einem Zug leer, stellte diesen auf den Tisch zurück und lehnte sich angespannt in den Sessel. Er versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, aber die Sorge um Lea machte dies unmöglich.

      Nalia saß den beiden Männern gegenüber und beobachtete sie eingehend, wobei sie sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte, als sie Geralt ansah. Letztlich blieb ihr Blick an Rion hängen.

      „Esst doch etwas. Ihr seht mitgenommen aus.“

      Rion schüttelte den Kopf.

      „Verzeiht mir, Eure Majestät, aber mir ist nicht nach essen zumute. Ich möchte zu meiner Tochter und wissen, wie es ihr geht.“

      „Das kann ich verstehen. Aber Ihr könnt Euch gewiss sein, dass sie in guten Händen ist. Mein