Melea. Alexandra Welbhoff

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Название Melea
Автор произведения Alexandra Welbhoff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903861749



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sobald General Halldor hier eintrifft. Zuerst wird er mir verraten, wieso er mir noch nie von seinem Zwillingsbruder erzählt hat.“

      Sie sah nun Geralt an, der sich prompt an einer Traube verschluckte und erbärmlich husten musste.

      Rion schlug ihm mehrmals kräftig auf den Rücken und schüttelte verblüfft den Kopf, als er den Knochenberg erblickte, der sich auf Geralts Teller türmte.

      Rion schielte zur Königin, die sichtlich amüsiert war.

      „Der hungrige Mann neben mir ist Geralt. Er ist Händler der Insel Kalmar, mein Nachbar und Freund. Und mir wäre neu, dass er einen Bruder hat.“

      „Nicht nur dir“, murmelte Geralt nachdenklich.

      „Sobald der General eintrifft, werdet Ihr wahrscheinlich anders denken. Rion?“

      „Ja, so lautet mein Name.“

      „Und Eure Tochter, wie heißt sie?“

      „Melea.“

      „Ein sehr schöner Name, er passt zu ihr.“

      Da Rion feuchte Augen bekam, wechselte Nalia das Thema.

      „Unter den Kalmarern befand sich ein dunkelhäutiger Mann. Lebt er schon lange auf der Insel?“

      „Sein Name lautet Mowanye. Er strandete vor sechzehn Jahren auf Kalmar. Sein selbstgebautes Floß war nur noch ein Trümmerhaufen, und er mehr tot als lebendig.

      Durch Respas Hilfe kam er jedoch schnell wieder auf die Beine und …“

      „Hätte die alte Kräuterhexe gewusst, dass er heilkundig ist und zudem ein Schamane, wäre er dies wahrscheinlich nicht“, unterbrach Geralt ihn, wobei er breit grinste.

      Rion stupste ihn mit dem Ellenbogen an und schüttelte tadelnd den Kopf, doch die Königin lachte leise.

      „Kräuterfrauen sind sehr eigen. Und was ihre Heilkünste angeht, da lassen sie sich absolut nichts sagen. Aber sie tun alles, um Leben zu erhalten, und würden niemals grundlos ein Leben nehmen.“

      „Glaubt mir, Hoheit. Respa braucht kein Leben zu nehmen. Sie schafft es, dass man freiwillig von einer Klippe springt.“

      Erneut stieß Rion ihn an, sah aber dann verwundert zur Königin, weil sie nun laut lachte.

      „Ich freue mich schon darauf, Eure Kräuterfrau kennenzulernen. Aber jetzt noch mal zu Mowanye. Was hat er Euch berichtet? Wieso strandete er auf Kalmar, und wie kam es dazu?“

      „Erst gestern Nacht erfuhren wir die ganze Wahrheit. Ihr solltet dringend mit ihm sprechen, denn Kalmar ist nicht die erste Insel, die von diesen Kreaturen eingenommen wurde. Mowanye ist der einzige Überlebende von der Insel Ruls, die ebenfalls von diesen seltsamen Kreaturen angegriffen wurde.“

      „Ihr sagtet, er wäre vor sechzehn Jahren auf Kalmar gestrandet?“

      „Ja, Hoheit.“

      „Und erst gestern berichtete er Euch davon? Ich meine – glaubt ihr ihm, oder könnte es sein, dass er sich nur wichtigmachen wollte?“

      „Ich glaube ihm! Denn er beschrieb Kreaturen, die wir auf dem Schiff zu sehen bekamen.“

      „Von welchen Kreaturen sprechen wir hier?“

      Es klopfte an der Tür, woraufhin Nalia ihren Wachen zunickte. Kurz darauf betrat ein großer Mann den Raum. Er trug eine beeindruckende Rüstung, deren Muskelpanzer seine breite und muskulöse Statur hervorhob.

      „Setzt Euch zu uns, Halldor!“

      Er verbeugte sich vor der Königin und wandte sich den beiden Männern zu. Allerdings stockte er mitten in der Bewegung, als er Geralt die Hand reichen wollte, um sich vorzustellen.

      „Wer seid Ihr?“, fragte Halldor verblüfft.

      Geralt schaute nicht weniger verwirrt drein und erhob sich langsam.

      „Unglaublich. Wieso siehst du aus wie ich?“

      „Also, wenn, dann siehst du aus wie ich“, meinte Halldor.

      Rion betrachtete die beiden abwechselnd mit großen Augen.

      „Zwei von der Sorte? Das überlebe ich nicht!“

      Nalia lachte laut auf. Als Halldor ihr einen undefinierten Blick zuwarf, sprach sie: „Also, ich wäre froh, wenn ich einen weiteren Mann mit Halldors Fähigkeiten in meinen Reihen hätte.“

      „Danke, Eure Hoheit.“

      „Ihr habt mir nie von Eurem Bruder erzählt, Halldor“, fuhr sie fort.

      „Ich weiß nichts von einem Bruder. Was jedoch nicht heißt, dass ich keinen haben könnte. Ich wurde bereits als Baby adoptiert. Meine Zieheltern konnten selbst keine Kinder bekommen und haben mich aus dem städtischen Waisenhaus geholt.“

      „Auch ich war im Waisenhaus. Ich bin mit sechs Sommern von dort abgehauen und durch einen glücklichen Zufall dem damaligen Händler von Kalmar begegnet. Er nahm mich bei sich auf. Dies ist zweiundzwanzig Sommer her“, erzählte Geralt.

      „Lasst mich raten. Ihr zählt ebenfalls achtundzwanzig Sommer?“

      „Ja! Ich …“

      Die Königin unterbrach das Gespräch.

      „Ich werde nachher meinen Sekretär beauftragen, sich die Unterlagen des Waisenhauses anzusehen. Vorher gibt es allerdings wichtigere Dinge zu klären.“

      Die vermeintlichen Brüder ließen sich nicht aus den Augen, bis Nalia ihren General ansprach.

      „Die Bewohner von Kalmar mussten Hals über Kopf fliehen. Die Insel wurde von eigenartigen Kreaturen angegriffen.“

      „Angegriffen? Von wem?“

      „Rion und Geralt werden uns berichten, was geschehen ist.“

      Halldor legte seinen Helm neben den Sessel, als er sich setzte.

      Geralt betrachtete den Mann immer noch erstaunt. Die Ähnlichkeit war einfach unglaublich. Es war fast so, als würde er in einen Spiegel schauen. Abgesehen davon, dass sein Gegenüber die dunkelblonden Haare kurzgeschoren trug und er seine schulterlang.

      „Würdet Ihr uns berichten, was sich zugetragen hat, Rion?“

      Rion nickte und schloss kurz seine Augen, bevor er zu erzählen begann.

      „Wegen des aufziehenden Unwetters erschien es uns sicherer, in die Schutzhöhle zu gehen, die sich im Gebirge befindet. Das heißt, alle Kalmarer, bis auf Respa und ihren Sohn. Die beiden wollten nicht mit, und gutes Zureden war zwecklos. Während die anderen schon vorausgingen, lief ich zu meinem Haus zurück. Ich wollte nachsehen, ob meine Tochter dort war und noch einmal die Fensterläden und Türen kontrollieren. Melea war nicht da, und so sicherte ich mein Haus ab und ging auch nochmal zu Geralts Haus hinüber, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Da unsere Häuser direkt am Strand der kleinen Bucht liegen, konnte ich zwischen den Felsen hindurch aufs Meer hinaussehen.“

      Erneut schloss Rion die Augen und schüttelte leicht den Kopf.

      „Habt keine Scheu, sprecht weiter.“

      „Habe ich nicht. Ich kann nur selbst kaum glauben, was ich in den vergangenen Stunden sah.“

      „So geht es mir auch, aber du sahst diese Dinge nicht allein“, sagte Geralt.

      Er löste sich von Halldors Anblick und sah die Königin an.

      „Rion sah seltsame Lichter im Meer. Er beobachtete dies vom Strand aus und ich von einer Klippe. Bei den Lichtern handelte es sich um grüne und goldene Bögen. Es war kein Wetterleuchten, falls Ihr das denken solltet. Dazu war das Leuchten zu beständig. Zudem bildete es eine fast kreisrunde Fläche, und der Ursprung des Lichts befand sich definitiv unter Wasser.“

      „Was wolltet Ihr auf der Klippe?“, fragte Nalia.

      „Ich bin seit Kindesbeinen